Der skeptische Konjunkturausblick vieler Anleger auf das Schicksalsjahr 2012 hat sich bis dato nicht bewahrheitet. Die Weltkonjunktur zeigt sich insgesamt von ihrer stabilen Seite, auch wenn sich ihre Wachstumsrate im Vergleich zum Vorjahr verflacht.
 
Trotz vieler Unkenrufe setzt sich die wirtschaftliche Erholung in den Schwellenländern fort. Dies verdeutlicht der Blick auf die Einkaufsmanagerindices von China und Brasilien, die komfortabel Expansion anzeigen. Übrigens, was ist so schlimm daran, wenn das chinesische Wirtschaftswachstum am Ende des Jahres tatsächlich wie von der Regierung prognostiziert „nur“ 7,5 Prozent beträgt. Denn zum Einen ist das immer noch eine für China hinreichende Wachstumsrate. Zum Anderen umgeht man mit diesem vergleichsweise schwächeren Wachstum ein Heißlaufen der Konjunktur. Diese hätte nämlich für die Weltkonjunktur weit gravierendere Konsequenzen als ein Soft Landing chinesischer Machart.
 
Und über die Nachfrage nach Industrie-Know How zur Stärkung der heimischen Industrie und ihrer Infrastruktur sowie über eine stetig wachsende und konsumierende Mittelschicht, die gemäß historischem Muster in anderen, sich entwickelnden Staaten auch für eine zunehmende Importnachfrage sorgt, kommt das Schwellenländerwachstum nicht zuletzt der westlichen Welt definitiv zugute. Dies unterstreicht auch die Neuauftragskomponente des US-amerikanischen ISM-Index, die mit 54,5 Zählern komfortabel über dem Expansion anzeigenden Niveau von 50 liegt. Auch die US-Industrie profitiert kräftig von Aufträgen der Emerging Markets.
 
Konjunkturskepsis in Euroland
 
In Euroland wird unterdessen deutlich, dass eine Konjunkturerholung mehr erfordert als eine notenbankseitig günstige Zinslandschaft sowie eine überbordende Liquiditätsschwemme. Diese hat zwar die Unsicherheit insbesondere an den Staatsanleihemärkten der prekären Länder eindämmen können. Als Aufputschmittel für die konjunkturelle Erholung in Euroland scheint deren Wirkung jedoch noch verhalten zu sein. Vor allem die Euro-Südzone wird 2012 konjunkturell schwächer eingeschätzt.
 
Billiges und viel Zentralbankgeld ist keine Gewähr für einen konjunkturellen Aufschwung. Es geht Investoren letztlich immer nur um das Eine: Rendite. Und wenn die landesspezifischen Standortfaktoren keine positiven Renditeaussichten versprechen, nutzt das üppigste geldpolitische Umfeld wenig. Es mag langweilig klingen, aber Rendite erhöhende Wirtschaftsreformen bleiben das A und O. Neben attraktiven Produkten geht es auch um die Kosten, insbesondere die Lohnstückkosten. Grundsätzlich kann man mit dem günstigen Geld der EZB ja auch alternativ in einen vergleichsweise attraktiven Standort wie Deutschland oder die Niederlande investieren. Grundsätzlich kommen Italien und Spanien an tief greifenden Strukturreformen nicht vorbei.
 
Immerhin wurden aber die Grundsteine hierfür in beiden Ländern über Liberalisierungen der jeweiligen Arbeitsmärkte gelegt. Bis sich allerdings die ersten Erfolge in punkto Wettbewerbsfähigkeit einstellen, wird noch Zeit vergehen. Überhaupt werden sich zunächst die Sparmaßnahmen in der Euro-Peripherie - Spanien z.B. hat zuletzt das historisch strengste Haushaltsbudget zur Erreichung des Defizitziels von 5,3 Prozent für 2012 verabschiedet - wachstumshemmend bemerkbar machen. Der euroländische Einkaufsmanagerindex liegt mit einem Wert von 47,7 unter der Expansion anzeigenden Schwelle von 50. Daher ist in der Eurozone im II. Quartal insgesamt mit einer - wenn auch milden - Rezession zu rechnen, bevor es gegen Jahresende wieder bergauf geht.
 
Staatsanleihen: Erst Schmiermittel, jetzt Sand für Aktiengetriebe?
 
Grundsätzlich werden die großen internationalen Notenbanken im II. Quartal geldpolitisch inne halten und zunächst keine weiteren Stimuli verabreichen. Sie wollen abwarten, inwiefern ihre bisherigen, großzügigen Maßnahmen Wirkung auf Finanzmärkte und Konjunktur entfalten werden. Mit Blick auf die abgeebbten Gefahren eines double dip in den USA haben sich auf der letzten Fed-Sitzung nur zwei der zehn aktuellen Mitglieder für weitere quantitative Lockerungsmaßnahmen ausgesprochen.
 
Konkret liegt in Amerika jetzt der Fokus auf die Ende Juni 2012 auslaufende Operation Twist. Man erinnere sich: Gelder aus fällig werdenden, kurz laufenden Staatsanleihen im Portfolio der US-Notenbank werden von ihr in länger laufende reinvestiert. Es findest also eine Fristentransformation statt, um auch das Zinssteigerungsrisiko am langen Ende zu kontrollieren.
 
Droht bei Auslaufen der Operation Twist also eine Trendumkehr, wird der Rentenmarkt vom Treiber zum Handicap der Aktienmärkte. Denn historisch lässt sich nachweisen, dass es jeweils bereits Wochen vor jedem quantitativen Liquiditätsschub der US-Notenbank zu einer erwartungsgetriebenen Kursrallye bei Staatsanleihen kam, die die Renditen auf ein Niedrigniveau gedrückt haben und so der alternativen Anlageklasse Aktien zu mehr relativer Attraktivität verholfen haben. Konkret lässt sich dieser Effekt jeweils bei Staatsanleihekäufen im Rahmen von QE 1 von November 2008 bis März 2010, beim QE 2 von November 2010 bis Juni 2011 und auch im Rahmen von Operation Twist ab September 2011 nachweisen. So hatten US-Aktien im Vorfeld zwar zunächst Kursverluste hinzunehmen, zumal auch die US-Konjunkturerholung noch deutlich von Rezessionsängsten geprägt war. Die tatsächliche Liquiditätsschwemme wirkte dann anschließend über sinkende Anleiherenditen dennoch als eine Haupttriebfeder für den US-Aktienmarkt. Nach Ablauf von QE 1 und QE 2 verfielen die US-Aktienmärkte dann wieder in eine Lethargie. Ist also das bislang nicht verkündetet QE 3 ein schlechtes Omen für die Aktienmärkte ab Frühsommer 2012?
 
Geldpolitische Passivität auch bei der EZB
 
Auch die EZB wird nach ihren fulminanten geldpolitischen Offensiven von weiteren geldpolitischen Impulsen absehen. Nachdem die EZB in den letzten Monaten euroländische Anschubfinanzierung geleistet hat, dürfte sie nun vorerst durch Passivität glänzen.
 
Ähnlich wie in den USA hat bereits Ende Dezember 2011 die Erwartung der Zuteilung von zwei Dreijahreskrediten der EZB an die Banken die Renditen 5-jähriger spanischer und italienischer Renditen stark fallen und insofern über nachlassende Unsicherheit auch den euroländischen Aktienmarkt deutlich ansteigen lassen. Und jetzt nach Zuteilungsende und in Ermangelung einer weiteren Liquiditätserweiterung scheint sich das Szenario mit erneut anziehenden Staatsanleiherenditen und einem vergleichsweise schwachen Euro-Aktienmarkt wieder umzukehren.
 
Reformen, Reformen, Reformen und an die Staatsanleihemärkte denken
 
Euroland muss nun zunächst ohne geldpolitische Nachhilfe klar kommen. Zumindest auf dem euroländischen Bankensektor scheint das aber keine Restriktionen nach sich zu ziehen, streben doch immerhin einige Geldhäuser schon eine Rückzahlung der EZB-Kredite nach bereits 12 Monaten an. Und ohnehin bleibt der EZB-Leitzins mit Blick auf die wachstumshemmenden Sparmaßnahmen in der Euro-Südzone auf seinem aktuellen Rekordtief. Und sollte eines der Länder bei der Erledigung seiner Hausaufgaben doch wieder in größere Schwierigkeiten geraten, wird die EZB nicht zögern können, mit weiteren Liquiditätsmaßnahmen nachzuhelfen. Insbesondere einem Schock durch zu stark ansteigende Renditen in den prekären Ländern wird sie entgegen treten müssen.
 
Dennoch werden die Finanzmärkte einen strengen Blick auf Spanien werfen. Die EZB kann grundsätzlich nicht der Ausputzer für zu zaghafte Reformaktivitäten der spanischen Regierung sein. Vor diesem Hintergrund musste Spanien bereits bei der ersten Anleihe-Auktion trotz Vorstellung seiner strikten Haushaltssparmaßnahmen wieder höhere Zinsen zahlen: 3-jährige Anleihen notierten ca. 0,5 Prozentpunkte höher als bei der letzten vergleichbaren Auktion. Zudem war die Nachfrage eher dürftig.
 
Konventionelle Fundamentaldaten wieder im Fokus
 
Der ganz normale fundamentale Datenkranz von Konjunktur oder Unternehmensnachrichten verdrängt damit die Happy Hour der Geldpolitik. Im II. Quartal werden die rezessiven Tendenzen in der Eurozone - wenn auch vergleichsweise mild - sich tatsächlich in konkreten Zahlen niederschlagen. Auch geht es um konkrete euro-politische Lösungsschritte für Griechenland, das in der Eurozone keine Überlebenschance hat. Und die prekären Länder, aber wichtigen Euro-Länder wie Spanien und Italien müssen in punkto Wirtschaftsreformen wirklich Ernst machen. Gemeinsam mit einer weniger spektakulären Geldpolitik wird insofern das II. Quartal an den Aktienmärkten herausfordernder und schwankungsanfälliger als das I. werden.
 
Mit Blick auf die anhaltend robuste Weltkonjunktur, eine US-Konjunktur, die die Rezessionsgefahren abgestreift hat und wieder wächst, schwachen Alternativrenditen bei Staatsanleihen und einer noch lange nicht absehbaren Ausstiegsstrategie weder bei der Fed noch bei der EZB - beide werden zunächst auf Nummer Sicher gehen, dass sie auch wirklich die konjunkturellen und finanzwirtschaftlichen Risiken im Griff haben - sollte sich der Konsolidierungsdruck aber deutlich im Rahmen halten.
 
Aus heutiger Sicht halten sich die Gefahren im II. Quartal 2012 absolut aber in Grenzen, bevor sich im III. und IV. Quartal mit verbesserten Wirtschaftsperspektive und politischer Lösungsfindung in punkto Eurokrise die Aktienstimmung wieder hebt.
 
Ein reinigendes Gewitter am deutschen Aktienmarkt
 
Grundsätzlich dient die positive weltkonjunkturelle Stimmung dem deutschen Aktienmarkt als solide Stütze. Nach dem Abschluss der aktuell stattfindenden Korrektur im DAX steht insofern einem Jahresendstand von 7500 Punkten im Allgemeinen nichts im Wege.
 
Aus charttechnischer Sicht findet der z.Zt. korrigierende DAX dabei aktuell eine erste nennenswerte Unterstützung bei rund 6610 Punkten. Im Falle einer heftigeren Korrektur liegt die nächste Auffanghürde bei 6480 Punkten.
 
Nach Abschluss der Korrektur trifft der DAX bei 6835 Punkten zunächst auf eine erste Hürde, bevor die nächsten Widerstände bei 6900 und 6950 in den Fordergrund treten. Können diese überwunden und letztlich auch die Marke von 7000 zurückerobert werden, so dürften weitere Kursgewinne in Richtung der März-Hochs bei rund 7150 und 7190 Punkten folgen.
 
Und was passiert in dieser Woche?
 
Auf Mikroebene eröffnet Alcoa die Berichtsaison für das abgelaufene I. Quartal. In den Zahlen dürften sich die gestiegenen Grundstoffpreise deutlich widerspiegeln
 
Auf Markoebene veröffentlicht China das Wachstum seines Bruttoinlandsprodukts im I. Quartal des Jahres. Es ist weiterhin mit einem Wachstum deutlich über der im Fünf-Jahres-Plan festgelegten Schwelle von sieben Prozent zu rechnen.
 
Die schwächeren deutschen Export-Zahlen führen unterdessen die Auswirkungen der euroländischen Sparmaßnahmen vor Augen.

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