Wohin bewegen sich die Aktienmärkte. Wie schnell geht es wohin und warum? Das sind Fragen, die sich in den Vereinigten Staaten nicht nur private Investoren stellen. Wie lange haben eigentlich die vergangenen Bullenmärkte durchgehalten?

Viele Europäer haben derzeit andere Sorgen als die Aktienkurse zu beobachten. Manch einer hat nicht mal mehr die Mark fürs Essen und andere haben von bunten Folien mit Mittelwertanalysen die Nase voll. Angesichts katastrophaler Indexentwicklungen in den Südändern kann das nicht verwundern. Wer glaubt nach einem Indexverlust von bis zu 90% noch an die albernen Versprechungen von 8% pro Jahr, die so mancher Finanzclown ignorant oder aus schierer Dummheit seinen Kunden versprach. In den Staaten sieht die Lage ein wenig anders aus, denn dort sitzt bekanntermaßen auch der Zentralbankchef selbst am Aktien-Tisch und hat die Entwicklung der Assetpreise vor einiger Zeit zum neuen heiligen Gral des Volkswohles auserkoren. Da neben Versicherern und Rentensparern auch die taumelnden Pensionskassen mit Aktienquoten von 40-50% unterwegs sind, dürften auch die Geldverwalter in gewohnter Manier auf den kostenlosen Beistand aus Politik und Währungsbüro hoffen.

Der Asset Management-Zweig von JP Morgan (JP AM) hat in einer kürzlich erschienen Veröffentlichung kräftig für die Aktien getrommelt, wenn auch zwischen den Zeilen. Die Reports von JP sind in der Regel vor allem wegen einiger interessanter Datenreihen durchaus beachtenswert, aber auch diesen Berichten haftet oft ein hartnäckiger Long-Bias an. Das zeigt sich auch bei einer Auswertung der vergangenen Bullenmärkte seit 1945.

Auf der oben stehenden Grafik ist der Ausreißer des Bullenmarktes von 1987 bis 2000 gut zu erkennen. Zu beachten ist die unterbrochene Skala, die das Ausmaß der Abweichung verschleiert und zu einer entsprechend unschönen Darstellung führt.

Die folgende Grafik zeigt die Bullenmärkte mit getauschten aber ungekürzten Achsen. Die Dauer des Bullenmarktes in Monaten ist auf der Y-Achse abgetragen. Die X-Achse zeigt die Performance der jeweiligen Anstiege. Ein Bild mag nicht den hehren Ansprüchen der Wissenschaft entsprechen, bei dem geringen Stichprobenumfang sollte man aber ohnehin keine Haare spalten. Wie stark der Ausreißer der Hausse der Jahre 1987 bis 2000 war, verdeutlicht das Diagramm allemal.

Zwischen 1987 und dem Jahr 2000 haben die Indizes um 582% zugelegt. Ein Blick in die Details führt zu noch erstaunlicheren Ergebnisssen. Wie außergewöhnlich die Gesamtentwicklung der Indizes seit dem Beginn der 80er Jahre war, wird klarer, wenn man sich den Crash des Jahres 1987 und den vorangegangenen Anstieg anschaut.

Das Jahr 1987 mit seinem Crash und einem dreimonatigen Kursrückgang als „Bärenmarkt“ zu zählen erscheint seltsam und folgt vermutlich dem Branchenmotto, jeder Rückgang um 20% falle in diese Kategorie. Man mag halt griffige Formeln. Aber man soll sich nicht um Worte balgen, in der Gesamtentwicklung war das Jahr 1987 zwar nicht besonders toll, aber alles andere als katastrophal. Der Dow schloss das Jahr sogar mit einem Kursplus ab, eine vergleichsweise wenig bekannte Tatsache.

Stuft man dieses Jahr demnach anders als JP Morgan dies tut nicht als Bärenmarkt ein, so zeigt sich das plausiblere Bild eines fast zwei Dekaden andauernden Bullenmarktes, der sich von 1982 bis zum Ende des vorigen Jahrtausends erstreckt. Grafisch sieht dies wie folgt aus. Deutlich zu erkennen ist die Ballung der anderen Haussen im Bereich von Anstiegen zwischen 50% und 150%. Für die Entwicklung von 2009 bis heute dürfen Aktionäre durchaus schon sehr dankbar sein. Wie auch immer man die aktuelle Lage beurteilt, Anhaltspunkte dafür, die 80er und 90er Jahre zum Normalfall zu verklären, gibt das Diagramm nicht her, aber hoffen ist wie immer erlaubt.

Einen Bullenmarkt, wie er in den Jahren 1982 bis 2000 seinen Lauf nahm, ist in jeder Hinsicht bemerkenswert. Anstatt diesen offensichtlichen Ausreißer als eben solchen hinzunehmen, basiert leider der Großteil der in den letzten Jahren stattfindenden Beratungen von Bankangestellten, Fondsverkäufern und „Finanzdienstleistern“ ausschließlich auf dieser Marktphase. Heraus kommen dabei absurde Renditeerwartungen und träumerische Hoffnungen auf die finanzielle Erlösung durch eine „kapitalgedeckte Altersversorgung“. Das ist überaus schade, denn die sich in der Folge einstellenden Enttäuschungen sind nicht nur unangenehm, sondern führen für viele Menschen in den finanziellen Ruin. Schade, dass Vermittlungsprovisionen im Voraus zu entrichten sind.

Nun sind Aktien, wie andere Anlagen auch, keine generell verwerfliche Assetklasse. Aber ausgerüstet mit falschen Hoffnungen und Gier – nicht selten auf beiden Seiten – führt die Geldanlage oft schnurstracks in die Katastrophe. Selten wird bei der Bewertung von Aktienrisiken über den Tellerrand der “großen Hausse” von den 80igern bis zur Jahrtausendwende geschaut. Selbst aus teils vollkommen anderen Voraussetzungen damals und heute, wie etwa dem Zinsumfeld, werden noch fadenscheinige Argumentationsketten für eine Wiederholung des herbeigesehnten Szenarios gestrickt.

Auch die Mär von der Seitenlinie, an denen viele Anleger angeblich lauern, ist ebenso beliebt wie unsinnig. Der eine verkauft Papiere an den anderen, die Zahl der Aktien ist die gleiche, niemand kann seine Wertpapiere in eine imaginäre Cloud einlagern, es gibt immer eine Gegenseite.

Der Kauf von Aktien oder anderen Wertpapieren „weil einem nichts Besseres einfällt“ ist keine besonders elaborierte Strategie. Man schlägt sich ja auch nicht mit dem Holzbalken auf den Schädel, nur weil es mit der Eisenstange noch schmerzhafter wäre. Menschen, die an den Märkten aktiv sind, sollten wissen was sie tun und sich nicht durch das Geschrei von Zentralbanken oder Politikern in die Irre führen lassen. Wie in der Vergangenheit bleibt es dabei, die Märkte sind nicht nur riskant, sie sind und bleiben sehr, sehr riskant.

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