Geschäftsmodell und Absatzmärkte

Bei Guerbet haben wir es mit einem wahren Pionier bei bildgebenden Verfahren in der Medizin zu tun. Dies dank Andrè Guerbet, der 1926 das erste Röntgenkontrastmittel Lipiodol auf den Markt brachte.

Seitdem ist Lipiodol noch immer auf dem Markt und Guerbet einer der Marktführer bei Kontrastmitteln für bildgebende Verfahren in der Medizin, beispielsweise für Kernspintomographie (weltweite Nummer 4) oder Magnetresonanz (weltweite Nummer 2). Neben Kontrastmitteln bietet der Konzern auch die dazu passenden medizinischen Geräte an. Die Familie Guebert hält noch immer 57 Prozent der Anteile am Unternehmen.

Die Erforschung von KI-Anwendungen, mithilfe derer Ärzte in der Krebsdiagnostik unterstützt werden, sorgt für eine Prise Fantasie. Hier arbeitet Guerbet mit IBM zusammen. Deren KI ‚Watson‘ soll dabei helfen, Patientenbilder auf mögliche Fälle von Leber- oder Prostatakrebs zu untersuchen. Damit sollen teure und unnötige operative Eingriffe wie Biopsien vermieden werden.

Die Aktie ist zwar auch in Deutschland handelbar, sollte aber aufgrund des geringen Handelsvolumens über die Heimatbörse Paris geordert werden.

 

Quelle: guidants.com

Steiniger Weg nach oben – Die Aktie versucht sich nach einer seit 2017 andauernden Abwärtsphase an einer Bodenbildung. Über 38 Euro wäre diese abgeschlossen und ein Kaufsignal würde generiert. Allerdings warten bei 45 und 53 Euro weitere starke Hürden auf den Titel. Kurse unter 24 Euro könnten indes für einen weiteren Abverkauf in Richtung 20 bis 15 Euro sorgen.

 

 

Bewertung

Der Titel ist massiv abverkauft worden. Da Trends bekanntlich meist weiter laufen, als fundamental gerechtfertigt, sorgt dies an der Börse in der Regel gleichsam für Blasen wie auch für attraktive Einstiegsgelegenheiten. Bei Guerbet spiegelt sich die Übertreibung in Form einer günstigen Bewertung wider.

Auch in Hinblick auf die schwachen Margen sowie der lauen Umsatzentwicklung in den letzten Jahren wirkt der Konzern zu günstig bewertet.

Unter Annahme einer freien Nettomarge von 5,42 Prozent (Durchschnitt 2017 bis 2019) bei einem Umsatz von 780 Millionen Euro ergibt das ein KGV von 9,9. Im Schnitt der vergangenen fünf Jahre war Guerbet 70 Prozent höher bewertet. Aber auch im Vergleich zur Branche scheint der Titel unterbewertet.

Die Beteiligung der Gründerfamilie ist ebenso positiv zu werten. So läuft man als Aktionär nicht so schnell Gefahr, dass das Unternehmen irgendwelche dummen Akquisitionen macht, nur um künstlich Umsätze zu generieren. Denn in vielen Fällen erweisen sich Übernahmen als Rohrkrepierer und bringen die übernehmenden Konzerne sogar in Schwierigkeiten.

Die Dividendenrendite von gut zwei Prozent reißt einen Anleger zwar nicht vom Hocker, sorgt aber nichtsdestotrotz für ein weiteres Kaufargument.

Bilanz und Verschuldung

Der Anstieg der Verschuldung resultiert großteils aus der 2015 getätigten Übernahme des Kontrastmittel-Segments von Mallinckrodt. Die Verbindlichkeiten werden seitdem aber laufend reduziert.

 

Insgesamt steht man bilanziell solide da, was auch die Liquiditätskennzahlen Quick Ratio und Current Ratio (1,20 bzw. 2,21) zeigen. Diese Kennzahlen geben einen Aufschluss darüber, wie solide ein Unternehmen seine kurzfristigen Verbindlichkeiten finanziert hat.

Zur Berechnungsmethodik: Bei der Quick Ratio werden die kurzfristig verfügbaren Geldmittel (also Cash, kurzfristige Festgeldanlagen usw.) durch die kurzfristigen Schulden geteilt. Bei der Berechnung der Current Ratio werden zuzüglich zu den verfügbaren Geldmitteln noch Forderungen und Inventar hinzugezählt.

Mithilfe dieser Kennzahlen lässt sich also prüfen, ob die kurzfristigen Verbindlichkeiten durch das kurzfristige Vermögen gedeckt sind. Als Faustregel gelten bei den Kennzahlen Mindestwerte von 1 bzw. 1,5.

Profitabilität

Die Bruttomarge ist hoch. Allerdings bleibt davon aufgrund hoher Zusatzkosten am Ende des Tages nicht mehr viel übrig. Unter anderem drückt die teilweise ausgelagerte Produktion und Forschung auf die Profite.

Das stabile Geschäftsmodell sorgt aber dafür, dass die geringen Margen nicht weiter problematisch sind.

Nichtsdestotrotz wäre es aber wünschenswert, dass sich die Situation perspektivisch verbessert. Der Trend scheint zumindest in die richtige Richtung zu zeigen.

Wachstum

In puncto Wachstum hat das Unternehmen deutliche Schwächen. So konnten die Franzosen ihre Umsätze fast ausschließlich nur durch die erwähnte Übernahme erhöhen, denn die Gewinnung von zusätzlichen Marktanteilen ist im reifen und umkämpften Markt äußerst schwierig.

Ein möglicher Befreiungsschlag wäre da sicherlich die Erweiterung des Geschäftsmodells auf KI-basierte Diagnostik. Hier arbeitet man eng mit IBM zusammen. Dieses Projekt trägt aber noch nicht zum Konzernergebnis bei.

Konkurrenz

Bayer, General Electric sowie die nicht börsennotierte Bracco aus Italien gehören zu den Konkurrenten der Franzosen, die über eigene bzw. Generika-Mittel verfügen und mit Guerbet um Marktanteile kämpfen. Eine Wachstumsstory ist der reife Markt also gewiss nicht.

Risiken

Die Konkurrenz durch Generika und Alternativprodukte ist ein eminenter Faktor, der wohl die Hauptursache für die schwache Umsatzentwicklung bei Guerbet ist.

Staatliche Behörden sind der zweite große Risikofaktor. So kann die Umsetzung neuer Regularien Kosten erhöhen und Marktanteile bedrohen.

Porter’s Five Forces

Generikahersteller und andere Pharmaunternehmen (neueKonkurrenz/Branchenrivalen) machen den Markt zu einem harten Pflaster, in dem die Konzerne Preise lange nicht so freimütig gestalten können, wie bei anderen Arzneien. Dies ist der Grund für die schwache Umsatzentwicklung und sorgt auch für ein gewisses Substitutionsrisiko.

Zudem handelt es sich bei den angebotenen Mitteln um keine komplexen Wirkstoffe, wodurch Ärzte eine wesentlich geringere Hemmschwelle bei einem eventuellen Wechsel auf andere Hersteller haben (Abnehmer).

Zu guter Letzt kommt auch noch eine kleine Portion Lieferantenrisiko dazu, da der Konzern Teile der Produktion ausgelagert hat und dadurch – wenn auch nur geringfügig - von Dritten abhängig ist.

 

Bei der Aktie von Guerbet handelt es sich kurstechnisch um einen gefallenen Engel, der für geduldige Investoren eine Anlageoption darstellt. Gewiss, die Umsatzentwicklung ist schwach, die Margen tief und der Markt heißumkämpft.

In der aktuellen Bewertung scheinen diese Punkte aber bereits eingepreist zu sein. Wer das Chancen-Risiko-Verhältnis noch zusätzlich verbessern möchte, könnte bei der charttechnischen Unterstützung bei etwa 26 Euro eine Kauforder in den Markt legen.

Herzlichst

Ihr Christof von Wenzl

Quellen: sentieo.com, morningstar.com, www.guerbet.com, tradingview.com, wikipedia.de

Alle Kennzahlen wurden – sofern nicht anders erwähnt - auf Sicht der letzten vier verfügbaren Quartale berechnet.

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