„Nichts ist unmöglich“ gilt nicht nur für eine bestimmte Automarke
Tatsächlich haben die Parlamentarier erst kürzlich einen Gesetzeszusatz verabschiedet, der ihnen letztlich die Kontrolle über den Brexit gibt und insofern die Regierung May zwingt, jetzt nach der Ablehnung des Brexit-Abkommens, innerhalb von drei Werktagen einen Plan B vorzulegen. Am wahrscheinlichsten ist es, dass London gemäß Art. 50 des Vertrags über die Europäische Union den Scheidungstermin nach hinten verschiebt.
Dann käme es jedoch zu einer Überschneidung mit der Europawahl 2019. Es gilt, dass ein Staat, der zum Zeitpunkt der Wahl Mitglied der EU ist, am Urnengang teilnimmt. Abgesehen von der völligen Überforderung der Briten, so kurzfristig noch eine Wahl zu organisieren, wäre es ebenso ein gutes Stück weit absurd, wenn ein Staat, der über einen EU-Austritt verhandelt, Abgeordnete ins Europa-Parlament wählt, einen EU-Kommissarsposten erhält und sogar noch den Kommissionspräsidenten mitbestimmt.
Doch sind die europäischen Statuten schon so oft in die politisch richtige Richtung zwangsgebeugt worden, dass man auch hier eine praktikable Lösung finden wird. Um einen chaotischen Brexit mit (wirtschafts-)politischen Kollateralschäden auf beiden Seiten des Ärmelkanals zu verhindern, der auch dem Europäischen Gemeinschaftswerk gegen das Schienbein tritt, haben sich britische und EU-Vertreter bereits wohlwollend zu einer technischen Scheidungsverlängerung geäußert.
Allerdings wird die EU einer Verlängerung des Scheidungstermins über den 29. März hinaus nur unter den Bedingungen zustimmen, dass die Briten Neuwahlen oder ein zweites Referendum ansetzen. Aufgrund der schallenden Ohrfeige, die die Abgeordneten der May-Regierung verpasst haben, ist in der Tat der politische Druck groß, die Brexit-Frage an die Wähler zurückzugeben.
Nach einem Rücktritt von Frau May und einer Neuwahl könnten neue politische Köpfe auch Platz für einen neuen Scheidungsprozess machen. Ein finaler Verbleib der Briten zumindest in der Zollunion sollte der Realität gehorchend erreichbar sein. Auch eine neue Volksabstimmung könnte mit der Begründung angesetzt werden, das britische Volk möge über die geänderte Gemengelage seit dem ersten Votum neu befinden. Ich mache aus meinem Herzen keine Mördergrube, da ich mir genau das – mit einem anderen Ergebnis als am 23. Juni 2016 - wünsche.
Wer in den Abgrund geschaut hat, wird den Brexit mit anderen Augen betrachten
Natürlich hätte ein erneutes Referendum mit anderem Ausgang ein Geschmäckle. Die Brexit-Anhänger fühlen sich mit Blick auf das Ergebnis der ersten Abstimmung massiv getäuscht. Einen Tod muss Großbritannien jedoch sterben. Entweder sie leben in einem Little Empire für wirtschaftlich Arme oder auf deutlich höherem Wohlstandsniveau in einem vereinten Europa.
Hier spielt die Zeit eine wichtige Rolle. Je mehr sich die wirtschaftliche Unsicherheit im Vereinigten Königreich mit nachgebenden Immobilien- und Wertpapierpreisen, weniger Unternehmensinvestitionen, steigenden Arbeitsplatzverlusten bei steigender Inflation für Güter des alltäglichen Gebrauchs - wenn sie überhaupt ausreichend zur Verfügung stehen - zeigt, umso mehr wird die Kraft des Faktischen die Briten spüren lassen, dass die gesamte Austrittsidee eine masochistische, Wohlstand auffressende Schwachsinns-Idee ist. Dass es den Briten außerhalb des gemeinsamen Wirtschaftsraums bessergeht, ist eine so große Lüge des Brexit-Lagers, die sich selbst Pinocchio nie getraut hätte. Annehmlichkeiten vermisst man immer dann am meisten, wenn man sie nicht mehr hat.
Übrigens, bei Annahme des Brexit-Deals im Parlament wären die Briten tatsächlich am 29. März aus der EU ausgetreten. Das hätte eine Rückkehr in die EU ziemlich unmöglich gemacht.
An den Finanzmärkten ist Gelassenheit zu beobachten. Dort wird nicht von einem ungeregelten EU-Austritt der Briten ausgegangen. Man hat den Glauben an die wirtschaftliche Vernunft im Inselstaat noch nicht aufgegeben.
Sollten die Briten dennoch unkontrolliert austreten, muss man sie gehen lassen. Vogel, friss oder stirb. Jeder ist seines eigenen Glückes Schmied. Dann werden sie zur Insel der wirtschaftlich Verdammten. Irgendwann, wenn sie ihren Fehler eingesehen haben, können sie ja wieder beitreten - allerdings zu den Bedingungen der EU.
Die Börsen wären von einem No Deal-Brexit zwar not amused. Aber nach ein paar wilden Tagen an der Börse wird man sich auch daran gewöhnt haben. Viel wichtiger ist ohnehin, was das Thema Handelskrieg zwischen den USA und China macht. Jede Entspannung hier wird den Brexit weit überstrahlen.
Rechtliche Hinweise / Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenkonflikten der Baader Bank AG: http://www.bondboard.de/main/pages/index/p/128
Kommentare
Sie sollten jetzt begreifen, dass das Empire seinen Zenit lässt überschritten hat (spätestens seit Thatcher, Blair hat versucht es mit Waffengewalt aufrecht zu erhalten) und dass der Schwanz nun nicht mehr mit dem Hund wedeln kann. Vielleicht ist das alles ja der Insellage geschuldet, wenn am Horizont immer nur Wasser ist, ein großer Burggraben so zu sagen und man braucht nur seine Flotten los zu schicken um Beute zu machen. Mittlerweile zeichnet sich ab, dass auch der GROSSE BRUDER im Geiste nicht mehr bedingungslos hinter ihnen steht, der hat schließlich seine eigenen Sorgen die da Russland und China heissen, was das Budget gewaltig strapaziert. Man darf gespannt sein wann dort der Deckel vom Topf fliegt.
Da kann man mal sehen was die EU und der Finanzsektor von Volksabstimmungen halten.
Nichts?
Manche lernen nur aus Schmerzen. Vielleicht sollte Europa in "Nachverhandlungen" dabei helfen, damit die Engländer Schmerzen erleiden. Dann würde die Insel wenigstens als abschreckendes Beispiel dienen. Ohne Ironie!
ich kann nicht verstehen, wie man sich anmaßen kann, zu beurteilen, dass in einer globalisierten Welt ein Konstrukt wie die EU besser ist, wie ein Modell Schweiz, Norwegen usw.
Fragen Sie einmal einen 25 jährigem Südeuropäer, der zu den 50 Prozent Arbeitslosen zählt(Jugendarbeitslosigkeit).
Und wie mein „Vorschreiber“ richtig anmerkte, wenn es beim zweiten Mal dann auch nicht klappt, stimmen wir so lange ab, bis es passt...
Was für eine verdrehte Welt...
Aber das Thema hatte ich auch im Bezug zum heutigen Beitrag von Herrn Hellmeyer.
Es gibt, so glaube ich grössere Herausforderungen in unserer Zeit als ein Casino mit Netz( Notenbanken) siehe:
Ach Quatsch, bekommt da „Jemand „ Angst?
Existenzielle Risiken bedrohen Weltwirtschaft - WEF warnt vor Spaltung. https://www.n-tv.de/wirtschaft/Existenzielle-Risiken-bedrohen-Weltwirtschaft-article20813934.html
Das liegt am Missverständnis (Unbekanntheit) der Funktionalität unseres weltweiten Systems. Also rechtlich was die "Länder", Personen und Menschen angeht; was überhaupt Geld ist und wie es entsteht; ob es auf höherer Ebene wirklich einen Kampf zwischen den Ländern gibt; wer was schuldet etc.