Damit hat das früher so klare Navigationsinstrument der Fed an Zielführung verloren. Für diese Strategie ist vor allem der immer schärfere Selbstbehauptungskampf der Fed gegen ihre Politisierung durch Präsident Trump verantwortlich.
US-Konjunktur im Summertime Blues: Investitionsbereitschaft am Boden
Selbst die US-Wirtschaft kann sich der weltwirtschaftlichen Stimmungseintrübung nicht entziehen. Der nicht befriedete Handelskonflikt mit China hinterlässt Bremsspuren. So hat die US-Konjunktur mit einem BIP-Wachstum im II. Quartal von 2,1 Prozent nach 3,1 Prozent im Vorquartal deutlich zurückgeschaltet.
Die Investitionsbereitschaft der amerikanischen Unternehmen ist nahezu zum Erliegen gekommen. Und die Neuauftragslage in der US-Industrie verspricht keine schnelle Dynamisierung. Grundsätzlich scheint der US-Konjunktur trotz markanter Steuersenkungen und Infrastrukturprojekten die Kraft für die Beibehaltung einer robusten Stärke auszugehen. Vorbeugend senkt daher die Fed zum ersten Mal seit gut zehn Jahren ihren Leitzins von 2,5 auf 2,25 Prozent, um den längsten Aufschwung in der US-Geschichte zu stützen.
Insbesondere fürchtet die Fed weltwirtschaftliche Ansteckungseffekte auf die US-Binnenkonjunktur als mit Abstand wichtigste Wirtschaftsstütze. Die im Trend weniger erfreuliche Einstellungsplanung im Bereich qualitativ höherwertiger Beschäftigung betrachtet sie mit Sorge.
Um Ermüdungserscheinungen am US-Arbeitsmarkt vorzubeugen, die historisch regelmäßig mit negativen Rückkoppelungseffekten beim US-Konsum einhergehen, dient auch der vorzeitig abgebrochene Liquiditätsabzug. Hatte die Fed ab Ende 2008 ihre Liquiditätsversorgung von knapp 900 Mrd. auf in der Spitze 4,5 Bio. US-Dollar verfünffacht, wird sie sich von diesem Rekordniveau bis Ende August lediglich um gut 700 Mrd. zurückgezogen haben. De facto badet Amerika immer noch in einer zweifellos üppigen Liquiditätsausstattung, die jede konjunkturschädliche Kreditzinsverteuerung eng begrenzt.
Ebenso verschafft die seit einem Jahr im Trend voranschreitende Desinflation der amerikanischen Notenbank die stabilitätsmoralische Beinfreiheit, die Zinswende nach unten einzuleiten.
Die Fed im Unabhängigkeitskampf – Die wichtige Berechenbarkeit geht verloren
Vor diesem konjunkturellen Hintergrund und nach neun vorangegangenen Zinserhöhungen wäre die Ausrichtung auf einen nachhaltigen Zinssenkungszyklus der Fed durchaus gerechtfertigt gewesen. Eine Notenbank sollte konjunkturellem Gegenwind immer frühzeitig den Wind aus den Segeln nehmen, auch wenn die Einschätzung der wirtschaftlichen Folgeschäden des Handelskriegs schwierig ist.
Allerdings hat die Fed ein gewaltiges Glaubwürdigkeitsproblem zu bewältigen. Im Augenblick ist sie in einem Dilemma. Einerseits wird sie durch die Attacken des US-Präsidenten, der eine umfassende Zinssenkungspolitik fordert, massiv unter Stress gesetzt. Senkt sie zu schnell und zu deutlich, setzt sie sich einem ähnlichen politischen Abhängigkeitsvorwurf aus wie die türkische Notenbank.
Grundsätzlich will die Fed für Trump nicht die Kastanien aus dem Feuer holen, die er selbst hineingeworfen hat. Sie ist nicht Trumps Erfüllungsgehilfe, der für seinen Wahlkampf gerne Handelsfeindbilder aus China und Europa nutzt und entsprechende Kollateralschäden für Wirtschaft und Aktienmarkt durch die Geldpolitik abfangen lässt.
Andererseits, ist die Fed zu vorsichtig mit weiteren Zinssenkungen oder gar der Ausrufung eines lang anhaltenden Zinssenkungszyklus, setzt sie sich der Gefahr aus, nicht auf der Höhe der konjunkturellen Zeit zu sein.
Dieses Spannungsverhältnis erklärt ihren aktuellen kommunikativen Eiertanz. So ist laut US-Notenbankpräsident Powell zinssenkungstechnisch die Tür grundsätzlich weit offen. Es ist aber auch möglich, dass sie wieder geschlossen wird.
Damit jedoch gibt die Fed den Finanzmärkten Rätsel auf und lädt förmlich zu Gerüchten und Theorien ein. Es droht ein Verlust an Berechenbarkeit, mit der die Fed als bedeutendste Notenbank der Welt auch große Krisen bewältigt hat.
Dennoch, im (handelspolitischen) Ernstfall wird die Fed mit weiteren Zinsreduktionen nicht zögern. Immerhin ist laut New York Fed die Wahrscheinlichkeit für eine amerikanische Rezession für die nächsten zwölf Monate auf über 30 Prozent und insofern auf ein bedenkliches Niveau angestiegen.
Erste Präsidentenpflicht wäre es, die Fed einfach ihren Job machen zu lassen.
Insgesamt rechnen die Finanzmärkte auf der kommenden Fed-Sitzung am 18. September mit einer weiteren Zinssenkung um 0,25 Prozentpunkte. Anschließend preisen sie weitere Zinsnachlässe bis Anfang 2020 auf mindestens 1,75 Prozent und zwei weitere auf 1,25 bis Anfang 2021 ein.
Marktstimmung - Mit Geld-Antibiotikum gegen Politik- und Fundamentalbakterien: Gefahr eines No-Deal-Brexit steigt & sino-amerikanische Einigung in weite Ferne gerückt
Der neue britische Premierminister Boris Johnson hat mit dem Austritts-Poker in der Hoffnung begonnen, dass die EU einen No Deal-Brexit scheut. Dazu stößt er u.a. die größte (Des-)Informationskampagne seit dem Zweiten Weltkrieg an, um die Briten auf einen No Deal-Brexit einzustimmen. Die Nervosität der Anleger kommt in einem Einbruch des britischen Pfunds gegenüber Euro auf das niedrigste Niveau seit Herbst 2017 zum Ausdruck.
Da die EU-Nachverhandlungen außerhalb politischer Kosmetik weiter ablehnt und Großbritannien bei einem No Deal auf einen Schlag hohe Zölle für EU-Exporte zahlen müsste, an der Kanalküste ein Logistikchaos ausbräche und die EU alle Briten freundlichen Übergangshilfen jederzeit einseitig aufkündigen könnte, steht Johnson wirtschaftlich vor der Klippe. Und auf ein laut Trump phantastisches angelsächsisches Handelsabkommen sollte er nicht bauen. Das Schicksal der Briten ist Trump herzlich gleichgültig. Er will einen No Deal-Brexit allein, um Gesamt-Europa zu schaden. Unabhängig von der Meinung des britischen Parlaments, das keinen No Deal-Brexit wünscht, ist die Gefahr dafür größer geworden.
Fundamental für Aktien entscheidend ist jedoch, wie sich der Handelskrieg zwischen Amerika und China weiterentwickelt. Da China seine Zusage, mehr US-Agrarprodukte zu kaufen, nicht eingehalten hat, haben die USA die erst kürzlich wiederaufgenommenen Handelsgespräche bereits nach einem halben Tag beendet. Gleichzeitig kündigte Trump Abgaben auch auf alle bisher noch nicht verzollten chinesischen Exporte in die USA ab 1. September im Volumen von 300 Mrd. US-Dollar mit zunächst zehn Prozent an. Diese könnten laut Trump sogar schrittweise auf mehr als 25 Prozent steigen. Über zollbedingt verteuerte Importgüter im Bereich Consumer Electronics erweist Trump seinem eigenen amerikanischen Binnenkonsum jedoch einen Bärendienst.
Abzuwarten bleibt, ob die von Trump befürworteten weiteren Handelsgespräche stattfinden, falls China mit Vergeltungszöllen reagiert. Ein schneller Abschluss eines Handels-Deals und damit die nachhaltige fundamentale Stimulierung von Weltkonjunktur und Aktienmärkten ist in weite Ferne gerückt. Auf der mittlerweile erreichten Eskalationsstufe behindert auch die Psychologie eine Lösung. Gesichtswahrende Kompromiss zu finden, wird schwieriger.
Tatsächlich bleibt die konjunkturlähmende politische Unsicherheit gemäß Global Economic Policy Uncertainty Index auf einem Allzeithoch. Fundamental fehlt damit dem Aktienmarkt Fleisch am Knochen.
Jedoch wirkt die weltweit noch taubenhaftere Geldpolitik der fundamental schlechten Aktienlaune entgegen: Die Schwankungsintensität am deutschen Aktienmarkt hält sich insgesamt bedeckt.
Da die Fed ihren Liquiditätsabzug vorzeitig beenden wird, die EZB ihre Druckbetankung nach kurzer Unterbrechung wieder startet und ein Ende der Liquiditätsschwemme der Bank of Japan - sie hat ihren Konjunkturausblick zuletzt sogar gesenkt - reine Utopie ist, bleibt das geldpolitische Sicherheitsnetz für die Aktienmärkte engmaschig gespannt.
Charttechnik DAX - Konsolidierung ja, Korrektur nein!
Charttechnisch trifft der DAX bei fortgesetzter Konsolidierung bei 11.988 Punkten auf erste Unterstützung. Darunter liegt eine weitere Haltelinie bei 11.926. Wird diese unterschritten, rückt die Marke bei 11.621 in den Fokus. Auf der Oberseite liegen erste Widerstände bei 12.189, 12.324 und 12.408. Werden sie durchbrochen, nimmt der Index Kurs auf die Barrieren bei 12.597 und schließlich 12.632 Punkten.
Der Wochenausblick für die KW 32 – Sommerloch & das Ende der deutschen Blütephase
In China zeigt sich der von der Finanznachrichtenagentur Caixin veröffentlichte Einkaufsmanagerindex für den Dienstleistungssektor zwar stabil. Schrumpfende Im- und Exporte unterstreichen jedoch den zunehmenden industriellen Abwärtsdruck der chinesischen Wirtschaft.
In den USA signalisiert immerhin ein stabiler ISM Index für das Dienstleistungsgewerbe wirtschaftliche Stabilität.
In der Eurozone bleibt das vom Finanzdatenanbieter Sentix ermittelte Investorenvertrauen angeschlagen. Ursächlich hierfür ist u.a. Deutschland, dessen wirtschaftliche Blütephase zu Ende geht.
Rechtliche Hinweise / Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenkonflikten der Baader Bank AG: http://www.bondboard.de/main/pages/index/p/128
Kommentare
"Sehr geehrter Herr Zuckerberg,
Ihr Unternehmen hat große Schlagzeilen gemacht, als es ankündigte, 2020 eine Kryptowährung namens Libra auf den Markt zu bringen. Es überrascht nicht, dass das Projekt angesichts der aktuellen Umstände mit heftiger Ablehnung und Misstrauen aufgenommen wird. Nur nicht den Mut verlieren. In gewisser Hinsicht ist die Idee alt, dass ein Unternehmen sein eigenes Geld erschafft. Die Vielfliegermeilen der Fluggesellschaften sind eine Art Geld, das Kunden verdienen und mit dem sie Reisen und verschiedene andere Dinge kaufen können. Kreditkartenfirmen, Hotels und zahlreiche Einzelhändler bieten alle Arten von Treueprogrammen an, bei denen Kunden Punkte sammeln und damit allerlei Annehmlichkeiten kaufen können.
Aber wenn Sie Ihr Blatt mit Libra richtig spielen, können Sie für das Geld- und Finanzwesen das sein, was Henry Ford für die Autowirtschaft war. Ihre neue Währung könnte ihren Platz neben der Einführung von Münzen und Papiergeld vor vielen Jahrhunderten einnehmen. Es kann den US-Dollar als weltweite Leitwährung ersetzen.
In einem entscheidenden Bereich sind Sie praktisch allen anderen Kryptowährungen bereits Lichtjahre voraus: Sie erkennen die grundlegende Bedeutung einer wertstabilen Währung. Geld misst Wert, wie eine Waage das Gewicht oder eine Uhr die Zeit misst. Die meisten Kryptowährungen – deren Wert von einem Moment zum anderen stark schwanken – eignen sich hervorragend als Spekulationsobjekt, sind aber als echtes Geld nutzlos. Niemand, der bei Verstand ist, wird einen in Bitcoin dotierten Vertrag mit einer längern Vertragszeit als 24 Stunden aufsetzen. Kryptowährungen sind an einem Tag ‚Steak‘ und am nächsten Tag ‚Hundefutter‘. Wenn man jedoch eine wirklich stabile Kryptowährung erfindet, die tatsächlich für alltägliche Transaktionen sowie für längerfristige Verträge und Anlageinstrumente verwendet werden kann, hat man das große Los gezogen.
Hier sind ein paar wichtige Ratschläge, um den Libra zu einer der bahnbrechenden Schöpfungen der Menschheitsgeschichte zu machen:
Machen Sie Libra so gut wie Gold. Wenn Sie Ihr neues Geld – wie Sie es vorhaben – mit einem Währungskorb besichern, wird dies nicht funktionieren. Im heutigen Währungssystem springen die Werte einer Währung auf und ab, sodass Sie nicht die Stabilität erhalten, die Sie benötigen.
Länder, die eine globale Vormachtstellung eingenommen haben – Holland, gefolgt von Großbritannien (Isaac Newton als Direktor der Royal Mint setze ein Verhältnis zwischen Pfund und Gold fest, das für über 200 Jahre Bestand hatte) und den USA (dank Alexander Hamilton) – alle hatten ihre Währungen an Gold gebunden.
Aus einer Vielzahl von Gründen behält Gold seinen inneren Wert besser als alles andere. Es ist wie ein Messstab. Es schränkt die Geldmenge nicht mehr ein, als die 100 cm in einem Meter die Höhe eines Gebäudes einschränken, das jemand errichten möchte. Es bedeutet lediglich, dass Libra das haben wird, was keine andere Währung gegenwärtig hat: einen festen Wert. Und diese Festsetzung wird Libra nach und nach zum begehrtesten Tauschmittel auf der ganzen Welt machen. Die Menschen dürsten nach vertrauenswürdigem Geld.
Ihre Berater werden, wie die meisten heutigen Ökonomen, lautstark Einwände gegen das gelbe Metall erheben, da sie durch Ignoranz und unzählige Mythen und Aberglauben belastet sind. Diese weit verbreitete Skepsis wird tatsächlich von Vorteil sein, da sie gut kapitalisierte Nachahmer fernhält.
Lesen Sie ein beliebiges Buch des Historikers und Ökonomen Nathan Lewis, um eine genaue Einschätzung der Funktionsweise eines Goldstandards zu erhalten. Sie können auch zu dem Buch Money greifen, das ich mitverfasst habe, oder sich den Dokumentarfilm In Money We Trust ansehen, den ich vor kurzem half, für das Fernsehen zu produzieren.
Der Libra wird durch die Förderung langfristiger Investitionen ein unglaublich wirksames Instrument für den Wohlstand sein. Ohne Kapital produktiv einzusetzen, bleiben wir auf der Stelle stehen. Aus diesem Grund sollten Sie das politische Geschrei ignorieren, Libra nicht voranzutreiben. Wenn jeder große Durchbruch einer politischen Abnahme bedurft hätte, wären Pferde immer noch unser wichtigstes Verkehrsmittel. Sie sollten zusehen, dass Libra so schnell wie möglich eine kritische Masse an Benutzern erreicht – wie es Uber und Lyft mit ihren Fahrern getan haben –, um zu verhindern, dass Politiker Ihre Erfindung auf den Prüfstand stellen.
Übrigens können Sie auch in Betracht ziehen, den Namen Libra zu ändern. „Libra“ war ein Gewichtsmaß im Römischen Reich, und wir wissen, wie es mit dem Römischen Reich geendet hat. Seien Sie nicht schüchtern. Nennen Sie es „Mark“ [im Englischen hat „mark“ die Bedeutung Zeichen; Anm.d.Ü]. Deutschland hat seine Mark – die es seit seiner Gründung nach dem Zweiten Weltkrieg verwendet hat – vor 20 Jahren für den Euro fallen lassen, daher ist der Name wieder frei.
Ein goldgedeckter Mark wäre ein alles verändernder Schachzug in der Geldgeschichte. Er würden Bitcoin verdrängen und ein enthusiastisches „Gefällt mir“ von Milliarden von Unternehmen und Menschen erzeugen. Jetzt und für immer.
Mit freundlichen Grüßen
Steve Forbes"
Die für diesen Artikel verantwortlichen Baader-Banker sollten sich zu diesem Thema näher informieren. Mal was von "Die Kreatur von Jekyll Island" gehört?