Peter Lynch ist einer der bedeutendsten Investoren aller Zeiten. Sein Name wird oftmals in einem Atemzug mit Börsenlegenden wie Warren Buffett, Ken Fisher oder Benjamin Graham genannt.

Einen Namen hat sich Lynch durch die erfolgreiche Führung des Fidelity Magellan-Fonds erarbeitet, dessen Volumen sich innerhalb von 13 Jahren von 20 Millionen auf 14 Milliarden Dollar vergrößerte. Dieser enorme Zustrom neuer Kundengelder gelang Lynch und seinem Team dank der sagenhaften Renditen, die der Fonds unter seiner Egide erwirtschaftete. So hat sich der Wert der Anteile in den 13 Jahren seiner Führung verachtundzwanzigfacht, was einem jährlichen Wachstum von über 29 Prozent entspricht.

Lynch’s „Erfolgsgeheimnis“

Warum ich das Wort mit Anführungszeichen versehe? Weil es sich hierbei prinzipiell um kein Geheimnis, sondern viel mehr um die Verwendung gesunden Menschenverstandes handelt.

Seine Strategie beruhte darauf, wachstumsstarke und günstige Unternehmen ausfindig zu machen, die von Anlegern, Börsenmagazinen und Analysten kaum beachtet wurden. Am besten gefielen ihm Unternehmen, die einfache und verständliche Produkte herstellten, die er selbst nutzte.

Mit offenen Augen

So war er in seinem Alltag ständig auf der Suche nach neuen Investitionsmöglichkeiten. Auf die Aktie von Taco-Bell kam er, weil ihm das Essen dort schmeckte, und Volvo-Aktien kaufte er, weil er und viele seiner Freunde die Automarke fuhren. Natürlich bringt es nichts, einfach jede Aktie zu kaufen, die einem über den Weg läuft. Das wusste auch er. Deshalb legte er auf einige Aspekte in der Aktienauswahl großen Wert:

  • Ein einfaches und verständliches Geschäftsmodell
    Von Biotech- und Chipunternehmen hielt er sich fern, weil er zu wenig von der Materie verstand. Besonders gut gefielen ihm Nischenunternehmen, die in ihrer Branche erstklassig waren bzw. solche, die Produkte herstellen, die man immer und immer wieder kaufen muss

  • Unternehmen, die von Analysten wenig beachtet werden
    Lynch gelangen bei seinen Investments etliche Kursvervielfacher, was bei unbekannten Perlen wesentlich wahrscheinlicher ist, als bei Bluechips. Zudem beobachtete er, ob Insider Aktien des eigenen Unternehmens kauften

  • Unternehmen, die etwas Unangenehmes oder Anrüchiges produzieren
    Anleger lieben heiße Stories. Lynch schaute lieber auf ‚Aschenputtel-Aktien‘ und nennt hier beispielsweise Aktien aus der Müllindustrie, Reinigungsfirmen und sogar Bestattungsunternehmen

  • Eine gesunde Bilanz
    Lynch war keine Freund von Krediten. Je geringer der Schuldenstand, desto besser.

  • Beständige bzw. steigende Gewinne
    Unternehmen, die über viele Quartale nur Verluste geschrieben haben, mied Lynch genauso wie Unternehmen mit stark schwankenden Ergebnissen, wobei er mitunter auch Ausnahmen beim Kauf von Turnarounds machte

  • Wachstums zu einem angemessenen Preis
    Von ihm wurde auch das Wachstums-KGV oder PEG (Price/Earnings to Growth) geprägt. Je günstiger das PEG, desto besser. Beispielsweise mochte er Aktien mit einem KGV von beispielsweise 20 und Gewinnwachstumsraten von über 20 Prozent. Dies entspräche einem günstigen PEG von unter eins

Zur besseren Einordnung der verschiedenen Titel definierte er eine individuelle Aktienkategorisierung. Jede Kategorie beinhaltet ganz bestimmte Parameter, die folgend beschrieben werden:

  1. Wachstumsschwache Werte
    Das sind jene Unternehmen, die nur schwache Umsatzanstiege (im Bereich des jährlichen Wachstums der Weltwirtschaft) verzeichnen, aus den Umsätzen dafür aber ordentliche Gewinne herausholen und diese über Dividenden an die Aktionäre verteilen. Die Aktien von wachstumsschwachen Unternehmen steigen kaum bzw. nur sehr gemächlich an. Die Dividende ist hierbei der einzige Grund, um investiert zu sein, da es an Kursfantasie mangelt. Beispiele für diese Kategorie wären Versorgungs- und Telekommunikationsunternehmen wie RWE oder AT&T. Um solche Unternehmen machte Lynch meist einen weiten Bogen.

  1. Die stetigen Aktien
    In dieser Kategorie befinden sich Unternehmen, die kontinuierlich wachsen und das etwas schneller als die Weltwirtschaft. Das entspräche nach heutigem Maßstab einem Unternehmen mit mittleren bis hohen einstelligen Wachstumsraten, wie dies beim Industriekonzern 3M oder dem Pharmaunternehmen Roche zu sehen ist. Diese Aktien entwickeln sich etwas stärker als die wachstumsschwachen und glänzen meist mit stabilen Gewinnen und einem krisenresistenten Geschäftsmodell. Mit diesem Aktientyp ergänzte Lynch gerne sein Depot, da die Titel weniger schwankungsanfällig waren als die Wachstumswerte, zu denen wir als nächstes kommen.

  1. Wachstumsstarke Aktien
    Die Unternehmen dieser Kategorie gehören dank ihrer zweistelligen Wachstumsraten und Potenzial zur Kursvervielfachung zu Lynch’s Lieblingsaktien. Da es sich bei dieser Kategorie um besonders schwankungsreiche Titel handelt, legte Lynch großen Wert auf einestabile Bilanz. Für ihn war es nicht wichtig, in die am schnellsten wachsenden Branchen zu investieren. Laut seiner Strategie können erfolgreiche Nischenplayer auch in einer wachtsumsschwachen Branche überdurchschnittliche Wachstumsraten erzielen wie zu seiner Zeit die Hotelkette Marriott.

  1. Zyklische Aktien
    Autobauer, Chemie- und Stahlunternehmen gehören zu den klassischen Zyklikern, die in regelmäßigen Abständen steil empor steigen und wie Steine fallen können, je nachdem wie gut oder schlecht die Wirtschaft eben läuft. Mit ihnen kann man sehr viel Geld verdienen und ebenso verlieren. Das richtige Timing ist bei diesen Titeln unerlässlich. Laut Lynch machen viele Anleger den Fehler, Zykliker in einen gemeinsamen Topf mit den stetigen Aktien zu werfen. Denn die klassische stetige Aktie verliert zwar auch in einem Crash an Wert, das Geschäft wird aber lange nicht so stark in Mitleidenschaft gezogen wie das eines Zyklikers. Wer hier investiert, sollte am besten aus Berufsgründen nah am Wirtschaftsgeschehen sein, um Wirtschaftsab- und -aufschwünge frühzeitig erkennen zu können

  1. Turnaround-Aktien
    Hierbei handelt es sich über arg mitgenommene Titel, die auf der Kippe zwischen Konkurs und Erholung stehen. Erfolgreiche Turnarounds können systemrelevante Unternehmen sein, die aufgrund dessen Regierungsbürgschaften erhalten. Hierzu zählen aber auch Unternehmen, die mit einem temporären Schock konfrontiert werden, aber stärker abgestraft wurden als nötig. Bei einem positiven Verlauf sind ordentliche Gewinne drin, wie beispielsweise bei Boeing (Regierungshilfen) oder VW (Abgasskandal). Allerdings gibt es auch zahlreiche Beispiele, die als Rohrkrepierer endeten, wie der Konkurs von Lehman Brothers (‚To big to fail‘) oder BP (Untergang der Ölförderplattform Deep Water Horizon) zeigen. Interessant ist diese Kategorie aufgrund der vielfach unabhängigen Entwicklung zum Gesamtmarkt. Aber auch ein Peter Lynch hat bei Turnaround-Wetten oft genug Geld in den Sand gesetzt. Deshalb sollten Turnarounds nur einen verschwindend geringen Anteil am Portfolio innehaben.

  1. Substanz-Spekulationen
    Hierbei handelt es sich um Aktien, deren tatsächliches Betriebsvermögen wesentlich höher ist, als in der Bilanz ausgewiesen oder an der Börse bewertet. Beispiele hierfür könnten Kassenbestände oder Anteile an anderen Unternehmen sein, deren Wert so hoch ist, wie die Börsenbewertung. Im Buch ‚Der Börse einen Schritt voraus‘ wird als Beispiel hierfür die Aktie des Golfclub-Betreibers Pebble Beach genannt. Dieses Unternehmen hatte laut Lynch alle Voraussetzungen einer Substanz-Spekulation: Enorm hohe Liquidität, Besitz von Immobilien und Grundstücken - und unter anderem eine Kiesgrube. Twentieth Century-Fox kaufte Pebble Beach 1979 für 72 Millionen und verkaufte alleine den Kiesgrubenbesitz für 30 Millionen weiter. Die Übernahme finanzierte sich praktisch von selbst. Substanz-Spekulationen sollten aber, wie auch Turnarond-Wetten, nur von Insidern und absoluten Branchenexperten getätigt werden.

Bei dieser Kategorisierung handelt es sich aber um keine statische Unterteilung. So wechseln Wachstumsaktien früher oder später in die Riege der Stetigen oder Wachstumsschwachen und Zykliker können in Folge von Rezessionen unfreiwillig zu Turnaround-Wetten mutieren.

So waren Versorger- und Ölaktien zu Beginn des 20. Jahrhunderts Wachstumschampions. Inzwischen gehören Versorger aber zur Riege der wachstumsschwachen Titel, während Ölaktien eine Turnaround-Spekulation geworden sind.

Apple als Paradebeispiel

Der Technologiekonzern Apple durchlief bereits etliche Kategorien. Inzwischen vollzieht der Konzern den Wechsel vom ehemaligen Hochwachstumswert zu einem stetig wachsenden Wert.

Anfang 2009 handelte es sich bei der gecrashten Aktie im Prinzip zwischenzeitlich um eine Mischung aus Turnaround und Substanz-Spekulation. Die Börsenbewertung war aufgrund der Finanzkrise auf 101 Milliarden Dollar zusammengeschrumpft. Dabei hatte Apple trotz Krise immer noch rund 22 Milliarden Dollar an Cashreserven und war profitabel.

Bei einem Kurs von etwa vier Dollar (im Tief notierte Apple bei 2,80 USD) wären also 88 Cent des Aktienkurses allein durch Cashreserven gedeckt gewesen. Ganz zu schweigen von den vielen Patenten und dem revolutionären iPhone, das erst kürzlich vorgestellt wurde.

„Was heißt das konkret für mich!?“

Die Kategorisierung von Aktien nach diesem Schema kann im alltäglichen Börsenwahnsinn sehr hilfreich sein und der Orientierung dienen. Der Artikel soll als kleine Einführung in die Analysemethode von Börsenlegende Peter Lynch dienen. Wer noch tiefer in die hochspannende Materie eintauchen will, dem kann ich das 1989 veröffentlichte aber immer noch brandaktuelle ‚Der Börse einen Schritt voraus‘ wärmstens ans Herz legen.



Herzlichst

Ihr Christof von Wenzl

Risikohinweis
Dieser Artikel dient nur zu Informationszwecken, bietet keine Anlageberatung und empfiehlt nicht den Kauf oder Verkauf von Wertpapieren. Die Wertentwicklung in der Vergangenheit ist kein Hinweis auf zukünftige Ergebnisse.

Hinweis
Dirk Müller sowie die Finanzethos GmbH haben sich verpflichtet den Kodex des Deutschen Presserates für Finanz- und Wirtschaftsjournalisten einzuhalten. Der Verhaltenskodex untersagt die Ausnutzung von Insiderinformationen und regelt den Umgang mit möglichen Interessenkonflikten. Die Einhaltung des Verhaltenskodex wird jährlich überprüft. Dies gilt auch für die für Dirk Müller oder für die Finanzethos GmbH tätigen freien Journalisten.

Beitrag senden

Drucken mit Kommentaren?



href="javascript:print();"