Fed-Chef Powell hat auf seiner halbjährlichen Anhörung vor dem Bankenausschuss des US-Senats deutlich falkenhaftere Töne angeschlagen. Der - wenn auch nur leichte - Anstieg der US-Inflation zu Jahresbeginn zeigt, dass der Prozess der Desinflation kein Spaziergang im Park wird, sondern eher ein Lauf durch schwieriges Terrain ist.
Da die Fed vor allem dem Arbeitsmarkt eine hohe Bedeutung als Inflationsindikator beimisst, sind ihr seine Steherqualitäten ein Dorn im Auge. Noch immer befinden sich die Stellenausschreibungen auf hohem Niveau, wenngleich sie ihren Höhepunkt überschritten haben. Und die Anzahl der Arbeitslosen bewegt sich weiter auf Minimal-Niveau.
Daher betonte Fed-Chef Powell sogar die Bereitschaft, das zuletzt auf 0,25 Prozentpunkte gedrosselte Zinserhöhungstempo wieder zu erhöhen. Eine endgültige Entscheidung sei zwar noch nicht getroffen. Man agiere datenabhängig und entscheide auf jedem Treffen der Fed neu. Insofern richtet sich der Fokus auf die zukünftigen Arbeitsmarkt- und Inflationsberichte, die nach „Ausrutschern“ im Januar endlich einen eindeutigen Beruhigungstrend anzeigen sollen.
Grundsätzlich deutet Powell an, dass der Zinsgipfel höher ausfallen dürfte als die bislang von der Fed ins Auge gefassten 5,25 Prozent. Aktuell preisen die Finanzmärkte den Zinsgipfel bei rund 5,5 Prozent ein und damit 25 Basispunkte höher als vorher. Damit sind im Jahresverlauf weitere Zinsanhebungen um insgesamt 0,75 Prozentpunkte möglich. Anschließend dürften die US-Leitzinsen bis Jahresende 2023 auf diesem Niveau verharren. Für 2024 und 2025 rechnen die Finanzmärkte dann allerdings mit Zinssenkungen um jeweils 1,5 bzw. 1,25 Prozentpunkte.
Dem restriktiveren Kurs der Fed stehen allerdings die Risiken für eine „harte Landung“ der Wirtschaft entgegen. Dabei geht es zunächst um den schmerzhaften Anstieg der Kreditzinsen für Unternehmen und Private. Doch es kommen heftig gesunkene Zinsmargen der Banken hinzu. Die Zinsstrukturkurve ist so invers wie zuletzt 1981 und entschädigt damit immer weniger für Kreditausfallrisiken.
Darauf reagieren die Banken laut einer von der Fed durchgeführten Umfrage mit spürbar verschärften Kreditvergabestandards.
Dies alles führt unbestritten zu Bremseffekte auf eine extrem kreditlastige US-Wirtschaft.
Vor diesem Hintergrund wäre es gefährlich, wenn die Fed ihre restriktive Geldpolitik erst dann beendet, wenn die Inflation deutlich einknickt. Denn die Kombination aus schnellen und wuchtigen Zinsanhebungen bei gleichzeitiger Liquiditätsverknappung (Quantitative Tightening) kommt in der Wirtschaft und auf dem Arbeitsmarkt erst mit Zeitverzug an. Zu diesem Zeitpunkt wäre das Konjunktur-Kind längst in den Rezessions-Brunnen gefallen.
Die Kollateralschäden einer konsequenten Inflationsbekämpfung
Längst sind erste Risse im US-Banksektor zu beobachten. Vor allem kleinere und mittelgroße US-Banken mit eher riskanten Kreditbüchern, die sich in den Boom-Zeiten der ultralockeren Geldpolitik in riskanten Finanzierungen im Tech- und Kryptobereich ausgetobt haben, geraten in Bedrängnis.
Bestes Beispiel ist aktuell die SVB Financial Group mit ihrer Tochter Silicon Valley Bank. Dort sorgen befürchtete Kreditabschreibungen für einen reflexartigen Einlagen-Abzug von Kunden. Zur Liquiditätssicherung muss die Silicon Valley Bank Anleihen aus ihren Beständen verkaufen, was auch aufgrund geldpolitisch gestresster Anleihemärkte nur mit herben Verlusten möglich ist.
Das setzt einen Teufelskreis in Gang. Zunächst brechen die Kurse anderer Finanzunternehmen ein, die auch mit ungebremster Kreditvergabe in Verbindung gebracht werden. Tatsächlich ist die Angst groß, dass die Silicon Valley Bank nur die Spitze des Eisbergs ist. Doch findet ebenso weltweit Sippenhaft statt. Auch europäische Banken werden misstrauisch beäugt. Diese Entwicklung erinnert fatal an 2008, als die Schieflage der Lehman-Bank, die definitiv kein big player an Wall Street war, fast den Systemcrash der Finanz-Welt einleitete.
So schlagen zwei Seelen in der Brust der Fed. Sie ist gezwungen, über den Tellerrand der Preisstabilität zu schauen. Die aktuelle Schieflage von der SVB zu einem Vertrauensverlust gegenüber dem gesamten Bankensystem auswachsen zu lassen, der schließlich die Realwirtschaft torpediert und eine massive Finanzkrise heraufbeschwört, kann die bedeutendste Notenbank der Welt nicht riskieren. Trotz aller falkenhaften Rhetorik kommt die Fed aus ihrer Rolle des Kümmerers nicht heraus. An der Realität kommt man nicht vorbei.
Die EZB will theoretisch Bundesbank sein, kann es praktisch aber nicht
Während in den USA die Kerninflation zwar langsam, aber einigermaßen stetig rückläufig ist, zeigt der Trend in der Eurozone - zuletzt 5,3 nach 5,2 Prozent - weiterhin keine Trendumkehr. So hat die EZB noch weniger Spielraum für ein Ende ihrer Zinsrestriktionen. Verbal klare Signale hierfür liefert EZB-Chefin Christine Lagarde, die zuletzt besonders falkenhaft bekräftigte, alles zu tun „was nötig ist, um die Inflation auf zwei Prozent zurückzubringen".
Tatsächlich rechnen die Terminmärkte mit weiteren Zinserhöhungen in diesem Jahr um insgesamt 1,5 Prozentpunkte. Nachdem sich die EZB bereits auf eine Zinserhöhung um 0,5 Prozentpunkte in der kommenden Woche festgelegt hat, dürfte eine weitere Anhebung gleicher Höhe im Mai folgen. Danach preisen die Märkte eine Drosselung des Zinserhöhungstempos auf 0,25 Prozentpunkte jeweils im Juni und Juli ein - mit anschließendem Ende des Zinserhöhungszyklus bei einem finalen Leitzins von dann 4,5 Prozent.
Grundsätzlich sieht sich die EZB jedoch einer gewaltigen Problemfront gegenüber. Europa hat mit Wachstumssorgen, Innovations- und Investitionsstau, internen Abstimmungsproblemen und einem Verlust an internationaler Geltungsmacht zu tun. Erschwerend kommt eine planwirtschaftliche Wirtschaftspolitik hinzu, die glaubt, mit Verboten die Welt retten zu können. Dringend notwendig ist es aber, mit marktwirtschaftlichen Anreizen zu arbeiten, die nicht zuletzt den Wirtschaftsstandort aufwerten. Tatsächlich ist Deutschland bei ausländischen Fachkräften nicht erste Wahl. Zukunft findet für sie eher in den USA statt, zumal sie dort mehr verdienen, weniger Steuern zahlen und eine Wohnung finden.
Vor diesem Hintergrund wird die EZB in die Rolle des Rettungsankers Europas gedrängt. So wird sie als Ausgleich für die restriktive Zinspolitik ihre laxe Haltung in der Liquiditätsfrage fortsetzen. Ohnehin hält sie mit ihrem „Transmission Protection Instrument“ (TPI) ein kraftvolles Werkzeug in der Hinterhand, um drohende Zinsschocks für stark verschuldete Euro-Staaten zu verhindern. Diese geldpolitische Absolution erklärt die im Trend unverdächtigen Risikoaufschläge von Staatsanleihen aus Italien & Co. zu deutschen.
Insgesamt ist der EZB keine Inflationsbekämpfungspolitik möglich, die den Namen verdient.
Immerhin, im nach der Finanzkrise kaputtregulierten europäischen Bankensektor wecken Zinsanhebungen auch des Einlagenzinses - aktuell 2,5 Prozent - wieder Lebensgeister. Das Brot und Butter-Geschäft ist wieder da und die in den vergangenen Jahren eingeführten Gebührenerhöhungen bleiben offensichtlich erhalten. An den Börsen schlägt sich das in einer klaren Outperformance des Bankensektors der Eurozone gegenüber dem Gesamtmarkt nieder.
Marktlage - Auf zittrigen Beinen
Chinas Wirtschafts-Comeback nimmt angesichts abklingender Corona-Infektionen zwar Gestalt an. Flankiert von zuversichtlichen Dienstleistern zeigt sich die Stimmung gemäß offiziellen Einkaufsmanagerindices vor allem in der Industrie so optimistisch wie zuletzt im Frühjahr 2012.
Dennoch fällt das auf dem jährlichen Nationalen Volkskongress der KP selbstverordnete Wachstumsziel für die Wirtschaft mit „um die fünf Prozent“ trotz coronaler Nachholeffekte und verstärkten Kredithilfen für Unternehmen bescheiden aus.
Vor allem der Immobiliensektor bleibt eine Wachstumsbremse. Zudem betreibt die KP keinen wirtschaftlichen Vertrauensaufbau bei internationalen Investoren. Nach dem „Tech-Crackdown“ übt sie jetzt ebenso repressive Kontrolle auf den Finanzsektor aus, die Top-Banker über einen „Banken-Crackdown“ ähnlich „kaltstellt“ wie zuvor zum Beispiel Alibaba-Gründer Jack Ma.
Größter Hemmer für Entwicklung und Wachstum sind jedoch die US-Lieferverbote und -beschränkungen für Halbleiter sowie entsprechende Produktionsanlagen. Und der Technologie-Streit mit China ¬- siehe weitere Einschränkungen für Huawei - findet zunehmend auch in Europa statt.
Aufgrund der Bedeutung Chinas bleibt die weltkonjunkturelle Situation also zunächst fragil. Die vom Finanzdatenanbieter Sentix ermittelten Konjunkturerwartungen zeigen einen Dämpfer über alle Regionen hinweg. Für ein vollumfängliches weltkonjunkturelles Frühlingserwachen ist es noch zu früh. Zumindest werden somit auch aktienschädliche Inflations- und Zinsängste begrenzt.
Eine willkommene Sorgenpause bietet die bevorstehende Dividendensaison. Insgesamt dürften die im DAX gelisteten Unternehmen ihre Ausschüttungssumme kräftig anheben, sodass gut acht Prozent mehr und mit 54,5 Mrd. Euro ein neuer Rekord an Dividenden zur Auszahlung kommt. Damit bietet der DAX eine durchschnittliche Dividendenrendite von 3,6 Prozent. Bei deutschen Einzelaktien lassen sich sogar Dividendenrenditen von bis zu rund acht Prozent erzielen.
Mit 3,4 Prozent und bei einem reinen Dividendenindex mit 3,6 Prozent sind sie in der Eurozone ähnlich hoch wie im DAX. Auch haben dividendenstarke Aktien eine kursstabilisierende Wirkung.
Sentiment und Charttechnik DAX - Zunächst abwärts
An Wall Street dominieren gemäß Umfrage der American Association of Individual Investors mittlerweile die Pessimisten. Das ist durchaus als Kontraindikator gegen markante Rücksetzer an den US-Börsen zu interpretieren. Bis Klarheit über das Ausmaß weiterer Zinsrestriktionen herrscht, sind Aktien grundsätzlich anfällig für Kursschwankungen.
Jedoch wird die Marktstruktur mit jedem Rücksetzer robuster, da Anleger die Gelegenheit für günstige Zukäufe nutzen. Überhaupt sind insbesondere deutsche Topmanager so optimistisch wie seit Sommer 2022 nicht mehr. Dass entsprechende „Insiderkäufe“ über unterschiedliche Branchen hinweg stattfinden und zuletzt kaum -Verkäufe stattfanden, unterstreicht die insgesamt stabile Stimmung.
Charttechnisch bieten auf dem Weg nach unten die Marken bei 15.395, 15.375, 15.360, 15.330 und 15.270 Punkten Halt. Kommt es zu einer Gegenbewegung nach oben, liegen Widerstände bei 15.480, 15.525, 15.535 und 15.660 Punkten.
Rechtliche Hinweise / Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenkonflikten der Baader Bank AG: www.roberthalver.de/Newsletter-Disclaimer-725
Kommentare
Die FED hat mehr Spielraum, weil der Dollar halt immer noch, Betonung liegt auf noch, Weltleitwährung ist. Die gigantische US-Verschuldung und der internationale Vertrauensverlust dank defakto Raub von russischen Vermögen setzt dem Hegemon immer mehr zu.
China hat mit Sicherheit auch Probleme, siehe Immobilienblase, das hat der gesamte Westen, vorrangig die USA, aber auch.
Und mit den Halbleitern ist das so eine Sache. Zumindest die Sanktionen gegen Russland sind bisher ins Leere gelaufen. Woher haben die denn die Halbleiter?
China stärkte sich indirekt über gnadenlose Lockdowns, welche eine weltweite Lieferkettenproblematik auslösten.
Unzählige Staaten erfreuen sich an billigen Rohstoffen, welche dann doch wieder an den europäischen Westen verhökert werden können, der sich selbst schlicht nur höhere Preise damit verordnet hat.
Die EZB verfolgt mantraartig ihr "Whatever It Takes", flutet mit Geld, das in erster Instanz nur die Vermögenswerte von Reichen weiter aufschichtet, in zweiter Instanz (Corona) endlich eine Inflation lostritt. Danach schafft sie den Spagat zwischen Zinserhöhung und gleichzeitiger Staatenfinanzierung mit dem Trick eines TPI. Wozu Eurobonds? Es geht auch mit Jonglieren von kurz- u. langlaufenden Bonds bis hin zum Tausch von deutschen gegen italienische Anleihen. Glaubwürdigkeit? Für wen?
In allen globalen Teilinstanzen türmt sich zunehmend der Wahnsinn auf, der völlig unbeherrschbare Zukunftsvisionen im Gepäck hat und alle beteuern fachmännisch, dass alles unter Kontrolle gehalten werde.
Die FED tut sich da noch einfach, vor allem weil sie immer einen Schritt voraus ist und so auch weniger Rechtfertigungszwang hat (also typisch amerikanisch eben). Das heißt nicht, dass sie mehr Plan hat, nur das sie doppelten Riesenvorteil hat, sich um keine Zinsdifferenzen ihrer Staaten den Kopf zerbrechen zu müssen und im Genuss der Weltleitwährung zu agieren.
Patriotisch agierend, plötzlich wieder zum Wohle der Inflationsbekämpfung und besorgten Auges über den Arbeitsmarkt... ist halt doof für alle in USD verschuldeten Länder, aber doch nicht schlecht für Investoren, welche die sichere Seite des Siegers kaufen.
Unterm Strich wissen trotzdem alle nicht genau, was sie tun (sollen). Das wissen jedoch vermutlich andere "Instanzen" sehr viel besser, wie man in bewegten Zeiten wie Krieg und Frieden, Bären- und Bullenmärkten mit Hilfe einer "hybriden Markttechnik" Gewinne erziehlen kann, die sie letztlich dafür zertifizieren, obigen Instanzen und ganzen Regierungen als Berater zur Verfügung zu stehen.
Ein Schelm, wer hier eine Hydra assoziiert...
Und jetzt unterlegen wir das ganze noch mit einer EU-Politik, die völlig losgelöst mit erhobenen Zeigefingern ihre Mitglieder maßregelt, kontraproduktive Ideen verfolgt und damit beschäftigt ist, woher sie das Geld für sich und all die Fenster herbekommt, zu denen sie es weiter rauswerfen kann...
Wettbewerbsbremsende Erlasse und steigende Abgaben... willkommen in einer neuen mittelalterlichen Knechtschaft. Ich erwarte demnächst ein Verbot von Heizlüftern mit einer Leistung von mehr als 1KW!