Die Continental AG (ISIN: DE0005439004) dürfte spätestens seit einer der heftigsten Übernahmeschlachten überhaupt aus dem Jahre 2008 bekannt sein. Damals gab der Familienkonzern, die Schaeffler-Gruppe, bekannt sich mit Hilfe von Swap-Geschäften über 36% der Firmenanteile gesichert zu haben. Dabei muss man wissen, dass gemäß dem deutschen Aktienrecht ein verpflichtendes Übernahmeangebot an die übrigen Aktionäre ausgesprochen werden muss, sobald 30% der Anteile überschritten sind. Im Zuge langer Verhandlungen zwischen dem Konzern und Continental und unter Einbeziehung des ehemaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder einigte man sich auf eine Minderheitsbeteiligung, die 49,9% nicht überschreiten sollte. Heute hält die Schaeffler-Gruppe noch ca. 46% und ist somit logischerweise mit weitem Abstand größter Einzelaktionär.

In der vergangenen Woche haben wir bereits die beiden Automobilzulieferer ElringKlinger und Grammer erneut unter die Lupe genommen (Link zur Analyse hier). Continental verdient nun aufgrund der facettenreichen Aufstellung mit 430 Standorten in 55 Ländern einen ersten eigenen Blick.

Der Chart des DAX-Unternehmens korreliert sehr eng mit seinem Index (hier existiert natürlich eine gegenseitige Wechselwirkung). Im Herbst und Winter des vergangenen Jahres konnte man sich leicht abheben, hat dann jedoch seit Jahresbeginn schwächer abgeschnitten und ist nun auf Sicht der letzten 365 Tage gleichauf. Wenn man jedoch beispielsweise den 3- oder 5-Jahres-Chart ansetzt, so ist eine mehr als deutliche Outperformance zu erkennen.

Das Momentum kämpft momentan mit der wichtigen 100er-Linie. Sollte diese von oben nach unten durchbrochen werden, wäre dies kurzfristig eher negativ. Ins gleiche Horn stößt auch die Stochastik. Aufgrund dessen, dass sich diese derzeit bei über 80% im deutlich überkauften Bereich bewegt, würde dies die vorab getroffene Aussage unterstreichen. Kurzfristige Rücksetzer sind demnach nicht ausgeschlossen.

Wie gewohnt wollen wir die größte Aufmerksamkeit auf die fundamentale Betrachtung des Unternehmens legen. Dies geht zum einen sowohl quantitativ als auch qualitativ. Ersteres soll den Anfang machen.

  • Bewertung: Die Aktie der Continental AG scheint derzeit fair bewertet zu sein. Angst vor einem überteuerten Preis müssen interessierte Investoren daher nicht haben. Das KUV und auch das EV/EBITDA (Enterprise Value / EBITDA) lassen die Aktie günstig erscheinen. Im Vergleich zur Branche wird dieses Bild ebenso erkennbar. Oftmals jedoch kehren Aktien zu ihrem historischen Mittelwert zurück. Wenn man sich daher nun den 5-Jahres-Durchschnitt der Bewertungskennzahlen vor Augen führt, so war Continental in der Vergangenheit ein absolutes Schnäppchen, hat diesen Charakter mittlerweile jedoch etwas abgelegt.
  • Kapitalstruktur: Auch hier gibt es kaum Negatives zu vermelden. Eine stabile Eigenkapitalquote, die heute so hoch ist wie seit 10 Jahren nicht mehr, wird von einer für die Branche unterdurchschnittlichen Verschuldung begleitet. Ebenso positiv ist der Fakt, dass der Financial Leverage (Nettoverschuldung / EBITDA) kontinuierlich gesenkt werden konnte. In der Spitze im Krisenjahr 2009 belief sich dieser noch auf 6,11x. Mit heute 2,57x konnte dieser von Jahr zu Jahr gesenkt werden, was die Stabilität und den Handlungsspielraum der Gesellschaft erhöht.
  • Dividende: Aktuell werden rund 28% des Gewinns an die Aktionäre ausgeschüttet. Dies würde noch Spielraum nach oben bieten und könnte eine Erhöhung der Dividende mit sich bringen. Mit 1,93% Dividendenrendite dürfte die Aktie jedoch kein großes Interesse bei Dividendenjägern erwecken.
  • Wachstum & Margen: Das Jahr 2009 hat in der gesamten Automobilindustrie und somit auch bei den Zulieferern deutliche Spuren hinterlassen. Dies macht der Chart deutlich. Gerade beim Gewinn konnte man sich jedoch extrem schnell erholen und zum Vorkrisenniveau aufschließen. In den kommenden Jahren soll es kontinuierlich weiter nach oben gehen. Natürlich ist auch Continental nicht vor erneuten Einbrüchen gefeilt. Da man sich jedoch breiter aufgestellt hat, sollten die Risiken für einen derart heftigen Einbruch geringer ausfallen.

Der subjektive Betrachtungswinkel

  • Cash in der „Täsch“: Um erfolgreich und vor allem flexibel agieren zu können ist eine gut gefüllte Kasse das A und O. Derzeit beläuft sich der Cashbestand auf über 2,1 Mrd. EUR. Viel interessanter ist jedoch die Generierung der freien Cashflows. Im abgelaufenen Jahr waren diese mit 2,65 Mrd. EUR so hoch wie noch nie in der Unternehmensgeschichte. Das Unternehmen versteht also nicht nur zu wachsen und erhöhte Umsätze zu erzielen, sondern diese auch in bare Münze umzuwandeln.
  • Effektivität: Im Einklang mit der vorher getroffenen Aussage und in enger Verbindung damit steht auch die erhöhte Effektivität mit der das Unternehmen agiert. Dafür erscheint ein Blick auf den Cash Conversion Cycle (Geldumschlag) interessant. Je geringer dieser ausfällt, desto effektiver arbeitet das Unternehmen. Einflussgrößen sind die Lagerdauer, die präferierten längerfristigen Zahlungszielen bei Lieferanten und auf der anderen Seite die kurzen Zahlungsziele bei Forderungen. Der positive Trend ist hier ein weiteres positives Merkmal des Managements.
  • Im Wandel: Die Automobilindustrie ist im starken Wandel. Elektromobilität und vor allem auch selbstfahrende Autos bringen Technologieunternehmen wie Apple oder auch Google dazu in dieses spannende Rennen einzusteigen. Continental will hier als Zulieferer eine zentrale Rolle einnehmen und arbeitet daher intensiv an Fahrassistenzsystemen. Für die Hannoveraner stehen dabei sechs fast selbsterklärende Kernpunkte im Vordergrund: Sensorik, Schwarm-Vernetzung, Mensch-Maschinen-Dialog, Systemarchitektur, Ausfallsicherheit und Akzeptanz von automatisiertem Fahren. So will Continental bereits erfolgreiche Geschäftsfelder mit den neuen Trends verknüpfen. Ein Bereich aus dem heute mit fast 27% der größte Umsatzanteil kommt, ist die Reifensparte. Nun jedoch soll auch der Autoreifen intelligent werden. Mit Hilfe ausgeklügelter Sensorik sollen so z.B. Veränderungen beim Wetter sofort erkannt werden, den Fahrer informieren und das Fahrverhalten beeinflussen.

Im Fazit:

Continental ist heute viel mehr als nur ein Hersteller von Autoreifen. Auch wenn man aus einer gummiverarbeitenden Firma hervorgegangen ist, zeigt die aktuelle Aufstellung, dass vor allem der Bereich ContiTech (+37% Wachstum) und Interior und Sicherheit (+14,5% Wachstum) deutlich schneller zulegen als das klassische Reifengeschäft (+6% Wachstum). Die hohen Cashflows können dafür sorgen, dass künftige Investitionen angestoßen werden und man somit weiterhin als einer der führenden Automobilzulieferer einen berechtigten Platz im hart umkämpften Marktumfeld besitzt. Die Aktie könnte kurzfristig zwar zurückkommen, den langfristig veranlagten Anleger sollte dies jedoch nur sekundär berühren. Eine hohe Stabilität und gesteigerte Effizienz sind positive Merkmale des Managements. Wer also glaubt, dass wir uns auch in Zukunft mit dem Automobil fortbewegen (ob selbstfahrend oder nicht) sollte dieses DAX-Unternehmen einmal genauer unter die Lupe nehmen.

Ihr Andreas Meyer

 

Quellen: www.am-capital.de, www.bloomberg.com, www.reuters.com, www.morningstar.com, www.continental-corporation.com

 

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