Der Abschied Merkels vom Nichtstun mündet derzeit in dem Versuch, die angerichteten strukturellen Schäden in Erfolge umzudeuten. Etwaige Parallelen zum Endstadium der DDR sind ganz sicher rein zufälliger Natur. Schritt zwei ist der Versuch, eine mittlerweile auch optisch an einen Klon erinnernde Nachfolge zu installieren - vermutlich um den Wähler vor einem allzu großen Sprung hinsichtlich Qualität und Charisma zu bewahren.

Was bleibt ist nicht unbedingt vorbildlich

Um zumindest den Redakteuren der GMX-Startseite und qualitativ vergleichbaren Tageszeitungen noch Beweise der eigenen Bedeutung zu liefern, erzählt die Abtretende vor laufenden Kameras davon, was Russland, China und andere ihrer Meinung nach doch bitte zu tun und zu lassen haben. Zuhören wird im Ausland wohl niemand mehr - warum auch!?

Es ist bitter, diese Frage stellen zu müssen, aber was genau sollen denn andere Länder aus dem Rückbau der letzten 13 Jahre lernen? Eines vielleicht, fiele einem ein: und zwar die Wiederentdeckung des Potemkin’schen Dorfes. So schafft man es mit Bravour, einige kleine repräsentative Flecken deutscher Großstädte sauber zu halten, während der große reale Rest immer mehr versifft und herunterkommt.

Not gegen Elend

Das im Hintergrund stattfindende Getümmel um Herrn Merz und einige andere, wirkt wie der schlecht choreographierte Versuch, einen demokratischen Prozess innerhalb der Union zu suggerieren. Ist es nicht lustig, wenn sich die Grünen für eine Kandidatin erwärmen und den anderen geradezu als Schwefelbuben darstellen. Mein Gott, hat er etwa gesagt, man könne nicht ein paar hundert Millionen Afrikaner aufnehmen? Das muss freilich ein ganz fieser Rassist sein! Der arbeitet für Blackrock? Warum hat der nicht Theater“wissenschaften“ studiert und abgebrochen - das wäre doch viel besser!

Unabhängig davon, wer die Nachfolge dereinst antreten wird, sollte der Niedergang der Partei voranschreiten. Was den Grad der inhaltlichen Aushöhlung angeht, kann man es mittlerweile sogar mit den Sozialdemokraten aufnehmen. Die Glanzlichter setzt allerdings noch immer die Nahles-Truppe, die stramm auf die Zehn-Prozent-Marke zumarschiert und munter noch aufs Gaspedal tritt. Wie kaputt eine Organisation wirklich ist, erkennt man wie bei einer Fußballmannschaft daran, wer als Hoffnungsträger gilt.

Wie wäre es mit einem Rücktrittsrecht für Wähler!?

Immerhin kommt in schweren Zeiten die Kreativität bekanntlich nicht zu kurz. So hat die SPD unter anderem die IPO erfunden, die Innerparlamentarische Opposition von der Regierungsbank. Die Partei war in den letzten Dekaden ständig an der Regierung beteiligt, tut aber so, als hätte sie mit den in dieser Zeit getroffenen und nicht getroffenen Entscheidungen nichts zu tun.

Unterdessen verbringt die Union einen Großteil der Zeit damit, Entscheidungen zu rechtfertigen, die man getroffen hat, ohne dafür gewählt worden zu sein. Denen, die einen dafür nicht gewählt haben, was man beschließt, wirft man allerlei vor. Die Spanne reicht vom Populismus bis zum Rassismus. Es wird alles aus dem Giftkoffer herausgeholt, was es an armseligen Diffamierungen politischer Gegner und Wähler so gibt. Nur Unfähigkeit wirft man glücklicherweise niemandem vor. Das darf man als berechtigte Angst vor dem Bumerang interpretieren.

Vielleicht sollte man im Wahlrecht ein Rücktrittrecht implementieren. Bis zum Ende des ersten Regierungsjahres könnten die Wähler ihre Stimmen dann noch einmal anders verteilen.

Sie nannten es Fortschritt: Orientierungslos in die Beliebigkeit

Die politische Beliebigkeit bei Themen wie der Energieversorgung, der verschlafenen Wiederbelebung der Infrastruktur oder der aktiven Verhinderung von Grenzkontrollen hat ein Niveau erreicht, das sowohl den Status als auch die Leistungsfähigkeit der Bundesrepublik mehr als nur angekratzt hat. Dazu kommt eine peinliche Anpasserei an Dinge wie Genderthemen, die eine große Mehrheit nicht interessieren, und deren Fahnenträger dank der Penetranz fast allen nur noch auf die Nerven gehen. So sieht nicht Modernität aus, so sieht Orientierungslosigkeit und Beliebigkeit aus. Den Charakter beider ehemals großen Parteien hat man so in gut einer Dekade nahezu vollständig vernichtet - eine bemerkenswerte zerstörerische Leistung.

Gemeinsam mit der SPD erinnern die Protagonisten der zweiten ehemaligen Volkspartei an die Lindenstraße, deren Macher offenbar im Rausch aufdringlichen Sendungsbewusstseins ganz vergessen haben, dass niemand mehr zuschaut. Bei der Lindenstraße gab es zuletzt noch eine wirre Ansammlung grotesker Figuren zu bestaunen. Lustigerweise entspricht diese Mischung offenbar dem, was mancher unter einem Abbild der Gesellschaft versteht. Dieses Bild erinnert leider eher an zwanghaft überkorrekte Kinderbücher, die mit dem Ziel geschrieben wurden, die Autoren zu erfreuen und nicht die Kinder.

Bei der Fernsehsendung werden nun die Konsequenzen gezogen. Man darf gespannt sein, welches Ersatzformat man sich einfallen lässt. Wie wäre es mit „Sing for Europe: Bärtige Menschen allerlei Geschlechts interpretieren politisch korrigierte Texte von Hans Albers“. Alternativ könnte man sich auch an der tönenden Wochenschau orientieren, und der Bevölkerung von den Segnungen der Regierungspolitik erzählen, etwa der Eröffnung des BER 2037, der Sanierung von drei Bahnhofstoiletten im gleichen Jahr oder der Aufstockung von „Wohn-Riester“ um 3,50 Euro bei gleichzeitiger Erhöhung der Grund- und Grunderwerbssteuer um zwei Prozentpunkte.

Wer die Augen offen hält, der erkennt dann endlich, dass es nicht die brennenden Ruinen des Strukturwandels sind, die in der Ferne leuchten, sondern das ewig gleißende Licht des Fortschritts. Auf Genossen, zum großen Sprung nach vorne!

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