Landesweite Internetabschaltungen. Massive Ausschreitungen auf den Straßen der Städte. Viele Tote und Verletzte sowohl auf Seiten der Demonstranten als auch der Strafverfolgungsbehörden und der Polizei. Kasachstans staatlicher Fernsehsender Khabar 24 scheint den sich entwickelnden Begebenheiten in den vergangenen Tagen in der eigenen Berichterstattung kaum mehr nachzukommen.

Als überraschend erweist es sich, wie lautlos und vor allem wie schnell die inzwischen als Aufstand zu bezeichnenden Unruhen sich vom Westen Kasachstans auf den Rest des Landes ausgeweitet haben.

Nach wie vor seien in Großstädten wie Almaty laute Explosionen zu vernehmen, während es auf den Straßen hoch herginge und der Einsatz von blanker Gewalt sowohl auf Seiten der Demonstranten als auch auf Seiten der Strafverfolgungsbehörden zu einem bevorzugten Mittel im Kampf gegen den „Feind“ avanciert sei.

Kasachstan befindet sich an einem Wendepunkt

Kasachstan scheint nach der fast dreißigjährigen Amtszeit des im Jahr 2019 nicht mehr angetretenen Staatspräsidenten Nursultan Nasarbajew an einem bedeutenden Wendepunkt angekommen zu sein.

Ähnlich wie in einer Reihe von anderen Nationen Zentralasiens scheint auch unter weiten Teilen der Bevölkerung von Kasachstan der Wunsch vorzuherrschen, ein Herrschaftssystem aus den Angeln zu heben, das sich aufgrund seiner über Jahrzehnte etablierten Seilschaften, der damit verbundenen Korruption an der Staatsspitze sowie den hieraus resultierenden Interessenkonflikten speist.

Wenn Augenzeugen über stundenlange Schusswechsel auf den Straßen von Großstädten wie Almaty samt Enthauptungen von Polizisten berichten, so lässt sich vermuten, dass die aktuelle Lage in Kasachstan Spitz auf Knopf zu stehen scheint, was so viel bedeutet, als dass wohl der Versuch eines Staatsumsturzes im Gange ist.

Unter Bezugnahme auf das kasachische Innenministerium sei es bislang zu einer Tötung von achtzehn Mitgliedern der Sicherheitskräfte sowie rund achthundert teils schwer Verletzten gekommen. Am gestrigen Donnerstag sei es ferner auch zu einer Tötung von mindestens dreißig Demonstranten in Almaty gekommen.

Regierungsgebäude und Banken im Fokus von Brandstiftern und Plünderern

Aus im Internet kursierenden Bildern und Videos lässt sich ferner entnehmen, wie Protestler Brände legen und in diesem Zuge vornehmlich Regierungsgebäude und diverse Bankfilialen niederbrennen. Auch zu schweren Plünderungen soll es vielerorts gekommen sein, wie zum Beispiel aus einem Bericht des russischen Outlets Sputnik hervorgeht.

Dass Bankautomaten angesichts der aktuellen Ereignisse und anhaltenden Krawalle fast landesweit außer Dienst sind oder nicht mehr funktionieren ist nahezu selbstredend. Seitens der kasachischen Nationalbank hieß es hierzu, dass Bankdienstleistungen in weiten Teilen des Landes aufgrund von Internetabschaltungen außer Kraft gesetzt seien.

Nach dem inzwischen geschlossenen Rücktritt der Regierung hatte sich die Gewaltwelle in Almaty und einer Reihe von Provinzen nochmals verschärft. Im Fokus der Demonstranten befand sich dabei der Versuch einer Erstürmung von Hunderten von Polizeistationen im ganzen Land. Dutzende Protestler hätten hierbei den Tod gefunden.

Staatspräsident beruft sich auf eine Einmischung aus dem Ausland und erteilt den Schießbefehl

Die kasachischen Behörden und Staatspräsident Kassim-Jomart Tokayev haben mitgeteilt, dass die sich an Energiepreiserhöhungen entzündenden Proteste auf „eine Einmischung aus dem Ausland“ zurückführen“ ließen. Tokayev habe den Sicherheitskräften inzwischen einen uneingeschränkten Schießbefehl erteilt.

Wer nüchtern auf die aktuellen Ereignisse in Kasachstan blickt, erkennt, dass das Land vor einem gesellschaftlich-wirtschaftlichen Kollaps steht und in einen immensen Abgrund blickt. Um die innenpolitische Lage in den Griff zu bekommen, hatte Tokayev zur Wochenmitte um Unterstützung seitens der Collective Security Treaty Organization (CSTO) gebeten.

CSTO rückt erneut ins Zentrum der Geschehnisse

Angesichts des afghanischen Rückzugsdebakels der Amerikaner und der NATO rückte die CSTO im August vergangenen Jahres schon einmal ins Zentrum der Weltöffentlichkeit. Die sechs Mitglieder der Bündnisorganisation (Russland, Armenien, Kasachstan, Tadschikistan, Usbekistan und Kirgisien) schickten sich damals dazu an, mittels eines Einsatzes von eigenen Truppen im Grenzgebiet zu Afghanistan die Flüchtlingsströme aus dem Hindukusch-Land zu kontrollieren.

Ferner wurde den Amerikanern seitens der CSTO als auch seitens Pakistans deren Ersuchen um die Aufrechterhaltung einer eigenen Militärpräsenz in einem der Nachbarstaaten von Afghanistan abschlägig beschieden. Insbesondere der CSTO schien es damals nur allzu recht zu sein, die Amerikaner endlich „raus zu haben“ aus der Region.

Russische Truppen sollen dabei helfen, die Ordnung wieder herzustellen

Und so befinden sich nun unter anderem russische Truppen nach einem Beschluss der CSTO auf dem Weg nach Kasachstan, um dort für eine Aufrechterhaltung der Ordnung zu sorgen. Denn sollte Kasachstan fallen, so die Strategen der CSTO, könnte schlussendlich die gesamte territoriale Integrität in Zentralasien auf dem Spiel stehen.

Und so sieht sich die Russische Föderation erneut direkt in einen innenpolitischen Konflikt eines Landes an ihrer eigenen Bauchflanke involviert – ein Eingreifen, das in Moskau zwar als notwendig und unumgänglich erachtet wird, wohl jedoch auch zu einem hohen Grad der Genervtheit im Kreml geführt haben dürfte.

Russland an immer mehr Fronten aktiv

Denn Russland sieht sich bereits an so vielen Fronten auf der Welt involviert, allen voran in Syrien, in der Ostukraine, in Weißrussland, im nordafrikanischen Libyen, in Tadschikistan, in Kirgisien – und nun auch noch in Kasachstan. All diese Konflikte binden militärische Kräfte und kosten vor allem Geld.

Wie der britische Sender BBC gestern berichtete, habe die CSTO offiziell eine Entsendung von russischen Fallschirmspringern und anderen Spezialeinheiten nach Kasachstan bestätigt. Im Fall der vor Ort zum Einsatz kommenden Truppen handele es sich um „Friedensbringer“, wie es weiter hieß.

Unterdessen ähneln die Verhältnisse auf den Straßen von Almaty und anderen Regionen im Land einem offenen Schlachtfeld. Inzwischen seien militärische Verbände ausgerückt, um die zentralen Plätze in den kasachischen Städten zu patrouillieren und dort wieder für Ruhe und Ordnung zu sorgen.

Staatspräsident zeigt sich optimistisch: „Kasachstan wird nicht fallen“

Seitens des angeschlagenen Staatspräsidenten Tokayev hieß es ferner, dass das kasachische Staatswesen nicht fallen werde. Egal, was auch geschehen werde, so gab Tokayev bekannt, würde er in seinem Amt verbleiben wollen. Wahrscheinlich um Tokayev Schützenhilfe zu leisten, hat sich gestern auch das russische Außenamt in die offizielle Kommunikation mit eingeschaltet.

Danach handele es sich bei den aktuell in Kasachstan zu beobachtenden Ereignissen um „einen von außen gesteuerten Versuch zum Umsturz des kasachischen Staatswesens“. Über das ganze Land wurde inzwischen das Kriegsrecht verhängt. Die Washingtoner Regierung hat mittlerweile offiziell verlautbart, nichts mit den Umsturzversuchen in Kasachstan zu tun zu haben, warnte seinerseits Russland jedoch vor einem Begehen von Menschenrechtsverletzungen.

Neben den bereits eingetroffenen russischen „Friedenstruppen“ werden unter aller Voraussicht auch die anderen Mitglieder der CSTO eigene Soldaten nach Kasachstan entsenden. Selbst weißrussische Militärkräfte sollen mit dem Ziel einer Stabilisierung der politischen Lage in Kasachstan entsandt werden.

Wie eine Schallplatte: Der Westen erhebt seine gewöhnlichen Vorwürfe

Auf der internationalen Bühne wird dem Moskauer Kreml und Staatspräsident Wladimir Putin seitens des Westens indes vorgeworfen, den Resten des kasachischen Regimes dabei helfen zu wollen, den eigenen Machtanspruch im Land zu bewahren, um in der Ex-Sowjetrepublik mit autoritärer Faust weiter zu regieren.

In einer Kolumne auf der Seite des russischen Staatssender RT.com gab der Vorsitzende des Präsidiums des Council on Foreign and Defence Policy sowie der Forschungsdirektor des Valdai International Discussion Club, Fyodor Lukyanov, indes seine ganz eigene Sichtweise zu den Geschehnissen in Kasachstan zum Besten.

Es handelt sich wohl doch eher um einen innenpolitischen Konflikt

Der Grund, weswegen sich die Regierung Kasachstans in einer Krise des Zusammenbruchs befinde, ließe sich laut Fyodor Lukyanov anhand von heimischen Entwicklungen ausmachen. Allem anderen voran habe sich der chaotische und über einen viel zu langen Zeitraum andauernde Machttransfer nach dem im Jahr 2019 erfolgten Abdanken von Nursultan Nasarbajew als fatal erwiesen.

Die erfolgte Deklaration in Bezug auf einen von außen gesteuerten Umsturzversuch werde den realen Begebenheiten in Kasachstan nicht gerecht, wie Lukyanov warnt. Auf diese Weise sei aus dem Blickwinkel von Fyodor Lukyanov schlichtweg die Tür für direkte Interventionen durch die Russische Föderation und die CSTO im Land aufgestoßen worden.

In jüngster Vergangenheit sei dies angesichts von aufkommenden Konflikten in Armenien oder in Kirgisien noch anders gewesen. Neben der CSTO habe auch die Russische Föderation ausbrechende Unruhen in diesen Partnernationen damals als rein innenpolitische Konflikte bezeichnet, die keiner Einmischung von außen beziehungsweise der CSTO bedürften.

Lässt sich den kasachischen Clan-Rivalitäten ein Ende bereiten?

Im aktuellen Fall sei allerdings alles anders. Die wichtigste aller Fragen sei nun, so Lukyanov, ob eine Entsendung von CSTO-Friedenstruppen Unterstützung dabei leisten werde, um den völlig aus dem Ruder gelaufenen Clan-Rivalitäten in Kasachstan ein Ende zu bereiten. Gewiss stellt sich in diesem Kontext auch die Frage, in wessen Händen sich die politische Macht im Land in der Zukunft konsolidieren wird.

Der Russischen Föderation dürfte in diesem Hinblick aufgrund der eigens eingenommenen Rolle als Garantiegeber für Stabilität und Frieden ein nicht unwesentlicher Einfluss zufallen. Ähnlich wie nach dem kurzen Krieg im Jahr 2020 könnte es sich in Armenien allerdings nur um eine temporäre Lösung eines unter der Oberfläche weiter vor sich hin schwelenden Konflikts handeln.

Uran hui, Bitcoin pfui…

Wie dem auch sei, die aktuellen Ereignisse ziehen selbstverständlich auch Auswirkungen auf bestimmte Segmente an den Finanz- und Rohstoffmärkten nach sich. Zu erwähnen wären in diesem Zusammenhang allen voran die Uranmärkte.

Da sich Kasachstan als größter Uranproduzent weltweit erweist, verwundert es kaum, dass die Uranpreise angesichts der aktuellen Ereignisse im Land ihre Rallybewegung in der laufenden Woche fortgesetzt haben.

Für noch interessanter halte ich es, dass der Bitcoin in den letzten Tagen teils deutlich unter Abgabedruck geraten ist. Ein Grund hierfür dürfte sein, dass es sich im Fall von Kasachstan um den weltweit zweitgrößten Mining Hub im Bitcoin-Bereich handelt.

Die landesweiten Internetabschaltungen haben zur Folge, dass lokal aktive Bitcoin-Miner ihr Equipment abschalten müssen. Nachdem der Datennetzwerk-Provider NetBlocks bereits am Dienstag eine massive Störung und Unterbrechung in Bezug auf die Internetaktivitäten bekanntgegeben hatte, hat sich der Preisrückgang an den Bitcoin-Märkten intensiviert.

Nun könnte man der Ansicht sein, dass politische Börsen oftmals kurze Beine haben, um im Fall einer potenziellen Wiederherstellung der Ordnung in Kasachstan zur Tagesordnung überzugehen. Dass es auch zum Ausbruch eines Bürgerkrieges im Land kommen könnte, ist keineswegs auszuschließen.

Als interessant erweist es sich jedoch, auf welche Weise Bitcoin & Co. auf Meldungen dieser Art reagieren. Landesweite Internetabschaltungen und potenzielle Strom-Blackouts könnten bald schon auch in ganz anderen Teilen der Welt zu einem Normalzustand werden, wenn die gesellschaftlichen Turbulenzen weltweit zunehmen.

„Was heißt das für mich konkret!?“

Was wird erst geschehen, wenn von solchen Entwicklungen unter Umständen auch die klassischen Industrieländer betroffen sein werden? Man braucht nur nach Deutschland oder in die Niederlande zu blicken, um zu erkennen, dass der Grad der Unzufriedenheit unter weiten Teilen der Bevölkerung seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs niemals größer als momentan gewesen ist.

Wie wird es Kryptowährungen und allen voran Bitcoin ergehen, falls in den Fensterscheiben von Tankstellen, Geschäften und sonstigen Einzelhandelsbetreibern ähnliche Schilder wie einst in Griechenland, Zypern oder im US-Bundesstaat Texas zu sehen sein werden, auf denen klar und deutlich zu lesen stand:

No Plastic Accepted (Keine Akzeptanz von Kartenzahlungen). Cash And Hard Assets Only. (Nur Bargeld und andere Sachwerte).

Gehört der Bitcoin zu den Sachwerten? Nun, hierüber streiten sich die Geister. Ich war stets der Ansicht, dass sich der Bitcoin zu Spekulationszwecken eignet.

Doch zur Vermögensaufbewahrung? Ich denke, dies wird sich vor allem dann zeigen und erweisen, falls es zum Ausbruch einer neuen Banken- und/oder Systemkrise kommen sollte, in deren Zuge das Internet vielleicht gar global abgeschaltet würde, um die Kommunikation unter den Nutzern (insbesondere in den sozialen Medien) zu unterbrechen, und in deren Zuge es ebenfalls zu weitreichenden Lieferausfällen an den Energie- und Strommärkten kommen könnte.

Wie inhaltlich wertvoll wäre ein Bitcoin in einem solchen Fall im Vergleich mit einem US-Dollar? Oder einer Unze Gold? Oder einer Stange Zigaretten? Oder zehn Packungen Reis? Oder einer Flasche Wodka?

Machen Sie sich hierüber bitte Ihre eigenen Gedanken, liebe Leser. Ich wünsche allen ein schönes Wochenende und hoffe, dass Sie alle gut und gesund ins neue Jahr gestartet sind!

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