Die Aktienkurse kleiner Unternehmen entwickeln sich meist besser als die großer Unternehmen. Das folgerte der Schweizer Ökonom Rolf Banz 1981 aus seiner Studie, die sich auf den US-amerikanischen Markt für den Zeitraum von 1936 bis 1975 bezog und bezeichnete seine Forschungsergebnisse als Small-Cap-Effekt. Im Gegensatz zu den anderen Effekten in der Behavioral Finance, gelten die Erklärungsversuche für den Small-Cap-Effekt als unbefriedigend. Auf der einen Seite werden grundlegende Studien als statistische Artefakte tituliert oder es soll sich gar nur um einen Mythos handeln; auf der anderen Seite deuten empirische Untersuchungen über Jahrzehnte auf eine relative Stabilität dieser Verhaltensanomalie hin. Im Folgenden wird dieses Phänomen genauer betrachtet.

 

 

Unter dem Small-Cap-Effekt - gelegentlich auch Size- oder Small-Firm-Effekt genannt - versteht man die auf Erhebungsdaten beruhende Beobachtung, dass Unternehmen mit niedriger Marktkapitalisierung eine höhere Aktienrendite erwirtschaften als Unternehmen mit hoher Marktkapitalisierung. Oder anders gesagt: Aktien kleiner Unternehmen bzw. mit niedrigem Börsenwert (Small Caps, wobei Cap für "Kapitalisierung" steht) schneiden langfristig besser ab als Aktien mit hohem Börsenwert (Large Caps), wie etwa DAX-Titel. Nach den Studien von Banz wurde der Effekt in darauffolgenden Untersuchungen ebenfalls in mehreren anderen Ländern nachgewiesen. Dabei war es auffällig, dass sich der Effekt zeitweise auch umkehrt, was den Zweiflern entgegenkommt.

 

Die gegensätzlichen Ansichten der Befürworter und Kritiker haben vor allem die Gründe, dass der Begriff „langfristig“ unterschiedlich definiert wird und voneinander abweichende Zeiträume betrachtet werden. Generell kann festgehalten werden, dass Small Caps in Aufwärtstrends besser performen als Blue Chips, aber in Abwärtstrends auch stärker fallen – dabei sollte der Betrachtungszeitraum der Börsenzyklen bei mindestens zwei Jahren liegen. Beispielsweise ist der deutsche Small-Cap-Index SDAX von seinem Allzeithoch im Juli 2007 bis zum 5-Jahres-Tief im März 2009 um 67,5 Prozent gefallen. Der DAX verlor im gleichen Zeitraum mit 54,2 Prozent weniger. Doch seit dem Crash im März 2009 bis zu den jeweiligen 5-Jahres-Hochs im März dieses Jahres hat der SDAX knapp 280 Prozent zugelegt und der DAX ca. 220 Prozent. Dass sich Small Caps in der Hausse besser entwickeln und sich die Blue Chips in der Baisse besser halten, ist beispielswese auch bei den entsprechenden MSCI-, Russell- oder EuroStoxx-Indizes zu beobachten. Dies wird damit erklärt, dass in Phasen guter Börsenstimmung bzw. steigender Kurse die Small Caps, denen dynamischeres Wachstum und oft eine höhere Innovationskraft zugesprochen wird, stärker gefragt sind. In Baisse-Phasen steigt die Risikoaversion, und die Small Caps werden vermehrt aus den Portfolios abgestoßen. Zugleich konzentrieren sich die Anleger vermehrt auf die als sicherer erachteten Blue Chips.

 

Eine kapitalmarkttheoretische Interpretation für den Small-Cap-Effekt besagt, dass die langfristig höhere Performance von Small Caps im Vergleich zu Large Caps, eine Entschädigung für die damit verbundenen höheren Risiken darstellt. Diese größeren Unsicherheitsfaktoren beruhen zum einen auf markttechnischen Ursachen. Die Liquidität auf den engen Märkten ist gering, die Geld/Brief-Spannen sind größer und damit die Transaktionskosten in der Regel höher. Zum anderen kommen wirtschaftlich-fundamentale Umstände hinzu, die die höheren Volatilitäten der Aktienkurse ebenfalls lancieren. Zu diesen gehören in erster Linie Unbeständigkeiten in der Gewinnentwicklung, mit Ungewissheit behaftete Geschäftsmodelle und geringe Marktanteile.

 

Vorteilhaft hingegen ist die Möglichkeit der Small Caps, dass sie oft auf fortschrittliche und zukunftsweisende Unternehmenskonzepte fokussiert sind. In Zeiten schnellen technologischen Wandels vermögen sie eher, auf die Veränderungen flexibler zu reagieren. Große Konzerne neigen durch kompliziertere interne Kommunikationsprozesse bzw. bürokratische Hürden eher zur Trägheit.

 

Die Fundamentalanalyse von Small-Cap-Aktien kann sich schwierig gestalten. Die verhältnismäßig geringen Mittel, die für die Unternehmenskommunikation zur Verfügung stehen, machen es Small-Cap-Unternehmen in der Regel schwerer, sich am Kapitalmarkt Gehör zu verschaffen. Zudem werden Aktien solch kleiner Unternehmen von weniger Analysten beobachtet. Damit stehen weniger Prognosen bzw. Analysen zur Verfügung. Das macht die Unternehmensdaten unzuverlässiger, und sie sind mühsamer zu erheben. Diese Schwierigkeiten können sich aber auch als Vorteil herausstellen. Damit kann eine Unterreaktion einhergehen, weil die meisten Finanzmarktakteure die positiven Entwicklungen übersehen oder nicht mitbekommen und erst die Aktie erwerben, nachdem sie nach einiger Zeit erst bekannter geworden und schon angestiegen sind.

 

Wie bei klassischen Value-Investing sollte der Anleger auch bei Small Caps darauf achten, dass die Unternehmen gut am Markt positioniert sind, solide finanziert und profitabel sind sowie stabile Gewinnentwicklungen aufweisen. Vor allem bei kleineren Unternehmen, die spezialisiert sind, sind auch immaterielle Faktoren wie Managementqualität, Expansionsstrategien oder Vermögenswerte wie Patente, Lizenzen oder Know-How (Wissenskapital) von großer Bedeutung.

 

Da Small-Cap-Werte in der Regel in den spekulativen Teil des Portfolios gehören, sollte das Risiko im Rahmen der Diversifikationsstrategie auch adäquat berücksichtigt werden. Der Handel mit ihnen wird häufig mit einer gewissen Zockermentalität assoziiert. Da sich die Kurse  solcher Papiere nicht selten schnell vervielfachen, werden sie auch oft mit dem Hintergedanken des schnellen Geldes gekauft. Doch Small Caps sollten von ihrem Wesen her das Gegenteil dessen sein. Ganz im Sinne eines klassischen Aktionärs, der sich an einem Unternehmen beteiligt, in dem er Zukunftspotential sieht und von der Unternehmensstory überzeugt ist. Zu diesem Anlegertypus gehört dazu, dass er die nötige Einstellung in punkto Geduld mitbringt. Langmut ist auch beim Warten auf eine günstige Kaufgelegenheit gefragt. Wenn die Märkte in andauernd schlechter Stimmung fallen, und auch die Small Caps in den Strudel des Abwärtstrends gerissen werden, ist beizeiten die Courage zum Kauf und gutes Risiko-Management erforderlich. Small Caps müssen also nicht nur Zockerpapiere sein, sondern können auch eine lukrative Partizipation an interessanten Zukunftstrends im Sinne einer Langfristig-Anlage bedeuten.

 

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