Im heutigen Bericht wird an die gestern getätigten Ausführungen angeschlossen. Wie in den Wochen zuvor berichtet, sind es nicht die Aktien-, sondern vielmehr die Bondmärkte, die sich als Elefant im Raum erweisen.

Wer in diesen Tagen an Amerikas gewerbliche Immobilienmärkte blickt, erkennt, dass sich die zugrundeliegenden Sicherheiten der mit gewerblichen Immobilienkrediten „besicherten“ Hypothekenanleihen (CMBS) in einem rasanten Tempo im Wert vermindern.

Heißt also, wenn diese zugrundeliegenden Sicherheiten im Wert sinken, so stehen auch die darauf basierenden Finanzprodukte wie CMBS mehr und mehr auf der Kippe. Die Probleme gehen jedoch über diesen Bereich hinaus, denn auch MBS-Papiere und US-Staatsanleihen sind über die letzten Monate aufgrund der stark gestiegenen Zinsen teils deutlich im Wert gesunken.

Ein noch größerer Elefant

Wer den größten Elefant im Raum ausmachen möchte, schaut neben den Bondmärkten an die Derivatemärkte. Im gestrigen Bericht wurde bereits darauf eingegangen, dass es mittlerweile systemisch wichtige Institute wie die Deutsche Bank AG sind, deren Ausfallversicherungen in Form von Credit-Default Swaps in den letzten Tagen durch die Decke schossen.

Ein gutes Anzeichen ist das nicht, zumal sich beobachten lässt, dass Stress und Furcht in der Zwischenzeit auch auf amerikanische Versicherer wie Lincoln National übergesprungen sind.

Die Aktivitäten unter den als systemisch wichtig eingestuften Instituten im Bereich von regulierten Over-the-Counter- und Futures-Derivaten wird in den Bilanzen dieser Banken auf Basis von mark-to-market ausgewiesen. Laut Kritikern handelt es sich hierbei allerdings nur um einen Bruchteil der nominalen Werte dieser gehandelten Derivate.

Nichtsdestotrotz erweisen sich regulierte Derivate als Kreditzusagen zum vollen nominalen Nennwert. Laut Schätzungen der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) beliefen sich die ausstehenden Derivate-Kontrakte an den durch Finanzaufsichtsbehörden regulierten Futures-Märkten zum Ende des letzten Jahres auf einen Gegenwert von knapp 36,7 Billionen US-Dollar.   

Hierzu gesellte sich ein zusätzlicher Betrag in Höhe von gut 43 Billionen US-Dollar in Form von Optionen. Was OTC-Derivate, Rohstoff-Futures und Währungsmarkt-Futures anbelangt, so handelt es sich bilanztechnisch betrachtet um finanzielle Verpflichtungen in vollemNennwert. Credit-Default Swaps (CDS) fallen nicht hierunter.

Blick auf die Währungs-Swap-Märkte

Einmal mehr auf Daten der BIZ zurückgreifend, standen zum Ende des ersten Halbjahres 2022 Währungsmarkt-Kontrakte in einem Gegenwert von knapp 110 Billionen US-Dollar aus, wozu sich ausstehende Optionen in einem Gegenwert von weiteren knapp dreizehn Billionen US-Dollar hinzugesellten.

Der Bereich der Rohstoff-Derivate nahm sich im direkten Vergleich zu diesen Segmenten mit einem Betrag von zusätzlichen 2,3 Billionen US-Dollar fast schon klein aus. Der Bereich der Credit-Default Swaps (CDS oder Ausfallwetten auf Bonds unter den jeweiligen Emittenten) lässt sich in dieser Betrachtung aussparen, weil es sich hierbei ohnehin nur um rein fiktive Werte handelt.

Offenbar wurde dies zu Zeiten der globalen Finanz- und Bankenkrise. Damals mussten unter anderem der Versicherer American Insurance Group wie auch die Citibank staatlich „gerettet“ werden.

Allen voran AIG sah sich damals nach dem Kollaps der US-Investmentbank Lehman Brothers nicht mehr dazu in der Lage, die entsprechenden Drittparteien adäquat auszuzahlen, und stand aus diesem Grund unmittelbar vor dem Fall.

An diesem Beispiel zeigt sich, dass diese eingegangenen Risikopositionen nur eine Seite der Medaille in Bezug auf ehedem eingegangene Kreditverpflichtungen darstellen. Die andere Seite dieser Medaille setzt sich mehrheitlich aus diversen Akteuren und Drittparteien im Nicht-Banksektor zusammen.

Hierzu gehören vor allem Hedgefonds und ähnliche Spekulanten. Erwähnt sei, dass Claudio Borio, Chef der Währungs- und Wirtschaftsabteilung der BIZ, im vergangenen Dezember ein eigenes Papier zu diesem Thema publiziert hatte.

Auslagerung der (bilanziellen) Risiken

In diesem Papier gestand Claudio Borio offen ein, dass es Anzeichen dafür gibt, wonach ein Betrag von über achtzig Billionen US-Dollar im Bereich der ausländischen Währungsmarkt-Swaps in Form von verdeckten Finanzverpflichtungen (Kreditschulden) auf US-Dollar-Basis gehalten wird.

Die entsprechenden Akteure weisen diese finanziellen Verpflichtungen demnach also nicht offiziell in ihren Bilanzen aus, sondern haben diese Risikopositionen ausgelagert. Die durch Claudio Borio ins Feld geführten achtzig Billionen US-Dollar sind Teil der zuvor erwähnten knapp 110 Billionen US-Dollar (ausstehende Währungsmarkt-Kontrakte).

Weiterhin bestätigte Claudio Borio, dass die Brutto-Werte der ausstehenden Derivate im OTC-Währungsmarktbereich in den Bilanzen von Versicherern und Banken nicht nur als Passiva, sondern auch als Aktiva ausgewiesen werden sollten, um sich ein klareres Bild über die vom globalen Bankensystems ausgehenden Risiken machen zu können.

Es reiche zudem schlichtweg nicht aus, wenn diese Produkte in Form von mark-to-market in den Bilanzen der betreffenden Akteure ausgewiesen werden. Es lässt sich davon ausgehen, dass anhand dieses Aspektes ein Betrag von mehr als zweihundert Billionen US-Dollar in Form von zusätzlichen Bilanzverpflichtungen mit einkalkuliert werden muss.

Offiziell weisen die Systembanken (Too-big-to-Fail-Institute) einen kumulierten Betrag von knapp 65 Billionen US-Dollar in Form von Bilanzverpflichtungen in diesen Bereichen aus. Demgegenüber stehen gerade mal knapp 4,5 Billionen US-Dollar in Form von kumuliertem Eigenkapital.

Der Schnellschuss in Sachen Credit Suisse war aus Sicht der involvierten Akteure nur allzu verständlich und nachvollziehbar

Um noch einmal auf das Papier von Claudio Borio zurückzukommen, so wird darin darauf hingewiesen, dass sich der Löwenanteil der gehaltenen OTC-Risikopositionen aus US-Dollar denominierten Kontrakten zusammensetzt.

Größtenteils werden diese Kontrakte also durch Akteure in den Vereinigten Staaten emittiert und durch Drittparteien in Europa, Japan und dem Rest der Welt gekauft. Sollte nur eine der Systembanken kollabieren, so würden aufgrund der eingegangenen Drittparteirisiken wohl auch alle anderen Institute sofort zusammenbrechen.

Die Credit Suisse Group erwies sich als eine dieser systemisch wichtigen Banken, weshalb der Schweizerische Staat wohl auch nicht davor zurückschreckte, nachträglich bestehende Gesetze zu ändern, um eine Übernahme der Credit Suisse Group durch die UBS Group AG zu den zuvor hastig ausgehandelten Konditionen zu ermöglichen.  

Hierin kommt auch zum Ausdruck, weshalb die Federal Reserve Bank in den Vereinigten Staaten so schnell zugange war, um der EZB, der SNB, der Bank of England oder auch der Bank of Japan abermals US-Dollar-Swaps einzuräumen.

Neueste Daten zeigen, dass in Japan bislang kaum Interesse vorherrscht, diese Swap-Linien in Anspruch zu nehmen. Auch innerhalb der Europäischen Union hält sich das Interesse bislang noch in überschaubaren Grenzen.

Doch in der Schweiz sah dies angesichts des soeben noch verhinderten Totalkollapses der Credit Suisse ganz anders aus. Insbesondere die Bedürfnisse der Credit Suisse Group und deren Counterparties sollten wohl auf diese Weise befriedigt werden.

Was die Schweizerische Eidgenossenschaft anbelangt, so machte übrigens die nachfolgende Meldung bereits vor gut zwei Wochen Schlagzeilen.

Auf dem Twitter-Kanal der ehemaligen Kapitalmanagerin Genevieve Roch-Decter hieß es hierzu nur lapidar, dass Credit Suisse, eine Bank, die im letzten Geschäftsjahr 7,8 Milliarden US-Dollar Verlust eingefahren hat, durch eine andere Bank gerettet wurde, die im letzten Geschäftsjahr 143 Milliarden US-Dollar an Verlusten einfuhr.

Gemeint war hiermit die Schweizerische Nationalbank (SNB). Wie dem auch sei, so lässt sich angesichts der gegebenen Umstände ein Fazit ziehen, das da lautet:

Vor allem die Federal Reserve Bank sieht sich angesichts des aktuellen Ausblicks auf eine Kreditkontraktion (stark nachlassende Kreditvergabebereitschaft unter den amerikanischen Banken, die laut einer Analyse von TS Lombard wie eine verdeckte – und zusätzliche – Leitzinsanhebung in Höhe von zwischen 75 bis 150 Basispunkte wirkt), mit einer schier unlösbaren Aufgabe konfrontiert.

Diese Zusammenfassung für CK*Wirtschaftsfacts von Roman Baudzus nimmt unter anderem Bezug auf einen Bericht der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich.


Dieser Bericht wird in der laufenden Woche durch einen dritten Teil ergänzt.

Zwischenfazit (Roman Baudzus)

Würde die Federal Reserve Bank ihren Leitzins im aktuellen Umfeld im Rahmen einer potenziellen Notsitzung senken, so wäre auch der letzte Fitzel an Glaubwürdigkeit der Institution aufgebraucht.    

Doch um das Überleben des bestehenden Weltfinanzsystems zu gewährleisten, wird die  Fed im Hinblick auf die allgemeine Liquiditätsversorgung und einer damit verbundenen Hoffnung auf eine erneute Kreditexpansion richtig das Gaspedal durchdrücken müssen, was sich anhand der gestern erwähnten Entwicklung des Bilanzbuchs der Fed ja auch bereits zeigt.

Ob das Buhei, das ob dieser Entwicklung vielerorts gemacht wird, ausreichen wird, sei einmal dahingestellt, wenn man die disinflationären oder auch deflationären Kräfte mit in sein Kalkül einbezieht, welche sich angesichts einer möglichen Kreditklemme (siehe Warnungen durch TS Lombard, Moody´s Investors Service und auch Fed-Chef Jay Powell selbst) momentanandeuten.  

Erinnert sei nochmals daran, dass der Löwenanteil der brisanten Derivate-Obligationen auf US-Dollar-Basis emittiert worden ist, und somit durch Emittenten in den Vereinigten Staaten „garantiert“ wird.

Einer enormen Belastung wird aus diesem Grunde der US-Dollar ausgesetzt sein, weshalb es kaum verwundern dürfte, dass die durch China gehaltenen Positionen in US-Staatsanleihen nominal inzwischen unter die Marke von 900 Milliarden US-Dollar gesunken sind.

Was kauft China anstelle dessen, wird sich der ein oder andere wahrscheinlich fragen. Die Antwort lautet: Unter anderem Gold.

Zunächst haben wir es zurzeit mit einer Banken- und Vertrauenskrise zu tun. Die Fed sieht sich in Folge dessen dazu gezwungen, alles Erdenkliche in die Waagschale zu werfen, um die Preise unter Finanzvermögenswerten und deren zugrundeliegende „Sicherheiten“ zu stützen.

Schon bald wird es wahrscheinlich nicht mehr nur allein die Federal Reserve Bank sein, deren Aktivitäten hierauf fokussiert sein werden. Vielmehr lässt sich davon ausgehen, dass andere große Notenbanken wie die EZB, die SNB oder die Bank of England nachziehen werden(müssen).

Nichtsdestotrotz zeichnet sich jetzt bereits ab, dass die Probleme im Bankenbereich auf die breite Wirtschaft (unter anderem eine stark rückläufige Kreditvergabe) überzuspringen drohen.

Nicht nur die bis über beide Ohren verschuldeten Zombie-Unternehmen, sondern auch extrem überschuldete Verbraucher werden somit unter einen sich intensivierenden Finanzdruck geraten. Ausfallende Kredite, wie im Bereich der US-Fahrzeugmärkte, drohen die Probleme und potenziellen Abschreibungen im Bankensystem zu potenzieren.

 

Basierte die Bankenkrise bis hierhin vermehrt darauf, dass Konteninhaber angesichts von mickrigen Zinsofferten der Banken in andere Instrumente wie kurzläufige Treasury Bonds oder auch Geldmarktfonds (siehe die obige Grafik anhand eines Tweets von Jim Bianco) geflüchtet sind, so droht sich angesichts einer Zunahme von potenziellen Kreditausfällen in der breiten Wirtschaft schon bald ein weiteres Problem im Bankensektor hinzu zu gesellen.

Diese sich darstellenden Rahmenbedingungen berücksichtigend, bekräftige ich hier nochmals meine Sichtweise, dass es jetzt „nur“ noch einen „Unfall“ an den Derivate-Märkten benötigt, um in ein bereits brennendes Feuer zusätzliches Öl zu kippen.

Abschließend erfolgt anhand eines Charts auf der Seite von stockcharts.com noch ein Blick auf die Aktienkursentwicklung der First Republic Bank, eine der momentan größten Problem-Banken in den USA (ich empfahl Ihnen, diesen Chart tagtäglich aufmerksam zu verfolgen).

Wie steht es um die seitens der Medien kolportierte Kapitalerhöhung des Instituts, um die JPMorgan-Chef Jamie Dimon sehr bemüht sein soll? Oder wie es steht es um eine potenzielle Übernahme von FRC durch einen Wettbewerber, um die JPMorgan-Chef Jamie Dimon höchst selbst bemüht sein soll?

Den Aktienkurs von FRC beobachtend, scheint es um diese Dinge wohl eher nicht so gut zu stehen. Falls diese Bank irgendjemand in ihrem aktuellen Zustand kaufen oder übernehmen wollte, so wäre dies angesichts des aktuellen Aktienkurses wahrscheinlich schon geschehen.

Was mag sich in der Bilanz dieses Instituts (Nummer 14 auf dem US-Markt) befinden, was potenzielle Kaufinteressenten abzuschrecken scheint? Es handelt sich hierbei sozusagen um Food for Thought.

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