Die Erinnerungen an auskömmliche Zinsen auf Spareinlagen sind nur noch dunkel vorhanden und doch in den letzten Wochen wieder ein Thema. Zumindest gilt das für die USA, wo zehnjährige Staatsanleihen mittlerweile wieder rund 2,5 % Zinsen abwerfen.

Traut man den Prognosen des Marktes und den Ankündigungen der Zentralbank (FED), dann sollten die Anleihekurse weiter sinken und die Zinsen in Richtung 3 % steigen. Bei einer Inflation von derzeit etwa 8% bliebe immer noch ein negativer Realzins von -5% bestehen. Die Zinssteigerungen kommen der Inflation nicht hinterher.

Aber in der Tat, das eine ist die kurzfristige Inflation, das andere die langfristigen (10 Jahre) Zinsen. Man hofft und erwartet also, dass die Inflation – und mit ihr auch der US-Leitzins - bald wieder deutlich sinkt.

Genau das prognostizieren die Finanzmärkte derzeit: Eine völlig entfesselte Notenbank, die dem Markt Geld in einer nie dagewesenen Geschwindigkeit entziehen wird, um die aus dem Ruder laufende Inflation kurz vor dem Abgrund einzufangen, bevor sie völlig entfesselt zur Hyperinflation wird.

Aktuell geht der Markt von 10! Zinserhöhungen in diesem Jahr aus und die Notenbank hat gerade angekündigt, die Bilanzreduzierung noch schneller als befürchtet voranzutreiben (95 Mrd. US$ pro Monat). Eine Vollbremsung der Finanzpolitik in voller Fahrt eben. Dieser Stock zwischen die Felgen der Wirtschaft wird in der Tat zu einer Vollbremsung eben dieser führen. Die Rezession ist so sicher, soweit man sich an Finanzmärkten überhaupt bei irgendetwas sicher sein kann.

Das preisen die Finanzmärkte inzwischen ein und rechnen daher bereits mit zwei bis drei Zinssenkungen der US-Notenbank in 2023, da man dem schleudernden Wirtschafts-Fahrzeug wieder die Bremsen lösen muss. Aber es ist keinesfalls sicher, dass die jetzt anstehenden Zinsanhebungen auch tatsächlich zu sinkenden Preisen führen. Die Inflation ist einerseits gerade dabei sich zu verselbständigen und andererseits sind die inflationstreibenden Kräfte zum Teil gar nicht durch die Zinspolitik erreichbar.

Wenn es kein Gas gibt, gibt es kein Gas und die Leute prügeln sich um das verfügbare, Zinsen hin, Anleihekäufe her. Es sei denn, es gelingt den wirtschaftlichen Totalschaden herbeizuführen, der die Nachfrage nach Energie und Rohstoffen unter die real verfügbaren Mengen drückt. Das wäre ein weitgehender Zusammenbruch der Wirtschaft, wie wir sie bisher kennen. Wer – außer extremen Klimaschützern - könnte daran ein Interesse haben? Food for thoughts.

Es bleiben also zwei – nach aktueller Lage - realistische Szenarien:

  1. Die Wirtschaft bricht nicht stark genug ein und es kommt zur Stagflation (Wirtschaft fällt, aber Preise steigen weiter)

  2. Die Wirtschaft bricht stark genug ein, um die Nachfrage unter das Angebot zu drücken.

Die steht vor einem Dilemma - FED – und wir damit auch.

Bleibt die Hoffnung auf Variante c), die aber eine veränderte Gesamtlage voraussetzt:

Die Lieferkettenprobleme von China über Russland und die Ukraine lösen sich binnen weniger Monate in wesentlichen Elementen auf, dem Nachfrageüberhang folgt ein Angebotsüberhang, die Preise kommen deutlich zurück (oder reduzieren zumindest ihr Anstiegstempo), die Notenbank kann ihre Zinspolitik wieder entspannen, die Welt ist gerettet. Das bedingt aber eine schnelle Veränderung der Gesamtlage, bevor die Inflation zum sich-selbst-beschleunigenden Phänomen geworden ist.

Auch hierzulande steigt die Inflation, zuletzt auf 7,3 %, aber die EZB bleibt bei ihrer „Strategie der eingeschlafenen Hand“. Zehnjährige Staatsanleihen der Bundesrepublik Deutschland rentieren zumindest wieder über der Nulllinie und bieten rund 0,5 % Zinsen. Macht -6,8 % Realzins.

Die EZB weiß, dass steigende Zinsen nicht nur die Staatshaushalte der Länder wie Italien oder Spanien in Gefahr bringen würden, sondern auch die hochverschuldeten Unternehmen Frankreichs. Und vielleicht sagt sich die EZB „Zinserhöhungen bringen eh nichts bei Angebotsmangel, können wir es auch gleich lassen und freuen uns über die faktische Entschuldung der Staaten durch Inflation.“

Was könnte das für die Aktienlandschaft, bzw. für die einzelnen Sektoren bedeuten? Der erste Gedanke: Banken profitieren! Steigende Zinsen sind gut für die Marge. Aber weit gefehlt. Der Teilindex Finanzen des S&P 500 liegt mit plus elf Prozent im Jahresvergleich (März 2021-März 2022) nur im guten Mittelfeld und für das Jahr 2022 sogar - wie fast alle anderen Sektoren - im Minus. Die Erwartung wurde also schon vor Monaten eingepreist.

Der beste Sektor ist mit Abstand der Energiesektor. Das gilt sowohl im Jahresvergleich (+55 %) als auch seit Jahresanfang mit plus 39 %. Nicht verwunderlich bei dem Ölpreis! Sollte die Entwicklung wie vom Markt erwartet kommen, dann sollten defensive Sektoren und wohl auch die Schwergewichte des Technologieuniversums zumindest verhalten positiv reagieren, zumindest bis zur Berichtssaison.

Wir werden die Entwicklung weiter sehr aufmerksam verfolgen und unsere Strategie immer wieder eng an die neuen Entwicklungen anpassen um sicher durch diese außergewöhnlichen – um nicht zu sagen bislang einmaligen – Zeiten zu kommen.

Der S&P 500 ist im Berichtszeitraum (14.3. bis 6.4.) um 7,38 % gestiegen. Twitter und Tesla führten die Gewinnerliste an. Seit Jahresbeginn summiert sich ein Minus von 6 %. Der technologielastige Nasdaq 100 stieg um 11,13 % an, trotz diesem Anstieg ist das noch immer ein Minus von rund elf Prozent seit Jahresanfang.

Unser Vergleichsindex MSCI World Value Net (EUR) stieg rund 4,91 % von 146,78 auf 153,99. Der Dirk Müller Premium Aktien Fonds konnte leicht auf 90,87 Euro zulegen.

Die Berichtssaison für das erste Quartal 2022 befindet sich in den Startlöchern. Was Nachrichten von Unternehmen betrifft, wird es zumindest die nächsten zwei Wochen noch relativ ruhig bleiben. Unser erster Depotwert United Health Group öffnet die Bücher am 14.04.22. Wir werden wie gewohnt ausgewählt berichten.

Durch die globalen Ereignisse der letzten Wochen wird es sehr spannend, wie sich die Unternehmen im Vorfeld der Berichte positionieren und den Markt auf die bevorstehenden Zahlen vorbereiten. Wir könnten uns vorstellen, dass globale Unternehmen eher konservativer und lokal agierende US-Unternehmen zumindest leicht positiv gestimmt sind.

herzlichst

Ihr

Dirk Müller & Fonds Team

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