Das Unternehmen Amazon und in unseren Gefilden auch die amazon.com Aktie (WKN: 906866) ist in aller Munde. Es gibt positive Nachrichten zum Unternehmen, Wachstum, neue Geschäftsfelder - aber immer wieder auch eine Menge Kritik zu den Arbeitsbedingungen des Großkonzerns, die eben ein Grund dafür sein sollen, dass man nicht nur beim Umsatz, sondern mittlerweile auch beim Gewinn wächst.

Einst als Buchladen gegründet, hat Amazon nun genau diese Branche mehr und mehr in Vergessenheit geraten lassen. Die Konsumentenkrake, wie ich sie gerne nenne, bedient mittlerweile alle möglichen Produkte, die wir einst in Supermärkten, Modegeschäften, Elektronikfachmärkten oder dem Möbelhaus gekauft haben. Alles unter einem „Dach“, wobei der Begriff Dach -etwas weiter gegriffen- wesentlicher Bestandteil der Entwicklung ist.

Eine Frage der Philosophie

Amazon bedient mit den exakt gleichen Produkten die exakt gleichen Kunden - allerdings mit einem komplett anderen Geschäftsmodell. Während die Menschen früher in Einkaufszentren oder Innenstädte gefahren sind, so reicht heute eine Bestellung vom heimischen Sofa über das iPad. Natürlich ist diese Darstellung leicht überspitzt, soll allerdings den Trend verdeutlichen, in dem wir uns befinden.

Amazon hingegen agiert über das Internet. Ein Besuch auf der Plattform amazon.com reicht aus, um die Kasse des 1994 gegründeten Unternehmens klingeln zu lassen. Diese Entwicklung hat erste Unternehmen bereits das Überleben gekostet. So musste Toys „R“ Us jüngst erst den Weg in die Liquidierung antreten. Über 70 Jahre Tradition, 735 Stores und 33.000 Arbeitsplätze fallen dadurch weg. Prinzipiell gibt es solche Phänomene nicht erst seit gestern und die nun anstehende industrielle Revolution mit einem Schwerpunkt auf Digitalisierung wird erneut viel in Bewegung bringen. Der Prozess ist also nichts Neues, allerdings immer wieder schmerzvoll.

Andere US-Einzelhändler kämpfen weiterhin mit diesem fundamental getriebenen Gegenwind. Und da der Einzelhandel unser Bild vom Alltag maßgeblich mitbestimmt, bekommen diese Entwicklungen nicht nur die Branchenkenner oder Börsianer mit, sondern so gut wie jeder in unserer Gesellschaft.

Während die Einzelhändler eine große Anzahl an Mitarbeitern haben, beschäftigt Amazon „nur eine Hand voll“ hochqualifizierter Mitarbeiter in der IT und Unternehmenssteuerung (Finanzen, Marketing, Strategie etc.) zudem allerdings viele fragwürdig bezahlte Mitarbeiter im Bereich Logistik. Die vielen und sicherlich nicht zu Unrecht vorhandenen Diskussionen um die Arbeitsbedingungen, wenn es um das Thema „ESG“ (Environment, Social, Governance) geht, sind ein großer Kritikpunkt.

Dies ist ein erster wesentlicher Strukturunterschied. Hinzu kommt, dass Einzelhändler, um der Natur ihres Geschäftsmodells nachzugehen, nicht nur große Logistikzentren wie auch Amazon brauchen, sondern darüber hinaus große Verkaufsflächen. Diese können im Eigenbesitz sein oder müssen gemietet werden, Fakt ist jedoch, dass sie da sein müssen um dem Geschäft nachzugehen. Der Verkauf über das Internet wiederum ist deutlich günstiger.

Ein Beispiel des Cash Conversion Cycle (Geldumschlagsdauer) zeigt die essentiellen Unterschiede. Dieser wird ermittelt aus Ø Lagerdauer + Ø Inkassoperiode – Ø Lieferantenzahlungsziel. Je geringer dieser ist, desto effizienter scheint ein Unternehmen zu arbeiten. Während Vergleiche zwischen unterschiedlichen Branchen schwierig sind, passt es hier aufgrund eines sich zumindest ähnelnden Geschäftsmodells.

Der Marktriese WalMart hat derzeit eine Geldumschlagsdauer von 3,92. Er arbeitet also relativ effektiv - und vor allem effektiver als noch vor einigen Jahren. Macy’s, die derzeit ähnlich wie JC Penney in großen Schwierigkeiten stecken, haben einen CCC von fast 80 Tagen. Und Amazon? Hier zeigt sich der große Marktvorteil. Amazon hat einen negativen Cash Conversion Cycle von -27 Tagen. Das bedeutet, dass man Geld erhält (und dieses arbeitet ab dem Zeitpunkt natürlich) und die Ware erst im Nachgang liefert. Kauf auf Rechnung, wie es gerade zu Beginn der Warenplattform der Fall war, gibt es kaum noch (so mein persönlicher Eindruck).

Die Bewertung zeigt auf, wie die Geschäftsmodelle und deren Zukunftschancen eingestuft werden. JC Penney, die derzeit in einer anstrengenden Restrukturierung stecken, scheinen der günstigste Kandidat zu sein, allerdings spiegelt sich darin auch das immense Risiko.

Ein solcher Markt (zuletzt war dies bei den Bohrturmgesellschaften in Skandinavien zu sehen) erlebt dann häufig eine Phase der Konsolidierung zur Verringerung der Fixkosten, dem Zugewinn von Marktanteilen und damit auch der Erhöhung der Effektivität. Hier haben wir es jedoch mit einem ganz anderen Problem durch Amazon zu tun, sodass ich mir auch vorstellen könnte, dass einige Player ganz von der Bildfläche verschwinden.

Mit WholeFoodsMarket hat Amazon bereits bewiesen, dass sie für Übernahmen bereit sind. Um einen Fuß in den französischen Markt zu bekommen sind derzeit viele Gespräche mit der Casino-Gruppe seitens Amazon angestrebt. Auch das dürfte spannend werden.

Amazon hingegen, so toll und dynamisch die Cashflows auch sind, halte ich persönlich für überbewertet. Man kann nur daraufsetzen, dass der Konzern in dieser Form weiterwächst. Der Cashflow zum Umsatz zeigt das Potential ansatzweise auf.

Diversifikation in alle Himmelsrichtungen – Gefahr und Chance zugleich

Neben dem (mittlerweile) klassischen Plattform-Geschäft etabliert Amazon auch das Cloud-Business und macht damit Microsoft, SAP oder Oracle Konkurrenz. In den „Amazon Web Services“ (AWS) werden mittlerweile 10% des Umsatzes generiert. Tendenz (wie auch sonst) nach oben. In 2015 machte man 7,8 Mrd. USD Umsatz mit dem Cloud-Business, in 2016 schon 12,2 Mrd. USD und 2017 stolze 17,5 Mrd. USD.

Den großen Reichtum des Konzerns (Free Cashflow von aktuell 6.3 Mrd. USD und Ende des Jahres schon mit geschätzten 17,5 Mrd. USD) mit einer Liquidität von 30 Mrd. USD auf der Bilanz zeigt, wozu Amazon auch in der Zukunft in der Lage ist.

Übernahmen sind im Regelfall zu mindestens zum Teil fremdfinanziert. Amazon hingegen nutzt das viele Geld, um sich immer weiter und weiter nach links und rechts zu diversifizieren. Mit Amazon Prime ist man neben Netflix führend. Die „ehemaligen“ Anbieter in Deutschland spielen kaum noch eine Rolle. Stelle man sich nun nochmals eine Übernahme von Netflix vor (dürfte sicherlich durch das Kartellamt mehr als kritisch beäugt werden), die mit 142 Mrd. USD bewertet werden, wäre das ein Geniestreich.

Mit der Übernahme durch WholeFoodsMarket und den aktuellen Gesprächen mit Casino streckt man die Fühler immer mehr Richtung Lebensmittel aus. In meiner Umgebung sehe ich immer mehr auch die „Amazon Locker“, die ein ähnliches Prinzip haben, wie die Boxen der Deutschen Post. Sobald Amazon dies alles selbstständig durchführen kann (Intraday-Lieferungen im Extremfall mit Drohnen), dürfte es auch für die Deutsche Post (eine weitere Branche) schwieriger werden.

Mittlerweile sucht Amazon vermehrt Mitarbeiter im Geschäft zum Vermitteln von Versicherungen. Wofür man heute noch Versicherungsberater braucht, könnte bald Amazon übernehmen. Check24 und Co. zeigen wie es geht.

Ähnlich könnte es auch beim Buchen des Urlaubes laufen. Booking.com (ISIN: US09857L1089) vertreibt derzeit die Reisegeschäfte, allerdings hat Amazon auch hier eine Markenbekanntheit (starker Burggraben), viel Cash und vor allem einen CEO mit extrem hoher Motivation Dinge anzugehen.

Diese drei Parameter in einer Kombination können auf jeden Fall für viel Wirbel sorgen. Zwar muss Amazon auch Gewinne liefern und ich denke genau das erwarten Anleger auch, jedoch steht das Umsatzwachstum weiterhin im Vordergrund. Prinzipiell bin ich bei Visionären an der Spitze pessimistisch.

Wir sehen bei Elon Musk, dass diese unsere Welt zwar beeinflussen, verändern und oftmals positive Dinge schaffen, jedoch muss man hinterfragen, welchen Preis diese bereit sind dafür zu bezahlen. Im Falle von Amazon glaube ich, dass Jeff Bezos verstanden hat wie er das Unternehmen lenken muss um sowohl Aktionäre als auch (neue) Kunden zu beeindrucken. Das leider zu Lasten vieler Mitarbeiter.

Natürlich muss man einiges hier kritisch sehen. Amazon diversifiziert sein Geschäftsmodell in alle Himmelsrichtungen. Dies kann auch dazu führen, dass der Konzern sich in seinen Strukturen verzettelt, einige Bereiche mit hoher Profitabilität unter Bereichen mit geringer Profitabilität leiden und natürlich diese Tendenz zur Monopolstellung schwierig erscheint. So könnte ich mir vorstellen, dass man in Zukunft auch Tochtergesellschaften an die Börse bringt (Buy-Out).

Cashkurs*Trends mit 167% im Plus – Gewinnmitnahmen können ratsam sein

Bei Cashkurs*Trends haben wir die Aktie bereits seit längerer Zeit im langfristigen Depot dabei. Die Aktie ist definitiv nicht günstig und Wachstum muss auch in Zukunft vorhanden sein und sich am besten noch beschleunigen, um diese zu rechtfertigen. Die visionäre Kraft, die unser Leben hingegen in seinen Grundzügen beeinflusst oder gar verändert ist ein Paradebeispiel, wie wir es bei Cashkurs*Trends umsetzen. Aufgrund der außerordentlich positiven Performance ist es jedoch aus strategischer Sicht denkbar, einen Teil der Position abzubauen, um das Amazon-Risiko nicht ausarten zu lassen, jedoch weiter zu partizipieren.

Amazon ist dabei ein Kandidat, der sicherlich zu den bekanntesten überhaupt zählt. Allerdings werden auch weniger bekannte Unternehmen wie Tobii oder Cerner verfolgt, die ähnliche Visionen, jedoch in anderen Phasen umsetzen. Eines davon besprechen wir in unserem Webinar am heutigen Freitag um 18 Uhr live mit Dirk Müller.

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