Trend Thema des Monats: Baumwolle und die Zukunft der Textilindustrie.

Lesen Sie hierzu das Interview mit Sina Trinkwalder (Gründerin des deutschlandweiten ersten Social Business im Textilbereich und Trägerin des Sonderpreises „Social Entrepreneur der Nachhaltigkeit 2011“)

Cashkurs-Trends: 90.000.000 Kinder arbeiten in der Baumwollindustrie (Schätzung UNICEF), 20.000 Menschen pro Jahr sterben beim Baumwollanbau an den Folgen einer

Pestizidvergiftung (Schätzung WHO), 99 Prozent der Baumwollbauern leben in Entwicklungsländern. Da muss man Idealistin sein, um in diese Branche einzusteigen, oder? Ist das, was Sie tun, nicht idealistisches Weltverbesserertum und Selbstausbeutung oder kann man damit auch Geld verdienen?

Sina Trinkwalder: Kinderarbeit oder Selbstausbeutung, scheint Ihre Frage anzudeuten. In jedem Falle: letzteres. Aber Spaß beiseite. Man muss kein Idealist sein, um neue Wege in der Ökonomie zu gehen. Es reicht völlig aus, wenn man, wie viele mittlerweile, erkannt hat, dass eine Wirtschaft, die auf stetem quantitativem Wachstum basiert, keine Zukunft mehr hat. Und dennoch: ja, ich bin Idealist. Wenn man sich entschließt, neue Wege zu gehen, ist es doch schön, diese Wege nach einem Ideal anzulegen. Mein Ideal? Wirtschaft mit Menschen, nicht durch und gegen sie.

Gerade weil diese neue Art des Wirtschaftens nur auf wenig fruchtbaren Boden innerhalb des konventionellen Marktes und Rahmens (und damit meine ich Behörden und Politik) fällt, muss man sich weit über das Normalmaß hinaus einsetzen für die eigenes gesteckten Ziele. Wenn Sie so wollen: sich selbst ausbeuten. Aber: die Sache ist es wert. Und ja: man kann damit, zumindest nicht in den ersten Jahren, aber sicherlich dauerhaft Geld verdienen.

 

Gibt es einen Ausweg aus dem Dilemma zwischen Preisdumping und globalisierter Produktion?

Der einzige Ausweg aus Preisdumping und globalisierter Produktion ist, sich nach einem jahrelangem „Immer-mehr“ einem „wieder-Besser“ zu verschreiben. Konsumenten müssen wieder Qualität entdecken. Und Produzenten müssen sie wieder liefern. Sehr schnell wird sich dann eine Supply-Chain, verteilt auf fünf Kontinente, um möglichst billig zu produzieren, als unnötig erweisen. Qualität lässt sich am besten aus einer Hand innerhalb einer überschaubaren Kette produzieren. Und überschaubar ist das, was wir jederzeit beobachten können, ergo regional.

 

Wie könnte eine nachhaltige Entwicklung bei Textil/Baumwolle aussehen. Oder ist der Begriff Nachhaltigkeit hier fehl am Platze?

Nachhaltigkeit in der Mode wird es niemals geben können, denn es widerspricht sich: Mode, eine Anreihung von mittlerweile wöchentlichen Trends, textile Produkte, die konzipiert sind für einmaliges Tragen, bevor sie in den Mülleimer landen. Das alles ist Mode. Das alles ist nicht nachhaltig, weil weder respektvoll gegenüber den Menschen, die diese Produkte in Handwerklichkeit herstellen, noch gegenüber der Umwelt, da Rohstoffe hier völlig überflüssig genutzt werden. Nachhaltigkeit im Bekleidungsbereich jedoch kann es sehr wohl geben. Auch hier wiederhole ich mich gerne: Weg von kurzlebigen Trends, die durch geplante Obsoleszenz noch mehr befeuert werden, hin zu langen Produktzyklen, zeitlosen Produkten, Klassikern. Dies innerhalb einer regionalen Wertschöpfungskette und unter sozialen Bedingungen gefertigt. Und schon ist sie realisiert: Nachhaltigkeit im Textil.

 

China exportiert überhaupt keine Baumwolle mehr, Indien erlässt Exportstopps, was tut man dagegen als junge Unternehmerin in Europa, Deutschland, Augsburg?

Die Rohstoffknappheit zeigt sich nicht nur darin, dass Asien kaum mehr Rohstoffe exportiert. Gerade die chinesischen Einkäufer fegen selbst den europäischen Markt leer in Bezug auf alles, was auch nur im Geringsten verarbeitbar ist. So kommen heimische Gerbereien kaum mehr an Lederhäute, weil sie regelmäßig den Bieterkampf verlieren. Zwar wird seitens der Asiaten weniger Geld bezahlt, dafür aber alles auf einmal abgenommen. Weniger Aufwand für den Verkäufer, lange Gesichter in der heimischen Zuliefererkette, die teilweise vor leeren Produktionsbändern stehen, weil ihnen die Rohwaren ausgehen. Dass dies erst der Anfang ist, war mir von vornherein klar. Deshalb habe ich mich seit Beginn meines Projektes um die Erforschung und die Verarbeitung von heimischen Rohstoffen gekümmert. Hanf, Flachs, bayerische Schurwolle, Allgäuer Leder und vieles mehr sind meine Rohwaren. Geliefert von zahlreichen heimischen Familienbetrieben, die, ebenso wie wir, keine Freunde der Globalisierung sind. So bleiben die Rohstoffe im Land, bei uns, und unsere Zulieferer haben auf Dauer eine gute Adresse, bei der sie wissen, dass sie nicht mit Einkäufern verhandeln müssen, sondern fair ihre Ware abgenommen bekommen.

 

Heißt die Zauberformel also regionale Wertschöpfung?

Ich könnte es kurz machen: Ja. In einigen Worten mehr: Was den Bezug der Rohstoffe betrifft, kommt man nicht umhin, gelegentlich einen „Ausflug“ zu tun. Was aber die reine Produktwertschöpfung betrifft, bin ich fest der Meinung, dass dies innerhalb einer regionalen Wertschöpfungskette passieren muss. Gerade bei Bio-Produkten. Selbst wenn es regional in z.B. Indien produziert wurde, wird ein Produkt, das zu uns nach Europa über den Seeweg kommt, kontaminiert. Mit hochgiftigen Mitteln, die notwendig und auch gesetzlich vorgeschrieben sind, um  Seecontainer frei von Schimmelpilzen und ähnlichem zu halten. Das alles braucht es nicht, wenn es von uns für hier produziert wird. Deshalb: Respect global, act local.

 

"Baumwolle und die Zukunft der Textilindustrie" von Cashkurs*Trends. Alle Informationen zu dem Trendthema und die dazugehörigen Aktienanalysen finden Sie im heute erschienen Cashkurs*Trends Börsenbrief.

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