Die Berichtssaison für das dritte Quartal zeigte, wie die Unternehmen mit steigender Inflation und verlangsamtem Wachstum zu kämpfen haben. Vor allem die Lieblinge der vergangenen Jahre wie Tesla (-65 %), Alphabet (-40 %), Amazon (-50 %), Meta (-65 %) & Co. verbuchten Kursverluste, die deutlich höher ausfielen als die Verluste des breiten Marktes.

Im Grunde sah man überall dieselben Zusammenhänge: (Werbe-)einnahmen sind rückläufig (Alphabet), die Kostenbasis (erst Materialkosten, dann Personalkosten) zu hoch und die immer noch zu hohe Inflation drückt auf die Kauflaune (Amazon) der Konsumenten. Margen, also die Gewinnspannen der Unternehmen, schrumpften. Teilweise konnte man dies zwar noch durch interne Maßnahmen abfedern, aber das Schlussquartal 2022, dessen Berichte wir in den kommenden Wochen von den einzelnen Unternehmen erwarten, wird kaum von positiven Entwicklungen zu berichten haben.

Die Rendite der zehnjährigen US-Staatsanleihen von aktuell 3,45 % liegt zwar unter den Spitzenwerten vom Oktober (4,24 %), jedoch ist hier noch keine nachhaltige Entspannung sichtbar. Die Zinsen werden in 2023 weiter ansteigen. Die US-Zentralbank (FED) hat zwar jüngst eine Verlangsamung des Tempos der Zinserhöhungen durchscheinen lassen, jedoch klar gesagt, dass die Zinsen in den USA weiter angehoben werden müssen. Einige Analysten und die Prognosen einzelner FED-Mitglieder erwarten inzwischen sogar Leitzinsen von bis zu sechs Prozent. Erst ab Ende 2023 soll eine Verringerung erfolgen, die sich in 2024 fortsetzen soll. Dies aber auch nur, wenn sich der Arbeitsmarkt in den USA entspannt und die Inflation sinkt. Das bedeutet, dass die Zinsen höher als bislang vom breiten Markt erwartet steigen würden und dies für einen längeren Zeitraum als bislang eingepreist.

Wenn man die Einschätzungen der meisten Analysten für das Jahr 2023 liest, so ergibt sich eine erstaunliche Einigkeit über den Ablauf des Jahres. Man rechnet unisono mit schwachen Quartalsergebnissen, Zinssteigerungen und daraus resultierend schwache Börsen bis zum März. Daher waren die meisten Investoren zum Jahresende unterinvestiert, denn „es fällt ja jetzt zum Jahresanfang“. Ebenso einig sind sich die Teilnehmer, dass es zu Beginn des zweiten Halbjahres zu Zinssenkungen und damit zu einer Börsenrally kommt und die Aktienmärkte am Jahresende gar nicht anders können, als höher zu stehen als heute. Soweit die Mehrheitsmeinung.

Wenn alle in die gleiche Richtung argumentieren (und so positioniert sind) sollte man sehr skeptisch sein. Die Mehrheit irrt in der Regel und die Überraschung der Börse liegt stets auf der Gegenseite. Das könnte wie folgt aussehen (und ist unsere Hausmeinung): Da alle Marktteilnehmer schon jetzt große Angst vor den schlechten Unternehmensdaten der ersten Monate haben, werde diese – selbst wenn sie den schlechten Erwartungen entsprechen – auch niemanden mehr erschrecken. Sollten die schweren Rückschläge nach unten ausbleiben, sich eine vorübergehende Entspannung bei den Inflationsdaten einstellen (was aufgrund von Basiseffekten und stark gesunkenen Rohstoffpreisen zu erwarten ist) und die ersten stärkeren Käufe am Markt zu beobachten sein, könnte entgegen aller Erwartungen eine starke Jahresauftaktrally stattfinden. Viele Investoren müssten dem Markt hinterherlaufen, denn sie erwarten ja ohnehin für das zweite Halbjahr steigenden Kurse.

Auch hier nehmen wir für das zweite Halbjahr wieder gedanklich die Gegenseite ein. Die Inflation wird sich zwar zum Jahresanfang leicht abschwächen, aber keineswegs auch nur in die Nähe des von der FED angestrebten Zwei-Prozent-Zieles fallen.

Die FED wird die Zinsen an das obere Ende der Erwartungen (5,5-6 %...oder mehr?) anheben und Zinssenkungen rücken in weite Ferne, zumal ihr die steigenden Aktienkurse absolut zuwiderlaufen. Zugleich zeigen aber die Zinserhöhungen der vergangenen Monate langsam starke Wirkung auf die Konjunkturdaten und die Unternehmensgewinne. Wir haben also die seit langem beschriebene Stagflation. Hohe Inflation (mit weiter hohen Zinsen) bei einbrechender Wirtschaft (die durch die hohen Zinsen weiter unter Druck kommt). Dann würde die erzwungene Euphorie der Börse aus dem ersten Quartal in eine schwere Enttäuschung und einen stürmischen Herbst mit vermutlich neuen Tiefstkursen münden. Diese Variante halten wir für wahrscheinlicher und die ersten Tage des neuen Jahres scheinen dem zu entsprechen.

Man kann sicher sagen, dass dieses Börsenjahr 2023 extrem schwer zu prognostizieren ist. Hier ist alles möglich, aber mit hoher Wahrscheinlichkeit werden wir extreme Ausschläge sehen.

Wir sind im Fonds auf jeden dieser Entwicklungsstränge inzwischen sehr gut eingestellt, wie die Stabilität im schwachen Dezember gezeigt hat. Unsere Strategie bringt uns hohe Stabilität bei fallenden (auch bei stark fallenden) Märkten. Stabilität heißt nicht „keinerlei Verluste“. Einen kleinen Bruchteil der Marktbewegung nach unten werden wir auch nicht immer vermeiden können. Das nehmen wir aber in Kauf, um im Gegenzug bei starken Aufwärtsbewegungen wesentlich davon zu partizipieren. Je schneller und höher es geht, umso stärker partizipieren wir auch anteilig daran, unabhängig davon wie weit der Markt zuvor gefallen ist.

Uns ist jetzt jede Entwicklung recht. Je stärker ein Einbruch, den wir stabil überstehen wollen, desto höher unser nachfolgendes Aufwärtspotential, ohne zuvor zu viele „Federn gelassen“ zu haben. Wer 10 % verloren hat, dem reichen 11 % Gewinn um beim Einstand zu sein. Wer 50 % verloren hat, der braucht schon 100 % Kursgewinne um sein Geld wieder zu erhalten.

Sollte es gleich zu Jahresbeginn unerwartet stark steigen, werden wir auch daran unseren Anteil haben. Je schneller und höher es geht, desto höher unsere anteilige Beteiligung am Anstieg.

Noch ein paar Zahlen in Bezug auf die Gewinnerwartungen der US-Unternehmen für das Gesamtjahr 2023:

Die aktuellen Gewinnschätzungen von Bloomberg für den S&P 500 liegen bei 228 EPS-Punkten (Gewinn pro Aktie). Anfang Dezember 2022 waren diese noch bei 225 EPS-Punkten für die nächsten zwölf Monate. Analysten preisen also sogar eine leichte Steigerung der Gewinne für den breiten S&P 500 ein. Bei einer drohenden - und von uns erwarteten - Rezession bzw. Stagflation in 2023 ein eher unwahrscheinliches Szenario.

Wir erwarten eher eine Kürzung der EPS-Prognosen zum Start der Berichtssaison in wenigen Tagen. Vor allem in den Bereichen Kommunikation und Grundstoffe. Bei Immobilien und Finanzwerten sollte es ebenso noch mal gen Süden gehen mit den Gewinnen, von den Tech-Werten gar nicht zu reden. Das vom Markt erwartete KGV (Kurs-Gewinn-Verhältnis) der nächsten zwölf Monate (12-month forward PE) des S&P 500 liegt bei ca. 17. Im Jahr 2008 lag dieser Wert bei 9,7, 2011 bei 10,7 und 2020 bei rund 12,2. Im historischen Vergleich ist also noch viel Luft nach unten.

Wie in einem Bullenmarkt die kurzen, aber heftigen Bewegungen nach unten dazugehören, so sind auch Bärenmarktrallys eine ganz normale Bewegung in Abwärtsphasen. Es liegt in ihrer Natur, dass sie stets unerwartet kommen, also dann, wenn alle mit fallenden Kursen rechnen und umgekehrt. Solche heftigen Kurssprünge sahen wir in den letzten Monaten des Öfteren. Auch im Jahr 2023 rechnen wir mit durchaus volatilen Phasen.

Marktentwicklung im Dezember 2022:

Der S&P 500 ist im Berichtszeitraum (01.12. bis 30.12.22) um 5,82 % gefallen. Die Gewinnerseite wurde vor allem durch zwei Sektoren geprägt, Luftfahrtgesellschaften und Konsumgüter. Der technologielastige Nasdaq 100 verbuchte ein Minus von 9,15 %. Hier trugen die Aktien von Rivian Automotive (Beteiligung von Amazon) und Tesla die roten Laternen mit Verlusten von 41 % bzw. 36 %.

Unser Vergleichsindex MSCI World Value Net (EUR) fiel 5,9 % von 158,45 auf 149,11. Der Dirk Müller Premium Aktien Fonds blieb mit einem leichten Minus von 0,93 % sehr stabil und handelte per Ende Dezember 2022 bei 84,31 Euro.

Es wird ein höchst spannendes Börsenjahr 2023. Um es mit einem Urgestein der Börse zu sagen:

Man muss nicht wissen was die Zukunft bringt, man muss nur auf jede ihrer Varianten vorbereitet sein.“

Herzlichst

Ihr

Dirk Müller & Fonds Team

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