Geschäftsmodell und Absatzmärkte
Im Gegensatz zu vielen mit ‚bahnbrechenden‘ Geschäftsmodellen ausgestatteten Unternehmen steigen die Kurse von ‚Langweiler‘-Konzernen zwar meist nicht so schnell an, dafür aber kontinuierlich und ohne die typischen Boom-and-Bust-Zyklen von Hype-Titeln.
Die meisten ‚disruptiven‘ Geschäftsmodelle erweisen sich über kurz oder lang zwar tatsächlich als disruptiv, aber vor allem hinsichtlich ihres negativen Effekts auf das eigene Aktiendepot. Aktionäre von Plug Power wissen, was ich meine. Aktionäre von derzeit gehypten KI-Pommesbuden werden spätestens in ein, zwei Jahren wissen, wovon ich spreche.
Nun aber zum heutigen Analysekandidaten Atkore. Das US-amerikanische Industrieunternehmen bietet Kabel, Stahl- und Plastikrohre sowie passende Verbindungsteile, Kabelträger, Sicherungskästen, Steckleisten und ähnliche Produkte. Zudem bietet man zur Absicherung kritischer Infrastrukturen auch Metallzäune, Stacheldraht und Sicherheitspolleran. Alles in allem handelt es sich beim Sortiment von Atkore um einfach gestrickte Produkte, deren Grundkonzept sich über Dekaden kaum verändert und größere Umwälzungen nicht so schnell zu erwarten sind.
So gut wie der gesamte Umsatz wird in den USA erzielt. Ein vernachlässigbarer Umsatzanteil wird außerhalb der Staaten erzielt. Bei den meisten angebotenen Produkten hat man die Marktführerschaft inne oder ist die Nummer 2.
Das liegt vor allem an der Größe des Unternehmens und der effizienten Produktion, vor allem aber an den 47 Fabriken und 40 über das Land verteilten Distributionszentren, wodurch man seine Kunden schnell erreicht und – noch wichtiger – von günstigen Transportkosten profitiert.
Verwendung finden die Produkte hauptsächlich in gewerblichen Projekten. Beispielsweise beim Bau und der Restaurierung von Wasser- und Stromleitungen, bei Kommunikationsnetzen sowie in der Öl- und Gasbranche.
Zwei Dinge machen Atkore besonders. Einerseits ist es der Umstand, dass deren Produkte beim Bau eines neuen Gebäudes für nur zwei bis drei Prozent der Gesamtkosten verantwortlich sind. Da macht es für Kunden kaum einen Unterschied, für die Ware auch einmal 30 Prozent mehr zu bezahlen, solange diese verlässlich und in gleichbleibender Qualität geliefert wird. Die Lieferkettenproblematik hat Atkore somit sogar dabei geholfen, Marktanteile zu gewinnen. Auch ließen sich damit steigende Rohstoff- und Produktionskosten problemlos an den Endkunden weiterreichen.
Eine weitere Besonderheit besteht im breiten Produktportfolio. Dadurch bleiben Kunden Verhandlungen mit unterschiedlichen Anbietern erspart und man bekommt alles aus einer Hand. Dafür zahlt man auch gerne ein paar Prozent mehr.
Quelle: terminal.stock3.com
Kurzfristig sieht es nach einer charttechnischen Schwäche in der Aktie aus. Solange die Unterstützung bei 112 USD hält, ändert dies nichts am übergeordnet bullischen Chart. Bei Kursen über 155 Dollar aktiviert sich ein frisches Kaufsignal mit einer Kurszielprojektion bis 190 Dollar. Unter 112 Dollar bestehen Unterstützungen bei 95 sowie 68 Dollar.
Bewertung
Quelle: sentieo.com (zum interaktiven Chart)
Trotz der deutlichen Kursanstiege notiert die Aktie unterhalb des langfristigen Bewertungsschnitts und ist auch in Relation zur Konkurrenz mit einem Kurs/FCF von acht ausgesprochen günstig bewertet.
Der Markt glaubt schlichtweg nicht, dass Atkore die hauptsächlich durch die Inflation stark angestiegenen Umsätze und Gewinne auf diesem Niveau halten bzw. weiter ausbauen können wird. Anders lässt sich die günstige Bewertung nicht erklären.
Wasser auf die Mühlen haben die Bären bereits mit den Q1-Zahlen (fällt bei Atkore traditionsgemäß auf Zeitraum Oktober bis Dezember) erhalten. Denn der Umsatz stagnierte in diesem Zeitraum lediglich. Gleichzeitig hat das Management aber den Ausblick für den Gewinn für das Geschäftsjahr 2023 von 13,10 bis 14,90 auf eine Bandbreite zwischen 15,85 bis 17,75 erhöht. Für das Geschäftsjahr 2025 stellt man sogar einen bereinigten Gewinn pro Aktie von über 18 Dollar in Aussicht. Das Management scheint also guter Dinge.
Falls diese Versprechen eingehalten werden können, handelt es sich um eine hervorragende Gelegenheit. Die Frage lautet, wer hier zum guten Schluss Recht behält. Der Markt oder das Management.
Bilanz und Verschuldung
Atkore hat in den letzten Jahren viel Geld in die eigene Produktion sowie Übernahmen gesteckt. Trotzdem kann sich die kaum mit Schulden belastete Bilanz sehen lassen.Insbesondere der Eigenkapitalaufbau ist beeindruckend.
Profitabilität
Nicht erst mit dem rasanten Anstieg der Inflation, sondern bereits vorher hat man ein Programm zur Effizienzsteigerung durchgeführt. Darin unterscheiden sich übrigens auch gute von passablen Unternehmen. Letztere reagieren meist erst dann, wenn es bereits fast zu spät ist.
Unter anderem führt man detaillierte Preiskalkulationen für jedes einzelne Produkt durch, wodurch man Preise flexibel und effizient steuern kann. Auf steigende Inputkosten für verschiedene Produkte kann man dadurch schneller und vor allem gezielter reagieren und diese an Kunden weiterverrechnen.
Zudem hat man sein Geschäft in den letzten Jahren kontinuierlich hochskaliert. Dies bietet Vorteile gegenüber Konkurrenten. Durch die hochskalierte Produktion verringert sich zum einen der Produktionspreis pro Produkt. Zum anderen unterhält man im Gegensatz zu den Konkurrenten Standorte über die gesamten USA verteilt. Beispielsweise besitzt man zehn Werke zur Herstellung von PVC-Rohren. Der nächstgrößte Konzern besitzt lediglich vier.
Damit ist man auch näher am Kunden und zehrt dadurch von günstigen Transportkosten. Gerade bei vergleichsweise billigen Produkten kann der Faktor Transportkosten einen nicht unerheblichen Teil der Gesamtkosten einer Lieferung beitragen.
Das zuvor angesprochene breite Produktportfolio sorgt ebenfalls für ein Margen-Premium. Allein für diese sogenannte ‚One-stop-shop‘-Qualität lassen sich laut dem Management zwischen fünf und sieben Prozent Aufschlag erzielen.
Wachstum
Atkore profitiert von unterschiedlichen Trends, unter anderem durch die Errichtung von E-Ladestationen. Von wem die Station kommt, ist dabei irrelevant. Leerrohre, in denen die Kabel verlegt werden, werden so oder so benötigt.
Die unterirdische Verlegung von Überlandstromleitungen bietet ebenfalls großes Potenzial. In den USA besteht hier noch enormer Bedarf. Einer der größten Brände in Kalifornienresultierte übrigens durch eine schlecht gewartete Überlandstromleitung von PG&E.
Zudem liegt Washington eine flächendeckende Versorgung mit Glasfaserinternet am Herzen. Auch hierfür werden Leerrohre benötigt, welche u.a. aus Werken von Atkore stammen.
Mit dem Inflation Reduction Act (IRA) steckt Washington ab 2024/2025 enorme Summen in Infrastrukturthemen wie diese.
Konkurrenz
Der angesprochene ‚One-Stop-shop‘-Vorteil ist nicht unerheblich. In dieser Branche handelt es sich bei den Konkurrenten normalerweise um Spezialisten für bestimmte Bereiche. Beispielsweise produzieren diese entweder PVC- oder Stahl- oder Kupferrohre. Alles aus einer Hand bekommt man dem Management zufolge in den USA ausschließlich von Atkore.
Durch die geografisch breite Aufstellung in den USA und der Nähe zu den Kunden hat man auch ein zusätzliches Argument bei Verhandlungen auf seiner Seite. Vor allem die fünf größten US-weit operierenden Kunden sowie die zwei größten Einkaufsgemeinschaften der USA wollen nicht mit verschiedenen lokalen Produzenten verhandeln, sondern mit einem großen Lieferanten wie Atkore.
Die Zeit ist also der Freund von Atkore und der Feind von kleineren regionalenKonkurrenten, welche über kurz oder lang aufgekauft werden. Allein 2022 hat man derer sechs geschluckt.
Risiken
Trotz der Lobeshymnen bestehen bei der Aktie zwei nicht zu unterschätzende Risiken.Einerseits ist es die konjunkturelle Abhängigkeit, da das Unternehmen von einer investitionsfreudigen US-Industrie abhängig ist.
Und andererseits muss das Unternehmen erst beweisen, ob man die deutlich gestiegenen Umsätze und Gewinne auch künftig halten kann oder ob es sich hierbei nur um ein kurzfristiges durch Inflation und Lieferkettenprobleme erzeugtes Intermezzo handelt.
Porter’s Five Forces
Vielleicht lasse ich mich nur von den jüngsten Ergebnisanstiegen sowie der positiven Einschätzungen des Managements blenden. Aber ich kann beim besten Willen keine hohen Risiken hinsichtlich des Porter-Modells ausmachen.
Die einzige Ausnahme stellt die konjunkturelle Abhängigkeit dar, welche über den Faktor Abnehmer abgebildet wird.
Der Risikofaktor Neue Konkurrenz wird dagegen lediglich mit nur einem Punkt versehen. Denn es wäre durchaus möglich, dass Konkurrenten künftig versuchen, das breite Produktportfolio von Atkore nachzuahmen. Warum aber bisher noch niemand auf die Idee gekommen ist, wird wohl auch seine Gründe haben.
Bisher hat man mit diesem Produktspektrum sowie Standorten in den gesamten USA aber ein Alleinstellungsmerkmal in der Branche.
Die gestiegenen Kosten hat man problemlos an seine Kunden weiterreichen können, weshalb auch die Abhängigkeit von Rohstoffpreisen (Lieferanten) nicht ins Gewicht fällt.
Und da es sich um technologisch vergleichsweise anspruchslose Produkte handelt, muss man auch ein Substitutionsrisiko nicht fürchten.
Peak Earnings oder eine erstklassige Gelegenheit? Der Markt scheint sich trotz Bekundungen des Managements eindeutig für Ersteres entschieden zu haben. Das klug angelegte Geschäftsmodell sowie der Rückenwind durch die Subventionen für die US-Wirtschaft könnten jedoch den Managern in die Hände spielen.
Herzlichst
Ihr
Christof von Wenzl
Quellen: sentieo.com, www.investors.atkore.com, terminal.stock3.com
Alle Kennzahlen wurden – sofern nicht anders erwähnt - auf Sicht der letzten vierverfügbaren Quartale berechnet.
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