Jetzt ist es amtlich. Die Troika hat festgestellt, dass Griechenland die auferlegten Sparbedingungen als Gegenleistung für Hilfsmaßnahmen von EU und IWF nicht erfüllt hat und eine Rückkehr an den Kapitalmarkt 2012 eher einem Gang nach Canossa entspräche. Damit kann die nächste Tranche des 110 Mrd. schweren Hilfspakets eigentlich nicht ausgezahlt werden. Der IWF hat sich hier klar erklärt. Es muss gezahlt werden, da ansonsten Griechenland bankrott wäre und damit alle bisherigen Hilfsleistungen endgültig abgeschrieben werden müssten. Für diese erneute Hilfszahlung unter Beteiligung des IWF muss aber wiederum eine Insolvenz der Griechen ausgeschlossen sein. Wie bekommt man diese Quadratur des Kreises hin?

 

Griechenland weiter auf der Intensivstation

So ist die EU gefordert, das Ausbleiben der Insolvenz Griechenlands zu garantieren. Dazu muss also ein neues, zweites Rettungspaket mit einem Volumen von ca. 90 Mrd. Euro her, um Griechenland bis Ende 2014 auf der Liquiditätsebene lebendig zu halten. Trotz nicht erfüllter Bedingungen wird Ende Juni beim Treffen der EU-Finanzminister und Regierungschefs ein neues Rettungspaket geschnürt werden. Die zur besseren Verkaufbarkeit bei der Bevölkerung politisch geforderte Beteiligung privater Investoren, die vom Bundestag bereits gut geheißen wurde, wird sich aber kaum in nennenswertem Umfang erzielen lassen, da deutsche Banken und Versicherungen schon umfänglich ihren Bestand an griechischen Anleihen verringert haben. Verlängerungen oder Umtausche bestehender Staatsanleihen werden damit zumindest aus deutscher Sicht nicht wirklich ins Gewicht fallen.

Damit kann die Beteiligung der Privaten an einem Rettungspaket nur ein Placebo der Politik sein. Insofern löst sich auch der Konflikt mit der EZB und der französischen Regierung "technisch" auf, die beide eine Umschuldung strikt ablehnen.

 

Antidepressiva der US-Schulden- und Geldpolitik schlägt nicht mehr an

Nach Aussagen von US-Notenbankchef Ben Bernanke erholt sich die amerikanische Wirtschaft lediglich „frustrierend langsam“. Damit gibt er also unumwunden zu, dass die früher hoch wirksamen Heilmittel nicht mehr zügig anschlagen. Angesichts eines staatlichen Hilfspakets von mittlerweile insgesamt drei Billionen US-Dollar, historischen Niedrigzinsen und der kraftvollen Betätigung der Notenpresse ist dies mehr als bemerkenswert.

Tatsächlich liegt das Überraschungsmoment der US-Konjunkturdaten aktuell deutlich im negativen Bereich, d.h. die realen Daten fallen deutlich schlechter aus als von Analystenseite geschätzt. Ein derart negatives Szenario gab es seit Dezember 2008 nicht mehr.

Der Aktienmarkt, der bis April die Befestigung der US-Konjunktur noch mit steigenden Kursen quittiert hatte, zeigt sich jetzt konsequent im Abwärtstrend.

 

Positives Basisszenario für Aktien bleibt dennoch erhalten

Natürlich sorgen die derzeit noch nicht geklärte griechische Frage und die schwachen US-Daten für Enttäuschung.

Nachhaltige Sorgen um die Aktienmärkte sind aber nicht angebracht. Das Rettungspaket „Bailout II“ für Griechenland wird aber kommen. Und mit diesem Zeitgewinn - heutzutage das politisch höchste Gut - verliert ein Irritationsherd für die Finanzmärkte im Allgemeinen und die Aktienmärkte im Speziellen zumindest an Wirkung.

Auch die Politik der EZB bleibt ein Pro-Argument. Denn trotz der verbalen Betonung, dass man in punkto Preisstabilität wachsam bleiben wird, ist auf den zweiten Blick klar, dass die EZB mit Rücksicht auf die Peripherie keinen strikt inflationsbekämpfenden Kurs fahren wird. Daran ändert auch die im Juli geplante Zinserhöhung und eine im weiteren Jahresverlauf nichts. Insgesamt bleiben die Realzinsen - also die Zinsen nach Inflation - negativ und damit für die Kapitalmärkte stützend.

Außerdem hat die EZB ein hohes Volumen an griechischen und anderen prekären Staatsanleihen aufgekauft und damit den Banken Risikoaktiva aus der Bilanz entfernt. Auch dies unterstreicht, dass sie Stabilität neu definieren muss. Es geht verstärkt um gesamtwirtschaftliche Stabilität und gezwungenermaßen weniger um Preisstabilität. Grundsätzlich ist auf absehbare Zeit keine Falkenpolitik zu erwarten.

 

Kein double dip in den USA

Auch in den USA liefert die flaue Konjunktur der Fiskalpolitik weitere Alibis, um auch zukünftig stabilisierend einzugreifen. Ohnehin kann es sich die amtierende US-Regierung mit Blick auf die Präsidentschaftswahlen im kommenden Jahr nicht leisten, untätig zu bleiben. Eine Einigung über die Erhöhung der Schuldengrenze des US-Haushalts ist da schon fast banal, denn weder Republikaner noch Demokraten werden sich die Zahlungsunfähigkeit der USA auf die Fahnen schreiben lassen wollen. Die Drohung der Rating-Agenturen, beim Ausbleiben einer rechtzeitigen Einigung die Kreditwürdigkeit abzustufen, sollte insofern nicht mehr als dramatisches Beiwerk betrachtet werden.

Es wäre wünschenswert, dass Amerika mit der schuldenbasierten Fiskalpolitik zumindest die Infrastruktur der US-Wirtschaft stärkt. Aber so oder so werden Schulden noch auf absehbare Zeit eine wichtige Rolle bei der Vermeidung eines double dip spielen. Eine fundamentale, konjunkturelle Unterfütterung der US-Aktienmärkte ist gegeben.

Konjunktureller Feuerschutz kommt auch zukünftig von der US-Notenbank, die noch bis Ende 2012 die Zinsen auf ihrem niedrigen Niveau belassen wird. Und auch in punkto Liquiditätspolitik ist keine wirkliche Ausstiegsstrategie zu erwarten. Und sollte es tatsächlich zum (finanz-)wirtschaftlichen Schwur kommen, wird die Fed auch dieses Instrument - trotz der Absicht, ab Juli keine weiteren US-Staatsanleihen mehr aufzukaufen - wieder zum Einsatz bringen. In jedem Fall wird man einen deutlichen Anstieg der Renditen am Staatsanleihemarkt verhindern, die die wirtschaftlichen Auftriebskräfte hemmen würden.

Vor diesem Hintergrund stellen Staatsanleihen keine renditeattraktive Anlagealternative zum US-Aktienmarkt dar.

 

Deutscher Aktienmarkt fundamental unkritisch

 

Angesichts des reinigenden Gewitters bei Aktien lohnt sich ein Blick auf die fundamentale Lage beim DAX. Selbst beim Jahreshöchststand des Index im Mai konnte man nicht von einer Überbewertung am deutschen Aktienmarkt sprechen. Jetzt, nach der Konsolidierung, ist die Ertrags- und Substanzbewertung noch günstiger für einen Einstieg.

Die augenblickliche Dämpfung des weltkonjunkturellen Aufschwungs schlägt sich auch in der Wertentwicklung der Branchen nieder. Der weniger dynamische, aber nachhaltige Wirtschaftsverlauf führt auch dazu, dass die einseitige Outperformance von zyklischen Titeln gegenüber defensiven Aktien einer stärkeren Ausgewogenheit Platz gemacht hat. Neben Industrie- und Technologietiteln sind auch Aktien der Branchen Pharma, Konsum und nach abgeschlossener Konsolidierung auch Werte der Versorgerbranche attraktiv.

 

Nachhaltige Sorgen bei Aktien unangebracht

 

Von der Unklarheit über die Lösung der griechischen Schuldenfrage belastet und durch die aktuellen Konjunkturdaten wenig unterstützt, setzt sich der kurzfristige Abwärtstrend im DAX weiter fort. Aus charttechnischer Sicht findet er Unterstützung an der 7000 Punkte-Marke sowie an der Untergrenze des Abwärtstrendkanals bei aktuell rund 6850 Punkten.

Zunächst bleibt damit das Jahreshoch bei 7600 Punkten eine schwer zu nehmende Hürde. Es ist mit einem Sägezahnmarkt, dessen Begrenzungen im Extrem bei 7600 und 6800 Punkten angesiedelt sind, zu rechnen.

Der Verlauf des DAX seit 2009 hat aber deutliche Ähnlichkeit mit der Entwicklung zwischen 2003 und 2005. Auch damals herrschte grundsätzlich ein ähnlich positives Umfeld und die Geldpolitik war großzügig. Vor diesem Hintergrund ist die aktuell stattfindende Konsolidierung also als reinigendes Gewitter anzusehen, bevor es im Trend wieder aufwärts geht. Zum Jahresende bleibt es bei der Prognose von 8000 Punkten.

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