Es gibt zwei Gründe Aktien zu besitzen: Entweder erwartet man sich eine Wertsteigerung der Aktien oder Dividenden - oder beides.

Nichts von beidem wird passieren, solange die Firma nicht floriert oder zumindest die klare Aussicht auf zukünftigen Erfolg hat. Finanzberichte sind wichtig, weil sie uns Aussage darüber geben, ob dies der Fall ist.

Aber sie sind noch wegen eines tiefer liegenden Grundes wichtig. Der Marktwert einer Firma ist quasi der gegenwärtige Wert der zu erwartenden Profite. Kleine numerische Veränderungen an diesen „zu erwartenden“Profiten können ein Art Domino-Effekt zur Folge haben.

Führungskräfte von öffentlichen Unternehmen wissen das und sind darum bemüht, ihre Firma in gutem Licht darzustellen. Analysten sollen wiederum diese Vorgehensweisen durchleuchten und die Wahrheiten dahinter ans Licht zu bringen. Sie erstellen Vorab-Berichte über Firmen und wir sehen dann vierteljährlich, ob die Voraussagen zugetroffen haben.

Dieses harmlos wirkende Vorgehen hat sich auf merkwürdige Art und Weise zu einem riesigen Hütchenspiel entwickelt.

Wie lässt sich Misserfolg in einen „Wir haben die Erwartungen übertroffen“-Erfolg verwandeln?

Der Wall Street ist es egal, ob ein Firmenbericht gut oder schlecht ist. Es ist nur von Bedeutung, ob die Ergebnisse mit den Analysen und Voraussagen übereinstimmen, diese übertreffen oder hinterher hinken.

Ein Unternehmen „gewinnt“ das Spiel und damit höhere Aktienwerte, wenn es unerwartet gute Zahlen liefert. Dies hat die Heraufbeschwörung verschiedenster Perversitäten zur Folge.

Man sieht dieses Problem immer dann, wenn Analysten, nach der Vorgabe der Unternehmen, ihre Voraussagen nach unten korrigieren, sobald sich der Termin für den Quartalsbericht nähert.

Michael Lebowitz von „720 Global“ veröffentlichte vergangene Woche eine große Grafik, auf der dieses Phänomen dargestellt ist. Sie stellt Durchschnittswerte der 17 Quartale zwischen dem 2. Quartal 2012 und dem 2. Quartal 2016 dar:

Profit-Voraussagen die für einen Zeitraum von einem Jahr gemacht werden, sind üblicherweise deutlich zu optimistisch. Innerhalb der zwölf Monate fallen die Zahlen kontinuierlich bis zu einem Punkt etwas über den final festgestellten, realen Zahlen.

Voilá: Ein krasser Misserfolg in Bezug auf die Jahresprognose verwandelt sich in einen „Wir haben die Erwartungen übertroffen“-Erfolg.

Dass dies Gang und Gäbe ist, zeigt Lebowitz in seiner Grafik genau dieser 17 Quartale.

So erklärt Lebowitz seine Grafik:

Die schwarze Linie zeigt das zu erwartende Gewinnwachstum für ein Jahr voraus. Die grüne Linie zeigt, dass sechs Monate später in jedem der Fälle das zu erwartende Wachstum nach unten korrigiert wurde. Zu erwartende Gewinne werden in der Folge noch weiter nach unten korrigiert, wie die rote Linie veranschaulicht, die den Stand drei Monate vor Veröffentlichung anzeigt. Die gelbe Linie zeigt die Erwartungen des Quartals, in dem der Bericht bevorsteht. Wie man in jedem der Fälle sieht, sind die Gewinnerwartungen immer genau ein Jahr zuvor an ihrem Höhepunkt und in dem Quartal, in dem der Bericht erstellt wird, am niedrigsten. Kaum ein Zufall, vermutet man.

Es ist wie in der Politik

In der Tat ist dieses Muster kaum ein Zufall. Es gleicht einer Art von Manipulation von Fakten, die von den Ausführenden als politische Nachricht, betrieben wird.

Am Anfang verspricht man den Menschen, wie wundervoll die Zukunft wird, weil einem ja auch niemand das Gegenteil beweisen kann. Wenn dann die Realität näher kommt, und die Chancen, dass man wie ein Trottel dasteht, steigen, wird man auf einmal vorsichtiger.

Am Ende wird dann absichtlich jede Euphorie gedämpft, so dass die Wähler (oder Investoren) eine freudige Überraschung erhalten.

Unerwartet schlechte Nachrichten sind das absolut schlimmste für sowohl Washington als auch die Wall Street, also versuchen beide solche in jedem Fall zu verhindern - indem sie bewusst Informationen streuen, von denen sie wissen (oder wissen sollten), dass sie nicht stimmen.

Gewinn-Manipulationen führen zu gefährlich optimistischen Tendenzen

Das Nettoergebnis solcher Gewinn-Voraussagen ist ein Aktienmarkt, der von einem Last-minute-Denken und einem Hang zu Optimismus geprägt ist.

Die rosigen Aussichten zu Beginn, überzeugen Investoren in Aktien zu investieren. Die beschriebenen Korrekturen am Ende führen dazu, dass Investoren nicht verkaufen - obwohl die Ergebnisse nicht einmal annähernd die ursprünglichen Vorhersagen erreichen.

Dann werden die einzelnen Vorhersagen zu Sektor- und Marktvorhersagen zusammengefasst, mit dem Ziel Firmenstrategen davon zu überzeugen ihr Aktienkontingent aufzustocken, anstatt in andere Vermögenswerte zu investieren.

Die Manipulation hat Auswirkungen. Mark Hulbert, der für „MarketWatch“ schreibt, hat folgende Grafik und dazu eine Geschichte:

Behalten sie die Prozentzahl der Unternehmen, die kürzlich ihre Quartalszahlen veröffentlicht und die Erwartungen der Wall Street übertroffen haben. Von den 500 S&P-Unternehmen, die gerade ihre Quartalsgewinne veröffentlicht haben, haben beispielsweise 76,1% die Vorhersage der Analysten übertroffen - nur 16,8% haben sie verfehlt.

Diese Ergebnisse sind kein Zufall. In den letzten 16 Quartalen haben, Standard & Poor’s-Daten nach, über zwei Drittel der S&P-Unternehmen die Gewinnerwartungen übertroffen. In keinem einzigen Quartal lag die Quote der Unternehmen, die über den Erwartungen liegen, unter 63%.

Anders gesagt: Übertreffen der Erwartungen ist mittlerweile in der Regel zu erwarten.

Eine Gewinn-Erholung im Jahre 2017 ist Unsinn

Ich denke nicht, dass dieses Phänomen das Ergebnis von einer ruchlosen Verschwörung ist, aber es könnte zumindest sein. Es sind die Fehler von beiden, den Unternehmensführungen und den alles wollenden Analysten, die diese Anreize im Voraus bedienen.

Es funktioniert immer… bis es auf einmal nicht mehr funktioniert - und ich habe das Gefühl wir nähern uns wieder dem Zeitpunkt, an dem es nicht mehr funktioniert.

Im Gegensatz zu den weitgehend ahnungslosen Analysten, scheinen Investoren das Spiel mit den Erwartungen zu durchschauen. Sie haben beispielsweise aufgehört, sich über die Maßen darüber zu freuen, wenn die Erwartungen übertroffen werden.

Gleichzeitig bestrafen sie jene Unternehmen hart, die jene niedrigen Mindesthürden nicht schaffen, welche die Folgen des Spiels mit den Erwartungen sind.

Im Endeffekt: Wenn sie mit dem Gedanken spielen, auf Basis der Gewinnerholung im Jahre 2017, ernsthaft an der US-Börse aktiv zu werden, kann ich ihnen nur alles Gute wünschen. Ich denke, sie werden es benötigen.

Im Gegensatz zur gängigen Meinung, sind es nicht gierige Wall-Street-Broker, die die US-Ökonomie herunterwirtschaften, sondern die akademische politische Klasse, wie jene die bei der US-Zentralbank angestellt sind. Und die haben allesamt beste Absichten…



Dieser Beitrag wurde mit freundlicher Genehmigung von http://www.valuewalk.com für Cashkurs übersetzt. Den Originalbeitrag finden Sie in englischer Sprache unter

www.valuewalk.com/2016/11/earning-reports-shell-game

Beitrag senden

Drucken mit Kommentaren?



href="javascript:print();"