Nachdem Frankreich mit seiner Präsidentschaftswahl angeblich die Märkte in diesen Tagen in Atem hielt und für Verunsicherung bis an die Wall Street sorgte – was wird wohl aus den Sparpaketen? – scheint das Timing gut, sich wieder auf dem französischen Aktienmarkt umzusehen. Wir haben den Gasversorger GDF Suez („Gaz de France“) auserkoren. Falls Sie dachten, die deutschen Versorger wären unter Druck, dann haben sie GDF noch nicht gesehen! Vor drei bis vier Wochen stand der Kurs noch stolze 20 Prozent höher. Diese Aktie kennt derzeit wahrlich nur eine Richtung – nach unten. Fragt sich, wie lange noch? PS: Das hier ist in keinster Weise eine Aufforderung zum Handeln, egal ob Kauf oder Verkauf!

Grundsätzliches


GDF Suez besitzt als Aktienunternehmen momentan genau zwei Handicaps: Zum Einen handelt es sich um einen großen Versorger, zum anderen ist es französisch. Damit ist es einerseits von einem sektoralen und andererseits von einem Euro-Schulden-Krisen-bedingten Bärenmarkt betroffen. Wir hatten dieses Phänomen bereits bei <link>Enel beobachtet, dem italienischen Pendant. Die Italiener haben übrigens in der Zwischenzeit um weitere drei Prozent gesunken. Hier sind mittlerweile erste Anzeichen einer Bodenbildung auszumachen. Ganz anderes GDF Suez: Die aktuelle Kursbewegung dieser Woche lässt erstmalig ein klein wenig Besserung vermuten, aber zuletzt ist die Aktie gefallen wie ein Stein. Dabei ist das Unternehmen laut der letzten Zahlen profitabel. Im ersten Quartal 2012 konnte der Umsatz um 10,5 Prozent auf 28,2 Milliarden und der operative Gewinn um 5,7 Prozent auf 5,8 Milliarden Euro gesteigert werden. Einschätzungen der Analysten wurden dabei sogar übertroffen. Positives Kursverhalten? Fehlanzeige. [1]

Anhand solcher Zahlen muss man sich fragen, wo sich denn überhaupt diese ganze Krise in den Unternehmenszahlen niederschlägt. Beim Ergebnis je Aktie und der Dividende ist über die Jahre aktuell immer noch eine leicht steigende Tendenz auszumachen, auch wenn der absolute Großteil als Dividende ausgeschüttet wird, wie wir es von vergleichbaren Unternehmen her kennen. Das anvisierte Ergebnis je Aktie für 2012 beläuft sich beispielsweise auf 1,64 Euro, während die Dividende bei 1,52 Euro liegt. Aktuell lassen sich daraus somit ein KGV von 10 und eine Dividendenrendite von knapp über neun Prozent berechnen. Wenn wir zusätzlich, wie schon zuletzt bei Enel, die Marktkapitalisierung zum Jahresumsatz gemäß ersten Quartal ins Verhältnis setzen, landen wir bei einem Wert von 0,34. Dieser sah bei Enel ganz ähnlich aus. Nochmal zum Vergleich: Apple liegt hier weit über 4! [2]

Was bei GDF Suez außerdem zu beachten ist: Der französische Staat ist mit 36 Prozent der Anteile mit weitem Abstand größter Einzelaktionär. Vielleicht ist dies mit einer der Gründe, warum der Markt die GDF-Aktie gerade so niedrig preist, denn wer weiß, was dem Staat so alles einfallen mag, wenn auch hier die Schulden irgendwann dringender in den Griff bekommen werden müssen. Ein anderes Mittel wäre eine Anhebung der Steuern. Dieses Schicksal wäre unter den großen europäischen Versorgern jedenfalls kein Novum. [3]

Die Charts

Die Aktie von GDF Suez eignet sich blendend dazu, einmal die laufende Krise aus der Sicht einer betroffenen Aktie nachzuvollziehen. Was sich hier in der jüngsten Vergangenheit abgespielt hat, kann als seichter Selloff bezeichnet werden. Der Kurs verfiel langsam, aber stetig. Momentan sehen wir im Grunde eine einzige Verkaufsbewegung. Aus dieser heraus ist es schwierig, eine unmittelbare Prognose zu fällen. Doch auch hierfür verfügt der Charttechniker über adäquate Mittel.

Seit dem Kurshoch von 44,81 Euro, was kurioserweise erst in der Mitte des Krisenjahres 2008 auftrat, verlor GDF Suez rund 64 Prozent auf das aktuelle Niveau von 16,27 Euro. In dieser Woche wurde erneut ein Tief aufgestellt, seither wurde endlich einmal gekauft – ein seltener Anblick im laufenden Jahr 2012. Die ohnehin leicht fallende Trendlinie aus den Tiefs vor und nach der Krise wurde bereits im letzten Jahr unterschritten. Die aktuell gültigen Linien aus Hochs und Tiefs lassen nur eine minimale Gegenläufigkeit erkennen. Momentan liegt der Kurs ziemlich am unteren Ende der Spanne. Keine Frage, es sieht laut Chart alles andere als gut aus, aber irgendwo ist früher oder später mit einer leichten Gegenbewegung zu rechnen. Kein Trend an der Börse läuft streng linear.

Als Maßstab für die Überdehnung der Bewegung eignet sich die Messung des Abstands vom aktuellen Kurs zu einem beliebig gewählten gleitenden Durchschnitt. Im Falle des Monatscharts reicht der Durchschnitt über die letzten 20 Perioden absolut aus. Im Graphen unterhalb des Kurses wurde hier einfach die Differenz gebildet. Es wird ersichtlich, dass solche Graphen im Falle extremer Übertreibungen oder Verwerfungen am Markt Maximalwerte einnehmen. Im Falle von GDF Suez wurde dieser Anfang 2009 mit 11,96 aufgestellt. Seit Anfang 2011 stieg dieser von der Nulllinie aus kontinuierlich an auf ein Maß von 7,23 – wohlgemerkt ohne eine Marktumgebung, die mit dem Geschehen der Finanzkrise vergleichbar wäre. Der Vorteil einer solchen berechneten Indikation liegt in der oszillierenden Eigenschaft des Graphen. Kein Kurs läuft seinem eigenen Durchschnitt ewig davon, es kommt immer wieder zu Berührungen. Daher sind die Werte in einer extremen Region grundsätzlich beachtenswert.

Im Tageschart wird dieser Unterschied noch deutlicher. Hier lag der Maximalwert von 6,11 im August 2011, als die Märkte erstmalig seit 2009 wieder kurzzeitig heftig korrigierten. Die stark gestiegene Volatilität der Kurse ist anhand der großen Handelsspannen erkennbar. Dies kann der Einfachheit halber als „Panic Mode“ bezeichnet werden. Im Gegensatz hierzu liefen die Kurse in den letzten Monaten sehr gemächlich – nur halt fast einheitlich gen Süden.

Die Trendlinienumgebung ist weitestgehend dieselbe wie auf dem Monatschart. Aufgrund der viel detailgetreueren Betrachtung sieht man, dass es jüngst einen Bruch unter die untere Trendlinie gegeben hat, der jedoch wieder aufgekauft wurde. Diese Formation erinnert stark an den Tag im November 2011, der seinerseits ein Kurstief bildete. Aufgrund der Gegenläufigkeit der Trendlinien kann man ganz vorsichtig von einer sich potentiell anbahnenden Bodenformation sprechen. Dieses Muster wird als bullischer Keil bezeichnet, da die statistische Wahrscheinlichkeit eines Ausbruches leicht für die bullische Kursrichtung spricht. Aktuell ist dieser jedoch noch nicht ausreichend bestätigt.

Fazit

„The Trend is your friend“, sagen die Angelsachsen. Daher ist es immer zweifelhaft, sich gegen den herrschenden zu stellen. Im Falle der großen Versorger in Europa sollte jedoch langsam die Frage legitim sein, ob es um sie wirklich so apokalyptisch steht, wie manche Charts vermuten lassen. Irgendwo sollten wir hier demnächst auf zumindest vorläufige Tiefs treffen, auch wenn es ein sehr spekulatives Unterfangen ist, diese ohne eine trendtechnische Bestätigung in die favorisierte Richtung zu „suchen“. Die Charttechniker sind allerdings nicht die Einzigen, welchen das extreme Kursgeschehen aufgefallen sein mag. Die Großbank UBS gab ganz aktuell ein Kaufsignal für GDF Suez heraus. Das Kursziel der Schweizer liegt übrigens bei 22 Euro, also rund 35 Prozent höher als der aktuelle Kurs und sogar außerhalb des laufenden Abwärtstrends. Das ist durchaus optimistisch. [4]



Fußnoten und Verweise:

[1] http://ca.finance.yahoo.com/news/french-utility-gdf-suez-records-134244152.html

[2] Zahlen via http://www.onvista.de/aktien/snapshot.html?ID_OSI=12445751

[3] Profil GDF Suez: http://www.finanzen.net/unternehmensprofil/GDF_SUEZ

[4] UBS setzt GDF Suez auf ‚European Key List‘ – ‚Buy‘, 16. Mai 2012, http://www.finanznachrichten.de/nachrichten-2012-05/23548092-ubs-setzt-gdf-suez-auf-european-key-call-list-buy-322.htm

Beitrag senden

Drucken mit Kommentaren?



href="javascript:print();"