Geschäftsmodell und Absatzmärkte

Die hohen Medikamentenkosten in den USA sind immer wieder, und speziell in jeder US-Wahlkampfsaison ein Thema, auf das sich Politiker auf Stimmenfang und Medien regelmäßig einschießen.

Genau für dieses Thema hat GoodRx mit seiner Plattform die Antwort. Ein bisschen ähnelt das Geschäftsmodell jenem eines Onlineportals zur Vermittlung von Flügen. In diesem Video erklärt das Unternehmen sein Geschäftsmodell.

Die aktuell rund 6,4 Millionen monatlich aktiven Nutzer können sich über die Plattform Preisvergleiche für Medikamente einholen. Grundlage hierfür sind über 200 Milliarden Preisdaten, die GoodRx tagtäglich sammelt. Die Preise für Medikamente können in den USA stark variieren, je nachdem welche Preise zwischen den jeweiligen Zwischenhändlern der Medikamente (pharmacy benefit manager - PBM) und den Krankenversicherern ausgehandelt werden.

Diese Vermittlung zwischen Apotheke und Verbraucher lässt sich GoodRx von den Apotheken bzw. Medikamenten-Zwischenhändlern bezahlen.

Zudem bietet GoodRx Verbrauchern eine Premium-Mitgliedschaft an. Beim Premium-Abo ‚GoodRx Gold‘ erhalten Kunden gegen eine monatliche Gebühr zusätzlich Vergünstigungen auf Medikamente.

Das Geschäft funktioniert unabhängig vom Wirtschaftszyklus. Ganz im Gegenteil könnte das Unternehmen sogar vom aktuell inflationären Umfeld in den USA profitieren. Steigen die Preise für alles mögliche vom Benzin bis zur Zahnpasta, haben Menschen einen noch größeren Ansporn, Geld zu sparen. GoodRx hat hierzu eine Lösung parat.

 

 

Quelle: guidants.com

Ein elender Kursverlauf, wie so oft nach einer gehypten IPO, zeigt sich auch bei GoodRx. Im Idealfall sehen wir gerade den Beginn einer Bodenbildung. Dafür darf die Aktie aber nicht mehr unter 13,40 USD fallen. Auf der Oberseite warten ab 21 USD und später bei 27,40 USD (Gap-Oberkante) noch harte Widerstände.

 

 

Bewertung

Das Chancen-Risiko-Verhältnis hat sich durch den Crash deutlich verbessert. Mit einem Kurs-Umsatz-Verhältnis von zehn ist die Aktie allerdings noch immer weit davon entfernt, als günstig bezeichnet zu werden.

Kann der Umsatz allerdings tatsächlich in den kommenden Jahren jährlich um 25 Prozent zulegen, könnte man den Einstieg mit einer ersten Position rechtfertigen. Mit diesen Umsatzanstiegen plant zumindest das Management. Damit enttäuschte man allerdings die Analysten, die zuvor mit Zuwachsraten von 40 Prozent und mehr verwöhnt wurden. Das war auch der Grund für den jüngsten massiven Absturz der Aktie.

Bilanz und Verschuldung

 

 

Die IPO fand erst 2020 statt, die Kasse ist dadurch gut gefüllt. Mit dem Cash ist man bereits auf der Übernahmefront tätig geworden, um sein Dienstleistungsportfolio zu erweitern. Beispielsweise hat man für 150 Millionen Dollar vitaCare übernommen, welches Patienten und Apotheken bei der Einhaltung von Therapien unterstützt.

Da die Bilanzdaten lediglich bis ins Jahr 2018 zurückreichen, kann auch noch nicht viel über die bilanzielle Entwicklung gesagt werden. Beobachtet werden sollte hier in Zukunft, ob fortlaufend Eigenkapital aufgebaut werden kann und ob man es mit den Aktienoptionen, mit denen man sein Management bezahlt, nicht übertreibt. Im Zuge der IPO ist es hier zu entsprechend hohen Auszahlungen gekommen. Das ist nicht weiter ungewöhnlich. Dies sollte nur nicht zur Regel werden.

Quelle: Jahresbericht GoodRx – Seite 74

Profitabilität

Das Geschäftsmodell ist – typisch für eine Plattformökonomie – wenig kapitalintensiv. Um mehr Kunden auf der Plattform anlanden zu können, braucht es schließlich keine teuren Assets wie Zweigstellen, Fabrikhallen oder massig Personal. Dadurch ergeben sich in der Regel starke Margen. So kommt es, dass GoodRx bereits profitabel wirtschaftet.

Der Knick in 2020 und die mangelnde Profitabilität in 2021 sind nicht operativen Problemen geschuldet, sondern sollten Nachwehen der IPO und Übernahmen darstellen. 2022 zählt diese Entschuldigung allerdings nicht mehr.

Wachstum

GoodRx hat sich ein schönes Geschäftsmodell ausgedacht. Verbraucher sparen bares Geld. Apotheken, die dank GoodRx eine gesteigerte Kundenfrequenz erhalten, steigern ihre Umsätze. Und GoodRx erhält dabei eine kleine Provision, welche kumuliert eine stattliche Summe ergibt. Somit ist es sehr wahrscheinlich, dass der Erfolgslauf auch in Zukunft anhält.

Mit der Erweiterung des Geschäftsmodells auf zusätzliche Dienstleistungen – Telemedizin gehört auch dazu – legt man den Grundstein für weitere Wachstumssäulen.

Konkurrenz

Auf seinem Gebiet genießt GoodRx einen sogenannten ‚First-Mover‘-Vorteil. Inzwischen gibt es zwar auch Konkurrenz. Mit der von Verbrauchern geschätzten App sowie der häufigen Empfehlung durch Ärzte genießt man hier aber einen deutlichen Vorteil.

Die einzige Frage, die sich hierbei aber stellt: Kopiert Amazon (inzwischen ebenfalls im Medikamentenvertrieb tätig) das Geschäftsmodell, und wenn ja, wann?

Risiken

Das größte Risiko bestünde in einer radikalen Reform des Marktes für Medikamentenbepreisung. Würde Washington gegen die teilweise erschreckend großen Preisunterschiede für dieselben Medikamente vorgehen, würde das Geschäftsmodell von GoodRx obsolet werden. Die Wahrscheinlichkeit für eine derart radikale Reform ist zwar sehr gering, erwähnenswert aber allemal.

Porter’s Five Forces

Der ‚Amazon-Effekt‘ wird sogleich über den Punkt ‚Neue Konkurrenz‘ abgebildet. Würde es tatsächlich zu so einem Schritt kommen, wäre ich nicht gerne Aktionär von GoodRx. Walgreens-Aktionäre, wissen wovon ich reden. Mit dem Eintritt von Amazon in den Medikamentenvertrieb ging es auch mit der Aktie der Apothekenkette zwischenzeitlich massiv bergab.

Innerhalb der Branche scheint man aufgrund des Bekanntheitsgrads aber alle Trümpfe in der Hand zu haben. Auch die guten Kundenbewertungen sprechen für GoodRx (Abnehmer).

Substitution stellt aktuell kein Risiko dar. Wer will schon nicht Geld beim Kauf von Medikamenten sparen? Gerade den vielen nicht- oder schlechtversicherten US-Amerikanern leistet der Konzern mit seinem Geschäftsmodell einen wichtigen Dienst. Das Thema einer möglichen Reform des Marktes wird aber mit einem Risikopunkt versehen.

Die Medikamentenhändler (Lieferanten), welche als Bindeglied zwischen Apotheke und Krankenversicherer fungieren, kassieren von den Apotheken eine Gebühr. 15 Prozent dieser Gebühr vereinnahmt GoodRx. Bis zum Eintritt eines weiteren Spielers auf dem Rasen scheint diese Marge sicher. Würde es allerdings dazu kommen, würde diese Marge durch Preisverhandlungen wohl erodieren.

 

 

Die besten Geschäftsmodelle sind jene, bei denen alle profitieren. GoodRx verfügt über ein solches, und versucht sich gerade an der charttechnischen Bodenbildung. Nach dem über 70-prozentigen Absturz ist die Aktie zwar noch immer nicht günstig bewertet. Für eine erste Tranche ist der Titel aber allemal gut. Wer nicht zu viel riskieren möchte, könnte die Aktie unterhalb 13 Dollar mit einem Stopp versehen.

Herzlichst

Ihr

Christof von Wenzl

Quellen: sentieo.com, morningstar.com, www.investors.goodrx.com, guidants.com

Alle Kennzahlen wurden – sofern nicht anders erwähnt - auf Sicht der letzten vier verfügbaren Quartale berechnet.


Hinweis:

Dirk Müller sowie die Finanzethos GmbH haben sich verpflichtet den Kodex des Deutschen Presserates für Finanz- und Wirtschaftsjournalisten einzuhalten. Der Verhaltenskodex untersagt die Ausnutzung von Insiderinformationen und regelt den Umgang mit möglichen Interessenkonflikten. Die Einhaltung des Verhaltenskodex wird jährlich überprüft. Dies gilt auch für die für Dirk Müller oder für die Finanzethos GmbH tätigen freien Journalisten.

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