Geschäftsmodell und Absatzmärkte

Der stationäre Einzelhandel ist tot. Jeder Mensch wird früher oder später nur mehr online einkaufen. Wenn Sie diese Meinung vertreten, sparen Sie sich doch die Zeit und lesen nicht mehr weiter. Oder aber, Sie geben der gebeutelten Branche doch eine letzte Chance. Ich kann Ihnen versprechen, dass der Blick über den berühmten Tellerrand lohnt.

Macy’s betreibt mit der gleichnamigen Kaufhauskette 775 Stores, den Großteil davon in den Vereinigten Staaten. Die Marken Bloomingdale’s und Bluemercury gehören ebenso zum Konzern. Von Kleidung für Klein und Groß, über Kostmetika, Möbel und Elektrogeräte bietet das Unternehmen so ziemlich alles, was das Konsumentenherz begehrt.

Quelle: marketscreener.com

Alles andere als herzerwärmend – rote Vorzeichen bei der Umsatzentwicklung im Jahr 2020. Amazon lässt grüßen…

70 Prozent Verlust in 2020 - Corona war lediglich der letzte in einer ganzen Reihe von Tiefschlägen für Aktionäre des Unternehmens.

Quelle: guidants.com

Reif für eine Gegenbewegung!? Die Aktie notiert an einer markanten Unterstützung im Bereich von fünf Dollar und bildet gerade eine Seitwärtsphase auf niedrigem Niveau. Von hier aus wäre ein Anlaufen von zehn bis 15 Dollar innerhalb der kommenden Monate durchaus denkbar. Unterhalb von fünf Dollar wird es allerdings charttechnisch hässlich für die Aktie.

Quelle: guidants.com

Wie wichtig Risikostreuung sein kann, erkennt man am Vergleich zwischen der Aktie von Macy’s und dem S&P-Retail-Index, hier abgebildet über den ETF von SPDR mit dem Kürzel XRT. Während der XRT seit Juli 2006 um 90 Prozent zulegen konnte, schauen Macy’s-Aktionäre mit einem Minus von 85 Prozent in die Röhre.

Quellen: morningstar.com

Bewertung

So wenig ratsam es ist, beim Autofahren nur in den Rückspiegel zu blicken, so nützt auch ein atemberaubend günstiges KGV recht wenig, wird die Kennzahl schließlich auf den vergangenen Gewinn berechnet. Die Läden in den USA sind derzeit geschlossen. Der Online-Handel bei Macy’s funktioniert zwar nach wie vor, für 2021 – wen wundert‘s – muss aber dennoch mit einem satten Minus gerechnet werden. Bei morningstar.com geht man für 2020 von einem Verlust von knapp 800 Millionen Dollar aus, gefolgt von einer Erholung in 2021.

Die Aktie wurde massiv abgestraft. Das war auch die logische Konsequenz aus der massiv zunehmenden Gefahr durch Onlinehändler und den Lockdowns in den USA. Sachlich betrachtet scheinen diese Faktoren nun allerdings mehr als ausreichend eingepreist zu sein.

Unter Anwendung eines Discounted-Cashflow-Modells mit sehr pessimistischen Berechnungsparametern (rückläufige freie Cashflows, hoher Abzinsungsfaktor) ergibt sich beispielsweise eine faire Bewertung, die zwischen 50 und 100 Prozent über dem aktuellen Kurs liegt.

Auch Morningstar-Analyst David Swartz schlägt in diese Kerbe und beziffert den fairen Wert der Aktie bei 17,60 Dollar.

Bilanz und Verschuldung

Die Bilanz ist gewiss keine Schönheit. Der Schuldenberg von 6,8 Milliarden Dollar ist kein Pappenstiel, besonders in Relation zur Marktkapitalisierung von gerade einmal 1,7 Milliarden Dollar und einem 2020er Free Cashflow von 450 Millionen. Das diesjährige Geschäftsjahr wird diese Situation noch einmal verschlimmern. Zumindest war man so intelligent, wenigstens die Dividenden bis auf weiteres zu streichen.

Die Ratingagentur S&P Global ist von diesen Faktoren ebenso alles andere als angetan und hat das Rating von Macy’s kürzlich auf Junk-Niveau gesetzt. Nicht gerade hilfreich ist da der Abgang von Paula Price, der aktuellen CFO (chief financial officer), die dieses Amt gerade einmal 1,5 Jahre innehatte. Die relativ häufigen Wechsel im Management wirken nicht gerade vertrauensfördernd.

Das Unternehmen reagiert in den Augen vieler Analysten zu zaghaft. Mit der Ankündigung einer Schließung von 125 Läden innerhalb der nächsten drei Jahre und weiteren Einsparungen sollen aber zumindest 1,5 Milliarden eingespart werden, die für die Stärkung des Onlinegeschäfts und Investitionen in die bestehenden Läden eingesetzt werden sollen.

Auf der anderen Seite kumuliert Macy’s aber auch einen nicht zu unterschätzenden Immobilienwert. Allein der Wert des berühmten Kaufhauses am Herald Square in New York City wird auf drei Milliarden Dollar geschätzt. Es könnte also noch genug ‚Fleisch am Knochen‘ vorhanden sein – vorausgesetzt, dass die US-Amerikaner spätestens 2021 wieder Lust auf Konsum haben.

Profitabilität

Masse statt Klasse. Mit einem Umsatz von 25 Milliarden in 2019 hat der Konzern zwar ordentlich die Kassen klingeln lassen, letztendlich bleibt davon aber nach Abzug der Kosten meist nur wenig übrig. Gebäude und Läden wollen gewartet sein, Heizung, Klimatisierung, Strom, Miete und und und kosten einfach viel Geld. Fast drei Viertel des operativen Cashflows gehen so dafür drauf, den Betrieb lediglich am Laufen zu halten. Dass unterm Strich eine Nettomarge von 2,23 Dollar übrigbleibt, sollte also nicht verwundern. Bei derart anfälligen Profitabilitätskennzahlen ist der Weg in die roten Zahlen erwartungsgemäß nicht weit.

Wachstum

Macy’s hat es aus doppelter Hinsicht mit Gegenwind zu kämpfen. Einerseits bereiten Online-Händler wie Amazon Sorgenfalten, andererseits verschieben sich die Konsumangewohnheiten der US-Amerikaner zusehends auf Discount-Läden - problematisch für Macy’s, die eher im Premium-Segment zu verorten sind. Wenigstens die Beauty-Marke Bluemercury sticht mit zunehmenden Wachstumsraten positiv heraus.

Konkurrenz

Nicht nur Amazon und Discount-Läden machen Macy’s das Leben schwer. Macy's ist von wichtigen Modemarken abhängig. Viele Bekleidungshersteller konkurrieren mit Macy's, indem sie Produkte über eigene Markenläden und E-Commerce selbst an die Verbraucher verkaufen.

Risiken

Die niedrigen Margen sorgen dafür, dass das Unternehmen kaum Spielraum in der Preisgestaltung hat. Dadurch ist man konjunkturellen Einbrüchen schutzlos ausgeliefert.

Die aktuelle Krise wird bei den ansonsten konsumfreudigen US-Bürgern zudem 2020 und darüber hinaus wohl für dünne Geldbörsen und Zurückhaltung beim Einkauf sorgen.

Porter’s Five Forces

Wir haben es hier mit einem massiven Risikopotenzial zu tun. Die Preise werden von Lieferanten diktiert und nicht umgekehrt. Die Abnehmer nutzen zunehmend Online-Kanäle (Substitution) und weichen auf Discount-Stores aus und letztendlich könnte Amazon auf lange Sicht für den Abgesang der Retail-Branche sorgen. Innerhalb der Branche schenkt man sich seit jeher nichts, was man sofort an den geringen Margen erkennt. Lediglich die Bedrohung durch neue Konkurrenten im unattraktiven Kaufhaussegment scheint unrelevant, was aber nur ein schwacher Trost ist.

Die Aktie scheint übertrieben verprügelt worden und deshalb reif für eine Gegenbewegung zu sein. Eine Kursverdoppelung innerhalb weniger Monate klingt zwar utopisch, scheint aber charttechnisch und fundamental durchaus denkbar. Haus und Hof sollte man aber dennoch niemals auf gefallene Engel wie Macy’s setzen. Das Unternehmen hat mit einem hohen Schuldenberg, Amazon & Co. sowie dem derzeitigen Lockdown zu kämpfen. Andererseits verfügen die New Yorker über ein nicht unerhebliches Immobilienportfolio, das durchaus Überraschungspotenzial in sich birgt. Wer darauf wetten will, sollte sich aber mit der Materie auskennen.

Testweise versehe ich diese Aktienanalyse mit einem von mir entwickelten Scoring-Modell, mit dem ich bei der Aktienauswahl bereits arbeite. Nun sind Sie, lieber Cashkurs-Leser gefragt: Würde der standardmäßige Einbau dieses Scorings einen Mehrwert für Sie bedeuten oder halten Sie dieses Feature für unnötig?

Herzlichst

Ihr Christof von Wenzl

Quellen: morningstar.com, marketscreener.com, www.macysinc.com, guidants.com, wikipedia.de

Alle Kennzahlen wurden – sofern nicht anders erwähnt - auf Sicht der letzten 4 auf morningstar.com verfügbaren Quartale berechnet.


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Dirk Müller sowie die Finanzethos GmbH haben sich verpflichtet den Kodex des Deutschen Presserates für Finanz- und Wirtschaftsjournalisten einzuhalten. Der Verhaltenskodex untersagt die Ausnutzung von Insiderinformationen und regelt den Umgang mit möglichen Interessenkonflikten. Die Einhaltung des Verhaltenskodex wird jährlich überprüft. Dies gilt auch für die für Dirk Müller oder für die Finanzethos GmbH tätigen freien Journalisten.

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