Nach einem kurzen Testlauf werden wir hiermit die Aktienanalyse als feste Rubrik installieren. Immer donnerstags soll ein börsennotiertes Unternehmen auf Herz und Nieren durchleuchtet werden, sodass am Ende eine genaue Beurteilung der gegenwärtigen Situation möglich ist. Dementsprechend wird diese Rubrik „Aktie der Woche“ genannt. Als Instrumente dienen die Technische Chartanalyse und die Fundamentalanalyse anhand von Geschäftszahlen. Zudem wird auf die aktuelle Nachrichtenlage und momentane Strategie der Unternehmensführung eingegangen, um ein Bild von der Stimmung der Konzernlenker beziehungsweise der Aktionäre zu bekommen. Ziel ist die Ausarbeitung einer klaren Einschätzung. Wir werden diese Serie mit dividendenstarken Einzelwerten aus den großen deutschen Indizes sowie dem EuroStoxx50 eröffnen. Über Feedback und Anmerkungen sind wir jederzeit dankbar! Und denken Sie bitte nach wie vor daran: Wir geben hier explizit keine Handelsanweisungen!

Ihre Cashkurs-Redaktion


Die Aktie der France Télécom (FT) notiert gegenwärtig bei etwa 11,50 Euro. Für die im Juni stattfindende Hauptversammlung 2012 wird eine Dividende von 1,28 Euro angenommen. Dies führt zu einer Dividendenrendite von ganz stolzen 11,1 Prozent. Bei einem derartigen Kaufargument, so sollte man annehmen, würden sich Anleger um diesen Titel reißen. Dem ist nicht so. In den letzten anderthalb Jahren verlor die Aktie fast 40 Prozent an Wert – und das in einem sehr starken und steigenden Marktumfeld. Aufmerksamkeit ist hier gefragt!

Der Chart

Manchmal kann es nicht schaden, den Kursverlauf der betrachteten Aktie gleich zu Beginn unter die Lupe zu nehmen, um einen möglichst vorurteilsfreien Blick zu bekommen. Bei der FT ist eine Sache sofort offensichtlich: Schwäche!

Der Chart behandelt den Kursausschnitt vom Oktober 2010 bis heute. Die dargestellten Kerzen sind jeweils ganze Handelswochen. Das aktuell sichtbare Hoch liegt im November 2010 bei 17,50 Euro, doch die FT stand noch in den Jahren zuvor wesentlich höher, beispielsweise bei über 25 Euro in 2007. Die Anleger haben also einen langen Leidensweg hinter sich.

Der aktuelle Trend ist nicht von der Hand zu weisen. Beginnend im Sommer 2011 – und einer anschließenden starken Erholung im Gesamtmarkt – hat sich der Verfall der Aktie sogar beschleunigt. Die Zone um 11 Euro scheint jedoch Käufer anzuziehen und für soliden Widerstand zu sorgen. Erstmals seit Jahren gab es also aktuell keine signifikanten neuen Tiefststände. Selbst bei einem Anstieg auf bis zu über 13 Euro wäre der übergeordnete Abwärtstrend noch nicht gebrochen. Die aktuelle Formation ist ein Abwärtsdreieck, welches gemäß Trendfolge bevorzugt unter die 11-Euro-Marke brechen sollte. Der gleitende Durchschnitt über die letzten 20 Kerzen zeigt übrigens anschaulich, um was für einen Underperformer es sich handelt. Anhand des Sichtbaren muss also die weitere Prognose auf „abwärts“ lauten.

Dies gilt zumindest für die aktuelle Betrachtung. Die Börse ist keine Einbahnstraße, das gilt auch für Abwärtstrends. Von einer groß angelegten Bodenbildung kann man derzeit noch nicht sprechen, auch wenn sich bei einem ersten Bruch mit der fallenden Dreieckslinie beziehungsweise der (blauen) Durchschnittslinie etwas ergeben könnte, keine Frage. Dies ist jedoch das Sekundärszenario, wie es so schön genannt wird.

Fundamentales

Die FT weist viele Parallelen zur Deutschen Telekom auf: dominante Position auf dem heimischen Mobilfunk- und Telekommunikationsmarkt, global operierend, ehemals staatlich, den Staat als Hauptaktionär. Der aktuelle Geschäftsbericht, der für das Jahr 2010, hält ab Seite 90ff die wichtigsten Informationen bereit – nach 90 Seiten der Selbstbeweihräucherung, wohlgemerkt. [1]

Knapp ersichtlich ist, dass die Umsätze stagnieren und die Schulden hoch sind, aber ebenfalls eine leicht sinkende Tendenz aufweisen. Die gesamte ausgewiesene Schuldenlast von 31,8 Milliarden Euro in 2010 ist höher als die derzeitige Marktkapitalisierung des Unternehmens (30,7 Milliarden) [2].

Trotzdem kann die seit 2006 hohe Dividende stets aus den anfallenden Gewinnen finanziert werden, auch wenn daneben für weitere große Sprünge kaum Luft bleibt. Ab Seite 95 des Geschäftsberichts wird zudem kein Hehl daraus gemacht, dass die Aktie der FT eine viel schwächere Entwicklung vorzuweisen hatte als Vergleichsindizes – bis zum 31. Dezember 2010 natürlich. Die weitere Entwicklung von da ab wurde ja bereits diskutiert. Mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von zirka 8 ist die Aktie dennoch als günstig einzustufen. [3]

Die Story

Die FT steht in keinem guten Licht. Geschäftsbericht und Website sind deswegen in freundliches Orange gehüllt, weil sich die FT mit dem Gesicht der größten Akquisition Orange S.A. als Marke neu erfinden möchte. Orange wird zu 100 Prozent gehalten und ist europa- und weltweit als Mobilfunk-Provider bekannt. [4]

Weiterhin sind die Arbeitsbedingungen der FT immer wieder der öffentlichen Kritik ausgesetzt. Bis Mitte 2009 begingen 25 Beschäftigte des Unternehmens über einen Zeitraum von einigen Monaten Selbstmord. Nach einer abfälligen Bemerkung zum Sachverhalt musste Vorstand Didier Lombard Anfang 2010 seinen Stuhl räumen. Das erinnert ein wenig an manch Geschichte, die man teilweise aus China zu hören bekommt – und wirkt bei einem großen europäischen Konzern direkt erschreckend. [5]

Aber auch ansonsten hat die FT ein ausgesprochenes Talent für Negativschlagzeilen und nach einem kurzen Resümee wirkt der nachhaltige Abwärtstrend in der Aktie kaum mehr wie eine Überraschung. Im Dezember letztes Jahr musste das Unternehmen überraschenderweise eine Milliarde Euro an – wie gerichtlich entschieden wurde – illegal erhaltenen Staatshilfen zurückzahlen. Auch irgendwie spannend, dass dem französischen Staat hier jährlich eine feine Dividende gedrückt wird und hinten herum Hilfsprogramme angezapft werden. [6]

Unmittelbar später wurden die Verkäufe von Orange Schweiz und Orange Austria vermeldet. Ersteres ging für zwei Milliarden Franken an die britische Investmentgesellschaft Apax. [7] Die österreichische Sparte wechselte Anfang Februar für 1,3 Milliarden Euro den Besitzer – und zwar an das „Hongkonger Konglomerat Hutchison Whampoa“. Interessante Geschäftspartner jedenfalls. Das sieht durchaus danach aus, als bräuchten die Franzosen dringend Geld. [8]

Und tatsächlich: Wieder kurz später berichtet Bloomberg, dass die Anteile am ägyptischen Mobilfunkanbieter Orascom Telecom Media für zwei Milliarden Dollar von einem Milliardär namens Naguib Sawiri übernommen wurden. Anstatt also einfach in das sicherlich attraktive aber riskante afrikanische Ausland zu expandieren, wurde hier eher umgeschichtet. Diese Nachricht ließe sich aber wenigstens einmal positiv interpretieren. [9]

Jüngst musste die FT dann auch noch Zahlen veröffentlichen, die zweifelsfrei erwiesen, dass ihr auf dem Heimatmarkt die Kunden abhanden kommen. Im neuen Jahr 2012 beträgt der Exodus in etwa stolze 15.000 Kunden täglich, die zur Konkurrenz übersetzen. Das ist nicht sehr erfreulich, denn wie im Geschäftsbericht dargestellt, entfällt fast die Hälfte des getätigten Geschäftes immer noch auf den Heimatmarkt Frankreich. [10]

Obwohl die Zahlen für 2011 nicht die schlechtesten waren, verrät einer der Titel zu entsprechender Publikation schon Vieles: „France Telecom bereitet sich auf hartes Jahr 2012 vor“, lautet die Überschrift. Von daher ist die Frage, inwiefern sich ein „Nettoergebnis je Aktie von 1,46 Euro“ auch in Zukunft behaupten lässt. Weiterhin wird jedoch auch bekräftigt, dass „in den nächsten zwei Jahren 40 bis 45 Prozent des operativen Cashflows [9,31 Mrd. Euro] als Dividende“ ausgeschüttet werden sollen. Hiermit wären wir also wieder beim Aufhänger. [11]

Fazit

Im Beitrag vom 1. März wurden <link>hier auf Cashkurs die Vorzüge einer nachhaltig hohen Dividende dargelegt. Im Falle der France Telecom wären Aktiengewinne in den letzten Jahren trotzdem sehr schwierig geworden, denn der Chart befindet sich in einem jahrelangen Verfallsprozess, der sogar seitens der Unternehmensnachrichten bestätigt zu sein scheint – nicht einmal unbedingt so seht von den Zahlen. Es käme also bei einem Einstieg stark auf das Timing an. So gesehen ist die FT, verglichen mit der Vergangenheit, gerade günstig, sofern das Risikomanagement stimmt. Hier könnte für den geneigten Investor eine Cost-Average-Strategie eine sinnvolle Ergänzung sein.

Trotzdem sollte vielleicht abschließend gesagt sein, dass es sich bei der France Telecom insgesamt auch einfach um ein unsympathisches Unternehmen handelt. Als Investor hat man schließlich auch ein wenig die Möglichkeit, darauf zu achten, wohin angelegtes Kapital fließt. Die schwach ausgeprägten Chancen bei der FT könnten hier die fehlenden Sympathien im Zweifel nicht kompensieren.



Fußnoten und Verweise:

[1] Geschäftsbericht, 2010, S. 90ff,  http://www.orange.com/en_EN/finance/documentation/annual-reports/att00014094/2010annualreport.pdf

[2] siehe z. B. http://www.onvista.de/aktien/snapshot.html?ID_OSI=90924&PERIOD=4#chart

[3] ibid.

[4] http://de.wikipedia.org/wiki/France_Telecom

[5] Ibid.

[6] Drittletzter Absatz bei http://www.dowjones.de/site/2011/12/%C3%BCberblick-am-mittag-unternehmen-8-dezember-2011.html

[7] http://www.boerse-express.com/pages/1217255/fullstory/

[8] http://www.handelszeitung.ch/unternehmen/france-telecom-verkauft-oesterreichischen-ableger

[9] siehe http://www.businessweek.com/news/2012-02-22/france-telecom-egypt-venture-buyout-to-cost-2-billion.html

[10] http://www.finanznachrichten.de/nachrichten-2012-02/22785892-roundup2-france-telecom-laufen-auf-dem-heimatmarkt-kunden-davon-016.htm

[11] http://www.it-times.de/news/nachricht/datum/2012/02/22/france-telecom-bereitet-sich-auf-hartes-jahr-2012-vor/

 

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