Das Jahr 2011 neigt sich allmählich seinem Ende zu. Kürzlich saß ich mit sieben Kolleginnen und Kollegen aus der Finanzwelt sowie der Medienbranche zusammen und wir fragten uns, was wohl das Börsen-Unwort des Jahres 2011 sei. Dabei wollten wir uns allerdings nicht nur auf unsere eigenen Vorschläge fokussieren, sondern uns einer größeren statistischen Grundgesamtheit bedienen, wohl wissend, dass wir dem Anspruch von Repräsentativität nicht gerecht werden können.

Also haben wir unsere jeweiligen finanzafinen Kolleginnen und Kollegen spontan nach ihren Vorschlägen gefragt. Die Begriffe „Rettungsschirm“, „Rating“ bzw. „Rating-Agentur“, „Transferunion“, „Griechen-Rettung“, "Stresstest" oder auch „Euro-Krise“ wurden häufig genannt.

 

And the winner is „Krisengipfel“.

 

Es krisengipfelte sehr

Und in der Tat sind meine Kollegen und ich der Meinung, dass dieses Unwort symptomatisch für das politisch verkorkste Jahr 2011 steht. Man krisengipfelte zwar wie nie zuvor. Aber was kam denn schließlich außer Zeitvertreib unter dem Strich dabei heraus? Bislang waren es nur blutarme Lösungen, die die Finanzmärkte ähnlich beeindruckten wie der bellende Hund den Mond. Mit dieser politischen Führungslosigkeit hat sich nicht zuletzt auch die Reputation Eurolands in Amerika oder Asien gewandelt. Vom starken europäischen Stier spricht kaum noch jemand, im Gegenteil meine amerikanischen Freunde sprechen offen vom schüchternen Ochsen ("shy ox").

Jetzt wurde mit viel politischem Tamtam die geplante europäische Fiskalunion gefeiert, die allerdings nur die ehemaligen Maastricht-Kriterien wieder aufwärmt und etwas mehr an Sanktionsmöglichkeiten eröffnet. Es mag für deren Umsetzung sogar hilfreich sein, dass die renitenten Briten nicht mitmachen, die sich - ähnlich wie die Herren Waldorf und Statler vom Balkon der Muppet Show - als chronisch nörgelnde EU-Skeptiker zeigen. Dennoch braucht die Fiskalunion grundsätzlich viel Zeit, bis alle juristischen Hürden und wahltaktischen Geplänkel in den nationalen Parlamenten überwunden sind.

 

Die Politik denkt, die Rating-Agentur lenkt

Und hier kommt das Problem: Diese Zeit haben wir nicht mehr. Die euroländischen Staatsanleihemärkte - so viel Prognosesicherheit für das ansonsten schwer einzuschätzende Jahr 2012 gibt es bereits - werden nicht aus der Bissweite von S&P & Co. verschwinden. Die Politiker mögen denken, die Rating-Agenturen aber lenken. Diese selbst ernannten Robin Hoods der finanzpolitischen Moral im Auftrag des Sheriffs von Nottingham - wer mag das wohl sein? - kommen mir irgendwie auch als Balkonnörgler vor.

Aber kann man ihnen wirklich einen Vorwurf machen, wenn Euroland ihnen fast täglich offenen Flanken bietet. In Krisenphasen müsste man sich in Euroland eigentlich eines altrömischen Militärgrundsatzes bedienen: „Ein gemeinsamer Feind eint mehr als tausend gemeinsame Freunde". Man müsste den selbst ernannten Hütern der finanzpolitischen Moral also mit klaren Abwehrstrategien entgegentreten.

 

Wie bekommen wir Ruhe in den Karton?

Wie wollen wir also aus dieser Krisennummer wieder heraus kommen? Das Instrument des Rettungsschirms ist ein hoch kompliziertes, finanzbürokratisches Kunstgebilde, dessen Umsetzung einer Doktorarbeit würdig ist, die man jedoch leider nirgendwo abschreiben kann. Und auch die Bewältigung der Schuldenkrise mittels IWF dürfte an seinen begrenzten Ressourcen scheitern. Denn einerseits will die Fed nicht in seine Kasse einzahlen, damit dieser Europa rettet. Und die Bundesbank bekommt allein schon bei dem Gedanken, eine Staatsfinanzierung durch die Notenpresse - wenn auch indirekt via IWF - zu betreiben, Schnappatmung. Da zusätzlich beide Instrumente wie üblich zerredet werden, wird insgesamt keine nachhaltige Ruhe in die Staatsanleihemärkte von Italien & Co. kommen.

Es bleibt aber ein wirkungsvolles Instrument übrig. Die EZB würde schon aufgrund ihrer unbegrenzten Munition für ihre Liquiditätswaffe rein technisch Ruhe an die Finanzmärkte bringen. Ihre Leistung wäre es, die Zinsen der prekären Länder zu deckeln und den Anleiheinvestoren das Risiko von Schuldenschnitten wie bei Griechenland zu ersparen. Die hierbei gespielte Stabilitätsheuchelei von Politikern ist angesichts der bereits erfolgten Transformation der Europäischen Stabilitäts- in eine Transferunion nicht wirklich glaubwürdig.

 

Das schwedische Modell

Insgesamt würde den angeschlagenen Ländern geldpolitisch Zeit gekauft. Als alternativlose Gegenleistung muss eine klare Reformpolitik durchgeführt werden, die sich am Beispiel Schweden zu orientieren hat. Dieses Land stand vor über 15 Jahren kurz vor dem Finanzkollaps, ist aber über die Ochsentour eines langjährigen und schmerzlichen Reformprozess heute zum finanzpolitischen Vorzeigeland Europas geworden.

Die Erbringung dieser Gegenleistungen der Krisenländer muss der IWF überprüfen, der bereits in der Vergangenheit seine eisenharte Reformaufsicht mehrfach erfolgreich unter Beweis gestellt hat.

 

Die dreifaltige Lösung

Es ist alles andere als einfach, die Euro-Krise zu meistern. Mit dem dreifaltigen Gleichklang aus Politik, Geldpolitik und IWF ist es aber möglich.

„Schicksalsjahr“ könnte das Unwort des Börsenjahres 2012 werden. Dabei gibt es aber eine zweidimensionale, eine positive und negative Bedeutung. Ich bleibe Optimist.

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