Mit Kapitalmärkten und ihrer Analyse beschäftige ich mich mittlerweile seit ca. 30 Jahren. „Einem alten Affen braucht man das Grimassenschneiden nicht mehr beibringen“ müsste insofern auf mich ganz gut passen. Aber das, was wir derzeit an den Finanzmärkten erleben, lässt sich allein mit meinem normalen, klassisch fundamentalanalytischen Werkzeugkasten nicht mehr fassen.

 

 

Edel sei die Notenbank, hilfreich und gut

 

Denn de facto haben sich die großen Notenbanken der Welt Fed, EZB, Bank of Japan, Bank of England - ich könnte die Liste noch weiter führen - zur entscheidenden, schnellen Eingreiftruppe entwickelt, die überall, wo es brennt, sofort Einsätze fährt. Egal, was hinkt - Staatsanleihemärkte, Banken, die Konjunkturen oder die Politik selbst - die geldpolitischen Krankenpfleger stellen stets einen Rollator der Extraklasse bereit.

 

Würde man in unserer real existierenden, angeschlagenen Welt - wie früher in der guten, alten Zeit - eine bundesbankähnliche Politik der Stabilitätskultur betreiben, hätte man Ostern zwar einen neuen Papst gehabt, die Eurozone wäre dann aber vermutlich schon längst unter die Räder gekommen. Das euro-systemrelevante Italien, das politisch aus dem letzten Loch pfeift, viele Euro-Länder, in denen die Reformbewegungen mausetot sind, Frankreich, das mit dem Robin Hood-Prinzip Investoren zu einer aussterbenden Spezies macht, Japan, wo man es geschafft hat, einen Deutschland-ähnlichen Mittelstandsbauch mittlerweile auf Wespentaille zu drücken oder Amerika, das die wirtschaftliche Stimmung über einen politischen Dauerstreit über Staatsfinanzen trübt, lassen der internationalen Geldpolitik keine andere Wahl: „Wo die Not am größten, ist die Geldpolitik am nächsten“.

 

Und bist Du nicht willig, so brauche ich Gewalt

 

Nach langer Zeit der Irritation haben die Finanzmärkte mittlerweile ihren Frieden mit der neuen, heilen Geldpolitik gemacht. Kein Wunder, nimmt genau diese ihnen doch teflonartig die theoretische Sorge ab, dass Risiken praktisch haften bleiben. Und so macht es doch ohnehin jede große Notenbank. Wie bitte schön sollen sich die angeschlagenen Staaten denn ansonsten neue Schulden leisten können, mit denen Perspektiven und der soziale Frieden stabilisiert werden müssen?

 

Um auf Nummer sicher zu gehen, dass Finanzmärkte und Konjunkturen die gewünschte Hochstimmung auch ja erreichen können, gibt es geldpolitisch unbegrenzt Freibier. An der Geldpolitik soll es nicht scheitern. Wie man das macht, zeigt nicht nur Amerika, dessen Zentralbankvertreter - abseits von stabilitätspolitischen Restzuckungen - nicht müde werden, zu betonen, dass der Happy Hour zum Nulltarif noch lange nicht der Hahn abgedreht wird. Japan plant in punkto Liquiditätsschwemme sogar die längste Theke der Welt, Entschuldigung liebe Düsseldorfer. Und an das Versprechen von Draghi, zur Not die Sperrstunde aufzuheben, also unbegrenzt Staatsanleihen der Eurozone aufzukaufen, sei an dieser Stelle einfach noch einmal erinnert.

 

Die Finanzmärkte sind im Dauerrausch

 

In Amerika steigen die Aktienmärkte liquiditätsgetrieben von einem Rekordhoch zum nächsten, auch weil Ben Bernanke mit seiner Zinsdrückung höhere, wenn auch marktwirtschaftlich gerechte Renditen bei Staatspapieren verhindert. Und auch in Japan und Euroland tut die geldpolitische Hochstimmung Aktien, Staatsanleihen und Unternehmensanleihen gut. Es läuft alles rund, die Zinsen sinken, die Kurse steigen. Liquiditätshaussen sind nun einmal die schönsten aller Haussen.

 

So weit, so gut. Aber wenn finanz- und realwirtschaftliches Wohl und Wehe eigentlich nur noch an der Geldpolitik hängen, haben wir abgesehen von Inflationsbeschleunigung und nicht mehr attraktiv zu nennender Altersvorsorge über Zinsvermögen zwei weitere Probleme.

 

Erstens ist abzusehen, dass die reale Wirtschaft in vielen Ländern von selbsttragender Stabilität noch so weit entfernt ist, wie die Erde vom Jupiter. Statt restriktiver Geldpolitik muss ein noch größeres Rad gedreht werden, das größte geldpolitische Experiment aller Zeiten geht also weiter. Und wie Wasser, das sich seinen Weg sucht, führt diese systemfreundliche Geldpolitik als Zweiteffekt früher oder später auch zu Blasenbildungen an den Finanzmärkten, wo die Hochstimmung bereits eingesetzt hat. Ein Blick auf den Renditeverfall selbst von bonitätslosen Unternehmensanleihen sagt mehr als tausend Worte. Und die Blase wird noch größer werden.

 

Zweitens, wenn es irgendwann mit der Konjunktur tatsächlich besser laufen sollte, wie will man das Geld dann wieder einsammeln, wie bekommt man die beschwipsten Finanzmärkte wieder nüchtern? Diese haben sich doch längst an die überreichliche Liquidität, den fröhlichen Grundrausch gewöhnt. Der Entzug ist schmerzhaft, drückt auf die Stimmung, ja es droht bei kaltem Entzug sogar das Platzen der Blasen beim Zinsvermögen. Erinnern Sie sich noch an das Platzen am Neuen Markt und bei Immobilien. Dies könnte nur ein Vorgeschmack dessen sein, was uns dann später drohen könnte.

 

Scheuklappen auf und nicht an morgen denken

 

Ist den Notenbanken diese Gefahr bewusst? Ja, natürlich, aber warum darüber jetzt philosophieren, warum jetzt die Spaßbremse spielen? Einfach laufen lassen. Kehren wir dieses Problem zunächst doch einfach wie Dreck unter den Teppich und hoffen wir, dass niemand zu früh darunter schaut. Demnächst mehr in diesem geldpolitischen Theater!

 

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