Das heutige Unternehmen ist mir persönlich durch meinen zweijährigen Aufenthalt in Frankreich sehr gut bekannt. Die Supermarktkette Casino gehört nach eigenen Angaben zu den weltweit führenden Einzelhändlern (hauptsächlich Lebensmittel), worauf man sich jedoch natürlich nicht verlassen sollte. Das Unternehmen deckt die komplette Bandbreite an Supermärkten ab. So werden in den Ketten „Monoprix“ eher hochpreisige Artikel angeboten, die vor allem dann Bedarf finden, wenn das Geld etwas lockerer sitzt. Auf der anderen Seite gibt es die sogenannten „Hypermarchés“ unter der Marke Géant Casino, welche ein wenig mit dem Aufbau eines Reals hierzulande verglichen werden können. Abgedeckt wird dies durch Filialen, die sich genau in der Mitte befinden (Leader Price), sowie jedoch auch durch Feinkostgeschäfte, Bio-Lebensmittel und wiederum kostengünstige Hausmarken. Der Konzern deckt mit seinen weltweit 14.574 Stores also die volle Bandbreite ab, was ihn aus meiner Sicht auf jedem Fall zu einer essentiellen Daseinsberechtigung in Frankreich verhilft (die Konkurrenz ist hier durch Carrefour und Auchan besonders groß).

Der Schnäppchencharakter ergibt sich, da die Aktie entgegen dem Trend deutlich abgebaut hat. Sinkende Gewinne wie auch ein rückläufiger Umsatz (-1,5%) im ersten Halbjahr haben den Kurs auf Talfahrt geschickt. Schenkt man dem RSI Glauben, welcher überkaufte (Wert von über 70) oder überverkaufte (Wert von unter 30) Kurse anzeigt, so sollte der noch junge Aufwärtstrend sich erstmal fortsetzen. Dies sind jedoch nur kurzfristige Signale, die auf die langfristige Entwicklung (mehrerer Jahre) keinen Einfluss haben sollten.    

Wie gewohnt wollen wir die größte Aufmerksamkeit auf die fundamentale Betrachtung des Unternehmens legen. Dies geht zum einen sowohl quantitativ als auch qualitativ. Ersteres soll den Anfang machen.

  • Bewertung: Der bereits im Titel erwähnte Schnäppchencharakter wird deutlich, wenn man sich die Zahlenwelt genauer betrachtet. Ein KBV von unter 1 spricht sehr klassisch dafür, dass man das Unternehmen momentan günstiger bekommt, als die Bilanz dies im Eigenkapital ausweist. Aufgrund der gesunkenen Gewinne (dies betrifft die gesamte Branche) ist das KGV ebenso unterm Branchendurchschnitt mit 28,27x jedoch ziemlich hoch. Die Substanzkennzahlen wie das KBV stehen hier daher im Vordergrund. Zu dieser eher substanziellen Lesart gehört auch das KUV, welches mit 0,12x als besonders niedrig und somit günstig bewertet werden kann. Der Schnäppchencharakter erweist sich also als voll und ganz intakt.
  • Dividende: Für das vergangene Geschäftsjahr hat man mehr Dividende ausgezahlt als Gewinn zur Verfügung stand. Daher musste aus der Substanz gezahlt werden, was für mich stets ein absolutes Negativkriterium ist. Hier wünscht man sich mehr Dynamik in der Dividendenpolitik. Für das Geschäftsjahr 2015 hingegen geht man von einer Dividendenrendite von 5,86% aus, was ca. 78% des zu erwartenden Gewinnes entspricht. Dieser Wert ist ein absoluter Pluspunkt (vorausgesetzt, der Gewinn pro Aktie wird auch erreicht), der für das lange Warten mehr als entschädigt. 
  • Kapitalstruktur: In diesem Bereich konnte das Unternehme nicht klotzen. Die EK-Quote hat sich in den vergangenen Jahren stetig verringert (ein Grund ist hier z.B. das Dividenden aus der Substanz sprich dem EK gezahlt wurden) und somit ist auch die Verschuldung zum Eigenkapital deutlich höher als der Durchschnitt der Branche. Eine stabile Kapitalstruktur sorgt immer für Sicherheit beim Anleger, sodass ein Unternehmen auch in wackeligen Zeiten stabil und sorgenfrei weiterarbeiten kann. Daher muss dieser Punkt und vor allem die Entwicklung wichtiger Kennzahlen besonders streng im Auge behalten werden.
  • Wachstum & Profitabilität: Seit 2005 konnte man den Umsatz mehr als verdoppeln. Der Kurs bewegt sich jedoch auf exakt dem gleichen Niveau wie vor zehn Jahren. Dies zeigt bereits die Kursfantasie. In 2015 und 2016 soll der Umsatz leicht rückläufig sein, was jedoch mittlerweile zu einem großen Teil eingepreist sein dürfte. Die Zahlenwelt offenbart, dass auch die Margen, welche im Einzelhandel generell sehr gering ausfallen (logischerweise benötigt man zum Kauf von Lebensmitteln und dem Weiterverkauf an den Endverbraucher kein großes Know-How, keine Technologien oder teure Patente), bei Casino nochmals schwächer sind. An dieser Stellschraube MUSS das Unternehmen in den kommenden Jahren drehen. Die Verschlechterung in 2015 dürfte bekannt sein, dann jedoch sollte man eine Menge dafür tun, damit diese wieder aufwärts geht, so wie es vom Konsens der Analysten prognostiziert wird.

Der subjektive Betrachtungswinkel

  • Die bereits rückläufigen Umsätze und Gewinne sind vor allem darauf zurückzuführen, dass man sich sehr stark in Südamerika positioniert hat. Der Umsatzanteil dort beträgt stolze 54%! Aufgrund der derzeitigen wirtschaftlichen Lage im einst so gefeierten Brasilien hat dies konsequenterweise einen erheblichen Einfluss. Man kann dahingehend also sagen, dass man hier was die Gewichtung angeht vorerst aufs falsche Pferd gesetzt hat. Als Nr. 1 im Einzelhandel in Brasilien wie auch in Kolumbien wird man auf der ganzen langen Frist jedoch vom überproportionalen Wachstum profitieren. Der Umsatz im Einzelhandel hat im ersten Halbjahr sogar zugelegt. Lediglich bei Elektronikartikeln gab es ein Minus von über 13%.
  • E-Commerce: Neben Lebensmitteln vertreibt das Unternehmen u.a. auch Elektronikartikel. Diese werden dann oftmals online bestellt, weswegen man in 2014 auch erstmals den Bereich E-Commerce als eigenständigen Umsatzanteil ausgewiesen hat. Mit 7,10% nimmt dieser Bereich direkt einen essentiellen Anteil ein. Weltweit ist man in diesem Bereich der sechstgrößte gelistete Einzelhändler.
  • Banken schenken vertrauen: Ein Nebeneffekt, der jedoch einmal mehr die Sichtweise eines Anlegers erweitern kann. Gerade erst hat Casino es geschafft eine Kreditlinie (hierbei handelt es sich um eine Syndizierung durch mehrere Banken) von 1,6 Mrd. € um ein Jahr zu verlängern. Generell wurden die Zahlungsziele der Verbindlichkeiten von 4,5 Jahren in 2012 auf 6,3 Jahren in 2015 verlängert. Dabei ist nur logisch, dass man sich die niedrigen Zinsen derzeit auf lange Frist sichern will. Dass die Banken samt ihrer Risikoabteilungen hier ebenfalls ihre Zusagen geben, unterstreicht die Daseinsberechtigung dieses Unternehmens.

Im Fazit:

Alles in allem ist Casino Guichard-Perrachon SA ein Schnäppchen mit Daseinsberechtigung. Man hat bei der Diversifikation in den vergangenen Jahren auf das falsche Pferd gesetzt, was sowohl zu Lasten beim Ertrag wie auch der Kapitalstruktur geführt hat. Aus diesem Grunde erhält man das Unternehmen momentan zu einem auch im Branchenvergleich sehr günstigen Preis. Zudem zahlen die Franzosen eine stattliche Dividende, die für das lange Warten, welches hier garantiert notwendig ist, entschädigt. Mit Südamerika und verstärktem Absatz auch über den Bereich E-Commerce hat man zwei interessante, wenngleich auch langatmige Ansätze, die den Umsatz und somit den Kurs auch in Zukunft wieder treiben sollten. All diese Faktoren ermöglichen für den aktiven Investor interessante Ansätze, die einen genaueren Blick rechtfertigen. 

Ihr Andreas Meyer


 

Quelle: www.am-capital.de, www.bloomberg.com, www.reuters.com, www.morningstar.com, www.groupe-casino.fr

 

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