Für die handelspolitisch und angesichts des befürchteten „Falls von Rom“ krisengebeutelten Aktienmärkte verliert damit zumindest der hohe Ölpreis Drohpotenzial in puncto inflationsbedingter Zinsangst und weltweiter Wachstumsdelle.

Saudi-Arabien und Russland streben auf dem nächsten Opec-Treffen am 22. Juni 2018 eine Aufweichung ihrer Förderkürzungen in der zweiten Jahreshälfte an. Neben dem Ausgleich der massiven Produktionseinbrüche in Venezuela, Angola und Algerien sollen zukünftig auch US-sanktionsbedingte Angebotsausfälle aus dem Iran kompensiert werden.

Der russische Energieminister brachte sogar eine mögliche Rückkehr der Ölproduktion auf das Niveau vor den Förderkürzungen im Oktober 2016 ins Spiel. Selbst das Energieland Russland sieht die gestiegenen Ölpreise mittlerweile als großes Handicap für russische Industriebetriebe und die Binnenkonjunktur.

Big Opec-Player Saudi-Arabien wahrt die Balance

Auf der einen Seite sind höhere Ölpreise willkommen, weil sie über höhere Staatseinnahmen die Finanzierung der üppigen saudischen Sozialleistungen und Subventionen ermöglichen. Gleichzeitig verbessern sie die Aussichten für den Börsengang der größten Erdölfördergesellschaft der Welt, Saudi Aramco.

Auf der anderen Seite würde ausgerechnet der förderkürzungsbedingte Ölpreisanstieg den Bedeutungsverlust der Opec verstärken. Je höher der Preis, desto margenträchtiger wird die Ausweitung der alternativen Ölproduktion über US-Fracking. Bereits aktuell befindet sich die US-Ölproduktion auf Rekordniveau.

Da die amerikanische Fracking-Methode ohnehin technisch immer effizienter wird, verschiebt sich deren Gewinnschwelle noch weiter nach unten. Das größte Risiko für die Opec sind Marktanteilsverluste zugunsten der USA. Schon aktuell übertrifft die US-Rohölförderung die von Russland und Saudi-Arabien.

Zwar wird bislang das Gros dieser Ölförderung in Amerika selbst verbraucht. Doch arbeitet man bereits mit Hochdruck an der Infrastruktur, um amerikanisches Öl und Gas umfangreich zu exportieren. So will China zukünftig mehr Öl aus Amerika einführen, um seinen Handelsbilanzüberschuss zu verkleinern. Und auch die EU könnte zur Befriedung des Handelsstreits mit den USA stärker auf den Import von gefracktem US-Öl setzen.

Insgesamt muss man den Eindruck haben, dass Saudi-Arabien mit dem aktuell erreichten Preisniveau von Opec-Öl unter Abwägung aller Vor- und Nachteile zufrieden ist.

So wie der Öl-Terminmarkt die Öl-Rallye beschleunigt hat, könnte deren Umkehr dynamisiert werden. Die fundamentale Einschätzung, dass die Angebotslücke der Opec im weiteren Jahresverlauf geschlossen wird, hat bereits zu einem Abbau der hohen Netto-Long-Positionen mit weiterem Korrekturpotenzial geführt.

Das ist der Hintergrund der aktuell wieder schwächeren Ölpreise. Sie sind nicht auf eine globale Konjunkturschwäche zurückzuführen.

Zins-Beruhigung als Balsam für die krisengeplagte Aktien-Seele

Der vorübergehende energieseitige Inflationsschub verschafft den internationalen Notenbanken Spielraum, ihre geldpolitisch restriktive Trendwende überschaubar zu gestalten.

Im Fahrwasser sinkender Renditen 10-jähriger US-Staatsanleihen bilden sich auch die Renditen deutscher Staatstitel deutlich zurück. Neben sich abschwächenden Preissteigerungsängsten sorgen auch die gestiegenen Polit-Risiken in Italien mit möglichen Streueffekten auf andere Schuldenländer für eine Flucht in den sicheren deutschen Staatsanleihehafen. Die ausbleibende Attraktivität von Zinsanlagen bleibt trotz zwischenzeitlicher geldpolitischer Zwischentöne ein zentraler Stützpfeiler für die Aktienmärkte.

Marktstimmung - Trotz Krisen bemerkenswerte Aktienstärke

Tatsächlich sind die Finanzmärkte der Eurozone bereits wieder in altbekannte Krisen-Verhaltensmuster zurückgefallen: Die Kreditausfallprämien 5-jähriger italienischer und spanischer Staatsanleihen sind sprunghaft auf Mehrjahreshochs angestiegen.

Latenter Belastungsfaktor für die Aktienmärkte bleibt sicherlich der Handelskonflikt zwischen den USA und der EU. Die Erhebung von Importzöllen auf europäische Stahl- und Aluminiumprodukte nicht mehr zu verhindern.

Die Frage ist, welche weiteren Eskalationsstufen erreicht werden. Dass deutsche Exportunternehmen sich der makroökonomischen handelspolitischen Situation mikroökonomisch anpassen und verstärkt direkt in den US-Exportmarkt investieren, federt sanktionsbedingte umsatzschädliche Reibungsverluste jedoch ab und wirkt sich insofern auch weniger schädlich für deren Aktienkurse aus.

Wenn auch zunächst mit mehr Aktienvolatilität zu rechnen ist, bleibt diese im historischen Vergleich und angesichts der potenziellen Gefahren z.B. aus Italien bemerkenswert niedrig. Verkaufs-Panik ist nicht auszumachen. Und damit fehlen die Symptome für einen bevorstehenden Aktien-Crashs.

Ein Grund liegt darin, dass sich die Anleger vor dem Sommer sehr defensiv positioniert haben und keine Euphorie zeigen. Kleinere (handels-)politische Rückschläge sind bereits eingepreist. Damit fehlt auf der Sentimentebene die Munition für eine markante Aktienkonsolidierung. Bei einer positiven Entwicklung an den Finanzmärkten jedoch wären institutionelle Anleger plötzlich unterinvestiert und müssten den Kursen hinterherlaufen, was eine Kursrallye befeuern würde.

Und natürlich werden EU und EZB den „Fall von Rom“ verhindern, um den Erhalt der Eurozone nicht zu gefährden. Eine verstärkte Schuldenaufnahme, die von der Notenbank zumindest finanziert wird, ist zwar ein stabilitätspolitisches Armutszeugnis. Allerdings sind die Aktienmärkte mittlerweile so „abgebrüht“, dass sie schon zufrieden sind, wenn eine neue und dann mutmaßlich finale Schulden-, Banken- und Euro-Krise verhindert wird.

Nicht zuletzt kommt der wegen Italien schwache Euro den Exportwerten in Europa zugute.

Der Wochenausblick für die KW 23 - Schwacher deutscher Konjunkturstart in das II. Quartal

In China zeichnen grundsätzlich stabile Im- und Exportdaten sowie ein komfortabel im Expansionsterrain notierender Einkaufsmanagerindex für den Dienstleistungssektor gemäß Finanznachrichtendienst Caixin ein beständiges Konjunkturbild.

Auch in den USA signalisieren die Auftragseingänge in der Industrie sowie der ISM Index für den Dienstleistungssektor einen stabilen Wirtschaftsverlauf.

In der Eurozone fallen die vom Finanzdatenanbieter Sentix ermittelten Konjunkturerwartungen für die kommenden sechs Monate wegen der Unsicherheiten im Handelskonflikt mit den USA und der italienischen Regierungskrise weiterhin schwach aus. In Deutschland bestätigt der Dreiklang aus Exportzahlen, Industrieproduktion und -aufträgen für April einen schwachen Konjunkturstart in das II. Quartal.

Rechtliche Hinweise / Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenkonflikten der Baader Bank AG: http://www.bondboard.de/main/pages/index/p/128

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