Geschäftsmodell und Absatzmärkte

Warum in die Ferne schweifen, wenn es auch ganz in der Nähe interessante Investitionsgelegenheiten gibt. Gerade der französische Markt wird hierbei von deutschsprachigen Investoren sträflich vernachlässigt, obwohl es hier im Vergleich mit Deutschland nicht minder spannende Titel zu begutachten gibt.

Mit Derichebourg SA steht heute ein Recyclingkonzern auf der Agenda, der im Heimatmarkt Frankreich sowie in Spanien die Nummer 1 beim Recycling von Metallen ist. Das sorgt für eine gewisse Abhängigkeit vom Wirtschaftszyklus und den Metallpreisen. Zur Dämpfung dieser konjunkturellen Abhängigkeit wurde das Geschäftsmodell um Dienstleistungen für öffentliche Auftraggeber und Industriekunden erweitert (Müllbeseitigung, Reinigung). Die Franzosen erzielen ihre Umsätze vormalig in Europa.

Mit Recycling als wichtigstes Standbein trifft der Konzern den Nerv der Zeit. Seit der Forcierung der Agenda 2030(Ressourcenschonung ist hier eine der Kernthesen) ist Recycling wieder in aller Munde. Ganz konkrete Auswirkungen auf das Geschäft sind bereits deutlich bemerkbar.

So setzen Stahlproduzenten verstärkt auf recyceltes Metall, da sich damit der Energieverbrauch senken und die CO2-Bilanz verbessern lässt. Auch Investoren wittern hier ein großes Geschäft, weshalb die Aktie möglicherweise vor einer Neubewertung stehen könnte.

Unter der Ägide von Daniel Derichebourg entstand einer der größten Recyclingkonzerne Frankreichs und verstand es, die zersplitterte Branche zu konsolidieren. Derichebourg zieht noch immer die Fäden im Unternehmen, hält sich aber gerne bedeckt und gilt als öffentlichkeitsscheu. Nach wie vor hält er mitsamt seiner Familie über 40 Prozent am Konzern. In der Regel sind solche Strukturen positiv für die Bestandsaktionäre, da man hierbei wesentlich seltener dummen Abenteuern des Vorstands ausgesetzt ist.

Quelle: Jahresbericht Derichebourg 2019/2020

Rund 28 Prozent des weltweit hergestellten Stahls hat seinen Ursprung in recyceltem Material

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Quelle: guidants.com

Seit dem Tief im Frühjahr 2020 konnte die Aktie zwar deutlich zulegen und nun ein frisches Mehrjahreshoch markieren. Fundamental überteuert ist der Titel allerdings nach wie vor nicht, sodass die Chancen gut stehen, dass die Aktie das langfristige charttechnische Kaufsignal auch nutzen kann. Unter neun Euro sollte der Titel nun aber dennoch nicht mehr fallen.

Die Dividende für das Jahr 2020 wurde gestrichen. Eine Wiederaufnahme der Zahlungen ist durchaus wahrscheinlich

Bewertung

Zum ersten Halbjahr, das bei Derichebourg am 31. März endete, konnte ein Gewinn von 73,6 Millionen Euro ausgewiesen werden. Für das zweite Halbjahr verweist man indes auf die hohen Metallpreise und ein positives Momentum für die Recycling-Branche.

Eine Gewinnschätzung von 150 Millionen Euro für das laufende Geschäftsjahr sollte also nicht übertrieben sein, was ein KGV von rund 11 ergäbe. Angesichts des positiven Momentums für die Branche wäre dies sehr günstig, vorausgesetzt die Metallpreise gehen nicht erneut in einen tiefgreifenden Bärenmarkt über.

Die Aufnahme in den SBF 120 Index, der die 120 größten und liquidesten Unternehmen der Euronext Paris beinhaltet, sowie das Listing im CAC Mid 60 Index sorgen für zusätzliche Liquidität und gesteigerten Bekanntheitsgrad des kleinen Unternehmens.

Bilanz und Verschuldung

Es ist wohl der familiären Kontrolle zu verdanken, dass sich das Unternehmen nicht verausgabt und eine stabile Bilanz vorweisen kann. Bei solchen Strukturen ist es aber auch wichtig zu prüfen, ob die Inhaberfamilie das Unternehmen nicht auf Kosten der restlichen Aktionäre als Geldautomaten benutzt. Die Gehälter für die beiden Familienmitglieder Boris und Thomas Derichebourg (600.000-700.000 Euro) ufern nicht aus, womit man auf den ersten Blick gesehen Entwarnung geben kann.

Profitabilität

Lagerhallen, Förderbänder, Sortier- und Zerkleinerungsmaschinen, dazu noch Bagger, Kräne und LKWs, welche das Recyclingmaterial an die Standorte liefern, inklusive des nötigen Personals, um den Laden am Laufen zu halten - Das Geschäft ist enorm kapitalintensiv. 40 Prozent des operativen Cashflows fließt so meist allein in die reine Instandhaltung des Geschäfts. Dass der Konzern kein Margenwunder ist, ist die logische Folge.

Trotzdem zeigt sich der Konzern erfreulich stabil und wirtschaftet meist profitabel. Das liegt einerseits am konjunkturunabhängigen Segment ‚Business Services‘, aber auch daran, dass man lediglich als Mittler zwischen Rohmateriallieferanten und Kunden (Stahlproduzenten, Raffinerien) fungiert. Das stabilisiert zwar die Marge, tiefe Metallpreise können in absoluten Zahlen aber nichtsdestotrotz für schwache Erträge sorgen.

Die Preise für Basismetalle, wie Kupfer, Zink oder Aluminium, aber auch Eisenerz haben einen deutlichen Einfluss auf die Ergebnisse. Der aktuelle Bullenmarkt sorgt momentan für klingelnde Kassen, während der stark eingebrochene Eisenerzpreis für Gegenwind sorgt. Bleibt die generell positive Dynamik bestehen, drückt sich dies auch in steigenden Gewinnen für Derichebourg aus.

Im Jahr 2018 erhöhte China deutlich die Anforderungen bezüglich der Reinheitsgrade für importierte Metalle. Die dadurch teilweise ausbleibende Nachfrage aus China führte zu einer Schwemme auf den westlichen Märkten. Der daraus resultierende Preisdruck sorgte bei Derichebourg für einbrechende Gewinne und einen abstürzenden Aktienkurs. Die aktuelle Rohstoffparty sowie eine etwas entschärfte Importpolitik Chinas sorgen allerdings für eine deutliche Erholung.

Die steigenden Preise für CO2-Zertifikate sowie der Bedarf von energieintensiven Industriebetrieben an energiesenkenden Produktionsprozessen kommen Recyclern wie Derichebourg gelegen. Ganz einfach schon deshalb, da bereits raffinierte Recyclingmaterialien den Energiebedarf zur Herstellung von Stahl und anderen Metallen verringern. Auch die Förderung der Kreislaufwirtschaft durch die EU sorgt für Rückenwind.

Quelle: Investorenpräsentation Mai 2021

Papier ist geduldig - stimmen die Zahlen allerdings, sollten Recycler wie Derichebourg deutliche Profiteure der von der Politik angestrebten Kreislaufwirtschaft und CO2-Reduktion sein

Konkurrenz

Konkurrenz aus Fernost oder Übersee muss man nicht befürchten. Aufgrund des hohen Kapitalbedarfs und der niedrigen Margen macht es wirtschaftlich schlichtweg keinen Sinn, Recyclingschrott quer über den Erdball zu verschiffen. Dadurch ist der Markt von regional tätigen Unternehmen - mit Derichebourg als Marktführer – geprägt, welcher Skalierungseffekte für sich zu nutzen weiß. Mit der Übernahme des Konkurrenten Groupe Ecore für 300 Millionen Euro steigert der Konzern seinen Marktanteil im Bereich Metall-Recycling des französischen Heimatmarkts im Bereich zwischen 30 und 35 Prozent.

Risiken

Aufgrund der hohen Mitarbeiterzahl ist man gewerkschaftlichen Themen wie Streiks stärker ausgesetzt als Unternehmen, die mit weniger Personal auskommen.

Wie bereits erwähnt, ist das Unternehmen – wenn auch reduziert - den Schwankungen der Metallpreise und damit der Wirtschaft unterlegen.

Porter’s Five Forces

Neue Konkurrenz muss man im kapitalintensiven und margenschwachen Markt nicht befürchten, auch weil man durch die erreichte Größe über nicht zu unterschätzende Skalierungseffekte verfügt. Diese Skalierungsvorteile sorgen auch für einen Burggraben gegenüber den Branchenkonkurrenten.

Dadurch ist man gegenüber der Konkurrenz auch bei Preisverhandlungen gegenüber den Lieferanten und Abnehmern gut aufgestellt. Hierbei fungiert man lediglich als raffinierendes Kettenglied in der Mitte zwischen den beiden Parteien. Der Faktor Abnehmer bekommt allerdings einige Punkte aufgrund der, wenn auch nur indirekten, Abhängigkeit von chinesischem Einfluss auf die weltweiten Rohstoffmärkte.

Da die Themen ‚Kreislaufwirtschaft‘ und CO2-Reduktion weiterhin im Fokus der Regierenden bleiben werden bzw. an Bedeutung gewinnen werden, ist Substitution kein Thema.

Der unbekannte Nischenplayer Derichebourg liegt mit seinem Recycling-Geschäft voll im Trend, verfügt über eine gute Bilanz und stabile Margen, glänzt aber trotzdem mit einer günstigen Bewertung. Ein klarer Fall für Investoren, die nach konservativen Investitionsgelegenheiten abseits von Tech-Aktien & Co. suchen, aber trotzdem von Megatrends wie der Kreislaufwirtschaft profitieren wollen.

 

Herzlichst

Ihr

Christof von Wenzl

 

Quellen: sentieo.com, morningstar.com, www.derichebourg.com, guidants.com, wikipedia.de, fitchratings.com

Alle Kennzahlen wurden – sofern nicht anders erwähnt - auf Sicht der letzten vier verfügbaren Quartale berechnet.


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