Es war etwas Einmaliges in der deutschen Wirtschaftsgeschichte, dass der Stahlgigant ThyssenKrupp Freitagnacht mit einer spektakulären Ad-hoc Mitteilung eine Bilanzpressekonferenz für Samstag anberaumte. Dieser Vorfall ist bisher ein Novum in der deutschen Wirtschaftsgeschichte und der Vorstandsvorsitzende Heinrich Hiesinger, welcher aktuell um seinen Job kaum zu beneiden ist, musste den Aktionären schwere Kost verkaufen. Eine teilweise Rückabwicklung des Verkaufs der Edelstahlsparte, die finanzielle Entflechtung mit Outokumpu, der teilweise Verkauf des schwer in der Krise steckenden Amerika-Geschäfts, erhebliche Rechtsunsicherheiten bei diversen Kartellverfahren, keine Dividenden, keine Aussicht auf die Rückkehr in die Gewinnzone in den nächsten Jahren und, als wenn das alles nicht genug wäre, eine Kapitalerhöhung um 10 %. Aktionäre brauchen bei diesen News ein starkes Nervenkostüm, auch wenn alle Neuigkeiten, so der Vorstand, nicht existenzbedrohend für den Essener Giganten sind.

 

Der ersehnte Verkauf des Amerika-Geschäfts entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als milliardenschweres Grab mit einem erheblichen weiteren Risiko. Arcelor-Mittal und Nippon Steel zahlen 1,1 Mrd. Euro für das Werk in den USA, das Werk in Brasilien erhält einen Rahmenabnahmevertrag, welcher die Auslastung von 40 % über die nächsten Jahre gewährt. Bei einer Investitionssumme von über 12 Mrd. Euro in die beiden Werke, ist dieser Verkauf nur ein Tropfen auf dem heißen Stein, zumal das ungeliebte Brasilien-Geschäft weiter unverkäuflich bleibt und auch die gesicherten 40 % Auslastung weitere operative Verluste in diesem Bereich bedeuten. Die Rückabwicklung der Edelstahlsparte bedeutet für Hiesinger einen Schritt Rückwärts. Auf Druck der europäischen Wettbewerbsbehörde, nimmt ThyssenKrupp einen Teil des ungeliebten Geschäfts zurück. Das ist bitter, wurde doch der Verkauf als Befreiungsschlag gesehen. Weiterhin wird die finanzielle Entflechtung mit der Outokumpu wohl ca. 300 Mio. Euro kosten. Neben diesen Nachrichten hat ThyssenKrupp weiterhin erhebliche Rechtsunsicherheiten in vielen Kartellverfahren u.a. mit der Deutschen Bahn (Schienenkartell). Aus dieser Rechtsunsicherheit resultiert ebenfalls ein erhebliches finanzielles Risiko. Das weitere aussetzen der Dividenden, der schlechte Geschäftsausblick sowie die schmerzende Kapitalerhöhung um 10 % sind somit nur logische Schlussfolgerungen aus den desaströsen Zuständen des einstigen Vorzeigeunternehmen.

 

Durch eine beispiellose und aus heutiger Sicht maßlos übertriebene Expansionspolitik, haben die Vorgänger Schulz und Cromme den Konzern in eine tiefe und komplizierte Krise katapultiert. Heute sind im Vorstand des Essener Konzerns alle Top Manager mit den Aufräumarbeiten beschäftigt, an normales Geschäft ist kaum zu denken. Weiteres Zeichen der ernsten Situation ist das Zusammenrücken zwischen Aufsichtsrat und Vorstand. Ulrich Lehner, Aufsichtsratschef, nimmt aus einer Zweittätigkeit als Aufsichtsratschef der Deutschen Telekom viel Erfahrung beim Bewältigen von Krisensituationen mit und schweißt nach diesem Vorbild Aufsichtsrat und Vorstand enger zusammen. In verschiedenen Sonderausschüssen kommt dem Vorstand mehr Rückendeckung und Beratung zuteil.

Zusammenfassend bleibt ein Engagement in die ThyssenKrupp Aktie zum aktuellen Zeitpunkt eine der risikofreudigeren Investments im DAX. Die guten Performances der letzten Monate haben viele gute Nachrichten bereits eingepreist, die heute wieder zurückgenommen werden müssen. Weiterhin wird die Kapitalerhöhung wie ein Damoklesschwert über dem Aktienkurs hängen. Risikoreiche Positionen sollten erst nach dem Ende der Kapitalerhöhung aufgebaut werden. Risikoaverse Anleger sollten aufgrund der langjährig eingetrübten Geschäftsentwicklung den Titel meiden.


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