Die weltweite Industriestimmung hat ihren Höhepunkt weit hinter sich gelassen. Die zunehmenden Konjunkturängste spiegeln sich ebenso an den Industriemetall-Märkten wider, die aus Angst vor Nachfrageeinbußen seit Anfang März um rund 25 Prozent gefallen sind.
Ist ein Soft Landing der US-Wirtschaft überhaupt möglich?
Selbst die so gelobte US-Wirtschaft ist nicht mehr über jeden Zweifel erhaben. Die Industriestimmung bröckelt zunehmend und zieht verheerende Konsequenzen am Aktienmarkt nach sich. Nur 1932 zurzeit der Großen Depression verzeichnete der amerikanische Aktienmarkt mit minus 45 Prozent einen noch höheren Kursverlust im ersten Halbjahr als 2022.
Dass die Risse im Fundament der US-Konjunktur tiefer werden, zeigen auch die von der University of Michigan ermittelten US-Verbrauchererwartungen, die auf dem niedrigsten Stand seit 1980 liegen. Auch das „Straßen-Research“, die Beobachtung alltäglicher Entwicklungen, bestätigt diese Einschätzung. So signalisiert der Restaurant Performance Index eine wachsende Moll-Stimmung. Gemäß Umsatzerwartungen gibt die Neigung der Amerikaner, auswärts essen zu gehen, nach.
Zudem hinterlässt der massive Anstieg der Durchschnittszinsen einer 30-jährigen Hypothek Bremsspuren auf dem US-Immobilienmarkt, dem binnenwirtschaftlich hohe Bedeutung zukommt.
Nach einer Wirtschaftsschrumpfung im ersten Quartal und nach einer Stagnationsschätzung der Fed von Atlanta für das aktuelle, wird das Erreichen eines Soft Landing der US-Konjunktur zunehmend schwieriger. Restriktiv wirken die weiteren großen Zinserhöhungsschritte der US-Notenbank.
Die Gaskrise hat Europa gerade noch gefehlt
Die Konjunktur der Eurozone leidet bereits dreifach: Für ihre industriellen und exportseitigen Geschäftsmodelle mangelt es an Vorprodukten, die sich zudem verteuert haben. Und die weltweiten Absatzmärkte sind ohnehin von vorsichtiger Nachfrage geprägt. Infolgedessen wird die Unternehmensstimmung weiter fallen.
Und jetzt kommt als weiteres schweres Handicap auch noch eine Energiekrise hinzu. Wegen deutlich eingeschränkten russischen Gaslieferungen ruft Bundeswirtschaftsminister Habeck die zweite von drei Warnstufen des „Notfallplans Gas“ aus. Es scheint nur noch eine Frage der Zeit zu sein, bis heftige Gaspreiserhöhungen Verbraucher und Industrie hart treffen.
Und wer weiß, wie die Moskauer Retourkutsche für die litauische Eisenbahnblockierung zur russischen Exklave Kaliningrad aussieht. Ein weiterer fingierter „technischer“ Grund für eine abermalige Lieferkürzung ist möglich. Inwieweit wird die Gaslieferung nach Europa nach der jährlichen Wartung der Pipeline Nord Stream 1 im Sommer anschließend wiederaufgenommen?
Vor diesem Hintergrund können selbst die umfangreichen Auftragspolster der deutschen Industrie derzeit keine fundamentale Freude hervorrufen. Theoretisch reichen sie aus, um die Betriebe knapp zwölf Monate produzieren zu lassen. Mangels Masse an Energierohstoffen und Vorprodukten lassen sie sich praktisch aber nicht abarbeiten. Und leider ist derzeit auch noch kein Licht am Ende des Tunnels zu erkennen.
Zwar droht noch kein unmittelbarer Zusammenbruch der Gasversorgung. Aber eine ausreichende Befüllung der Gasspeicher ist momentan nicht möglich. Im schlimmsten Fall drohen Gas-Rationierungen und Produktionsausfälle in der Industrie, die die Rezession weiter befeuern.
Besonders hart getroffen ist der deutsche Mittelstand, der nicht wie Großkonzerne Energiequellen und Absatzmärkte weltweit diversifizieren kann. Tatsächlich profitiert die international aufgestellte deutsche Großindustrie von den Preisrabatten auf Öl und Gas, die Putin u.a. China und Indien gewährt.
Die Schwellenländer sind begünstigt, aber…
Eine Spaltung der Energie-Welt in einen Nord-Teil aus Amerika - wo die Not rekordhoher Benzinpreise mit Steueraussetzungen über die Driving Season gemildert wird - und Europa sowie einen südlichen aus China, Indien und anderen Schwellenländern mit Russland als großem Energielieferant ist nicht mehr auszuschließen. Westliche Moralfragen scheinen in vielen aufstrebenden Nationen angesichts ihres Energiehungers bei gleichzeitig vergünstigten russischen Rohstoffpreisen ohnehin keine große Rolle zu spielen. Denn damit gewinnen sie gegenüber klassischen Industrieländern an Wettbewerbsfähigkeit, die ohne ausreichende Rohstoffversorgung nicht von ihrem Know-how profitieren können.
Insbesondere die Schwellenländer Lateinamerikas verzeichnen aufgrund ihrer wirtschaftlichen Distanz zum Krisenherd Ukraine, vor allem jedoch aufgrund ihrer Rohstoffvorkommen seit Jahresbeginn eine deutliche Outperformance gegenüber den Industriestaaten. Die sich in nachgebenden Rohstoffnotierungen äußernden Rezessionsängste zeigen Ländern wie Brasilien jedoch ebenso die Grenzen der Glückseligkeit auf.
Die Schwellenländer Asiens mit ihrem Zentralgestirn China erleiden ähnlich hohe Einbußen wie die etablierten Weltbörsen. Die Wachstumspotenziale insbesondere der Tech-Konzerne werden auch weiterhin durch die Regulierungsknute Pekings beschnitten. Ankündigungen der KP, Alibaba, Baidu & Co. wieder mehr operativen Raum zu lassen, sind bislang vor allem nur vage. Ein nachhaltig positiver Impuls wäre die Beendigung der drastischen Zero-Covid-Strategie. Diese ist allerdings frühestens nach dem Parteitag der KP im Oktober möglich, auf dem sich der chinesische Staatspräsident als Sieger über die Corona-Krise feiern lassen will.
Marktlage - Sommer-Blues
Rezessions-, Zins-, Inflations- und Kriegsängste, plötzliche Volatilitätsspitzen und der zunehmende Eintritt der Aktienmärkte in den Bärenmarkt kleben an den Börsen wie Kaugummi am Schuh. Bis es mehr Klarheit bei Inflation, Geldpolitik sowie Konjunktur- und Unternehmensgewinnentwicklung gibt, werden die Märkte nervös bleiben.
Immerhin begrenzen Konjunkturängste das Thema Zinsangst. Als Konjunkturbarometer signalisiert das im Trend fallende Kupfer-Gold-Verhältnis eine Abschwächung der wirtschaftlichen Auftriebskräfte. Das spricht dafür, dass der Inflationsgipfel im Sommer allmählich überschritten wird. Dazu passt ebenso die radikale Zinserhöhungspolitik der Fed, mit der möglichst noch in diesem Jahr der Inflation der Boden entzogen werden soll. 2023 würde demnach die Zinsangst deutlich abebben. Eine Beruhigung des Preisdrucks dürfte sich schließlich in einer Stabilisierung der Renditen 10-jähriger US-Staatsanleihen niederschlagen, die im historischen Vergleich bereits stark angestiegen sind.
Die bevorstehende US-Berichtssaison für das zweite Quartal 2022 wird sich vermutlich zur Stimmungsbremse entwickeln. Eine deutliche Verlangsamung des bislang euphorischen Gewinnwachstums zeichnet sich ab. Schätzungen von Zacks Investment Research zufolge pendelt sich das Wachstum auf ein mittleres einstelliges Niveau ein. Bei den Ausblicken steht im Fokus, inwiefern der rohstoffseitig steigende Kostendruck von abnehmenden Corona-Risiken gebremst werden kann.
Aktuell wird an den Börsen jenen Unternehmen Beachtung geschenkt, die Preissteigerungen zumindest teilweise weitergeben bzw. Lieferengpässe erfolgreich ausmanövrieren können und die weniger unter Rezessionsangst leiden. Hierbei haben Defensivwerte - Gesundheit, Infrastruktur, Basiskonsum - und alternative Energietitel, die von der Politik massiv unterstützt werden, die Nase vorn. Langfristig orientierte Anleger sollten aber Konjunkturtitel sichten, die mittlerweile aufgrund massiver Kursverluste von einer geopolitischen bzw. weltwirtschaftlichen Entspannung über große Hebel verfügen. Vieles ist bereits eingepreist.
Sentiment und Charttechnik DAX - Sind bald alle schlechten Nachrichten eingepreist?
Aus Sentimentsicht zeigen die zuletzt massiven Aktienverkäufe deutliche Anzeichen einer „Kapitulation“. Hinzu kommt die zwischenzeitlich stärkste Spekulation von Hedgefonds auf fallende Aktienkurse (sog. Leerverkäufe) seit der Lehman-Pleite, vor allem in Europa. Ob das schon der finale Ausverkauf ist, der typischerweise das Ende einer Abwärtsbewegung kennzeichnet, bleibt abzuwarten. Einstweilen bleiben nachhaltige Erholungs-Rallyes der Aktienbörsen abseits von Zwischenerholungen noch schwach.
Der Fear & Greed Index von CNN Money verharrt im Bereich extremer Angst. Als Kontraindikator ist Panik jedoch ein Anzeichen dafür, dass auch noch die letzten Verkaufswilligen ihre Aktien abwerfen.
Laut Umfrage der Bank of America unter Fondsmanagern hat der weltkonjunkturelle Pessimismus ein weiteres Allzeithoch erreicht, was die Kassenhaltung hochhält. Damit wartet viel Geld an der Seitenlinie, das sich bei Perspektivenaufhellung sofort zurück an die Aktienmärkte traut und für eine Kursbefestigung sorgt.
Bedingung ist jedoch das die diversen Krisenherde abkühlen. Solange müssen Aktien- und Rentenmärkte noch mit erhöhten Kursschwankungen rechnen.
Charttechnisch liegen im DAX auf dem Weg nach unten erste Unterstützungen bei 12.831 und 12.746 Punkten. Weitere Abwärtsbewegungen führen bis an die Haltelinien bei 12.746, 12.646 und 12.439. Im Falle einer Gegenbewegung nach oben liegen die ersten Widerstände bei 13.008, 13.035, 13.125 und 13.225. Werden sie unterschritten, liegen die nächsten Barrieren bei 13.444 und 13.810 Punkten.
Rechtliche Hinweise / Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenkonflikten der Baader Bank AG: https://www.roberthalver.de/Newsletter-Disclaimer-725
Kommentare
Wenn man aber als « normaler Mensch » Zusammenhänge nicht mehr versteht sondern das Gefühl hat: die Welt hat Schizophrenie fängt man an nach Handlungsanleitungen zu suchen.
Im Heute wird die Zukunft gestaltet, die nirgend wo existiert. Aber um die Zukunft zu gestalten, muss man sich zuerst ein Bild von ihr machen und sei es ein falsches.
Fehlt heute ein eindeutiges Bild? Ja … und nein…
Es gibt einen Unterschied zwischen einer kurzfristigen und einer langfristigen Perspektive. Zum Beispiel hatte die Öl-Krise von 1973 kurzfristig einen Schock gebracht, langfristig aber die Politik zum Umdenken gebracht: Umstieg auf Atomenergie, sowie Ausbau von Fahrradwegen ;)
Ein russisches Öl Embargo kann kurzfristig eine Regression, Stagflation bringen (richtig ?) was kann es aber langfristig auslösen? (Richtig !) grüne Energie, Batterien, Chips, Roboter, neue Formen der Energiegewinnung / Wasserstoff &co…
Die Erde wird sich auch das nächste Jahr das 2023ste Mal um die Sonne gedreht haben.
Danke für Ihre klaren Worte
Herzliche Grüße / schönes Wochenende
Lisa
Es scheint mir so, es war unter der Finanzkriese mehr "deutlich(?)" für Sie, Herr Halver, was die Probleme ausmachten, selbst wenn diese so gravierend waren, und wenn Sie die Politikern wirklich ausdrücklich aus den Dornrösschenschlafen aufwecken so zu sagen mochteten...
Sind die (Multiplen) Kriesen heutzutage mehr undurchsichtig? Ist es schwieriger, den Finger auf den Punkt zu zeigen, weil es da unter die Oberfläche viel mehr komplexere Probleme und System-Failure gibt? Man stellt sich die Frage. Irgendwie merke ich immernoch nicht die gleichen Töne von "jetzt wird Handlungsbedarf" (weil wir kein Vertrauen in Handeln mehr haben??)
Meine Persöhnliche (und natürlich höchst Amateur-mässige!) einschätzung am Markt ist folgendes.
- Der S&P macht jetzt gerade (oder "nie") eine deutliche Wende nach oben, bis mindestens 5.200 Punkten (plus/minus 100 punkten oder so). So bildet er nähmlich der letzte grosse "Flat" aller Zeiten (Technisch von Anfang des Dow Jones-birth vor mehr als Hundert Jahre). Dies wird der Weltmeisterschaft aller Psychologischen Verneinungen aller Zeiten der Menschheit sein.
Danach kommt der grösste Wirtschafts-Platzen aller Zeiten in der Menschheit, und Hundert Jahre von "unheilige Paradox-Allianzen" zwischen Kapitalismus und Kommunismus der so unglücklich glechzeitig mit der gewaltige Bevölkerungswachstum der Menschen auf die Erde und der Techbnologische Entwicklung zugleich zusammen gekommen ist, die aber wirklich ursächlich nicht mit einander zu tun haben, bloss die Kathastrophen-Risiken exponentiell erhöht.
Ich meine also im ernst, die meisten Weltbedeutende Indizes folgen jetzt S&P zynisch nach oben - in viele Fällen bis Rekord-niveaus, und dann gibt es abstürzt wie keiner von uns erlebt haben.
Die Gesellschaftsstrukturen werden zugleich auch zusammenstürzen, verfault, zerstört von Dekadenz, Arroganz und Missbrauch und sogar Korrputionen...
Vielleicht kommt es in viele Orten zum Bürgerkriege, in den kommenden 5-10 Jahre nach der Abstürz unsere Wirtschaftliche Modellen.
Weder Kommunismus oder Kapitalismus (die Rauhe variante ohne "Soziale Ingenieurkunst") kann im langen Lauf funktioneren.
Wird Europe aus der Asche solche Kathastrophen wieder aufstehen können? Wenn die Antwort "Ja" wäre, dann kann ich fast versprechen, es muss aus Europa selbst kommen, wie eine Transformation von Innen - zurück nach "Europäische Werten". Keine andere Kontinent verneint seine eigene Geschichte, Kultur und Wirtschaftliche Grundwerte wie Europa! Aber kein anderes Kontinent hat so viel beigetragen an die Menschheit. Dieser Paradox muss so schnell wie möglich eine Ende haben
Je früher wir in Europa diese Transformation machen (was heisst, "Transformatin, unsere eigene Werte zurückfinden, mit Zentraleuropa als Herzstück, meine ich eigentlich) je früher - egal wie schmerzhaft - wir das machen, desto mehr vermeiden wir die schlimmste Kathastrophen aller Zeiten, desto weniger tief werden unsere Wunden!
Das war meine (höchst persöhnliche "BIG PICTURE".
Ich hoffe aber, es sei, irgendwann kommt so die (fast ärgerliche, aber klare) worte von Herrn Halver mit konkretem und aufgeregten Kritik an den Etablissement/Politikern, wo es erstmal Klarheit gibt, wie die Probleme ersteinmal eingekreist werden können (Im konkreten Sinne, vielmehr konkret als heute).
Derjenige die diese Klarheiten erschöpfen könnte, das wäre sicherlich wenige Leute heutzutage. Aber eine von denen wäre - wenn nicht den Herrn Müller selbst - auf jedem Fall Herrn Halver!
Also, ich hoffe, ich bin völlig falsch, und den Herrn Halver kommt wieder mit den gleichen scharfen aufgeregten Tönen wie unter der Finanzkriese, und Dornröschen kann vielleicht wieder aufgeweckt sein, aber sonst habe ich persöhnlich leider keine gute schöne Einschätzung der Zukunft. Denn wenn so eine massive und destruktive und Böse "Ära" von Materialismus unsere Welt jetzt hundert Jahre geprägt hat, und da es gleichzeitig so viele technologische Schritte gemacht wurde, un da die Bevölkerungsmenge auf die Erde so dramatisch gestiegen ist, dann kann das nur (leider leider, schmerzlich anerkannt) durch tiefgreifene Kathastrophen und kompletter Fall der Zivilisation für diesen Mal erst danach weitergehen. Ich schätze also furchtbare Schicksaale der Menschen. Es wird Armut, Tod, Kriege, Bürgerkriege, Rechtstaatliche zerstörung, Sekterismus und Kampf ums Dasein geben die keiner von uns sich einmal vorstellen kann...
Wir blicken also jetzt son langsam über die Kante nach unten in der Hölle, es sei denn, die Grünen, die Feministen, Marxisten auf die Erde und die Geizige Materialistische Idioten bei World Economic Forum alle auf einem Mal sich gleichzeitig ins H2O werfen, und zwar schnell schnell...
Meine letzte Wörter (dass kann man ruhig auf meinen Grabstein schreiben, ist erlaubt...):
KILL MATERIALISMUS
Wenn Europa in Aschen liegen, dann ist das mein Kampfruf. Auch wenn es zum Vierten Weltkrieg kommt
So, alles über unsere politische Inkompetenz ausgekotzt für heute, zumindest :))
Wer hat's erfunden? fragt der Schweizer ;–).
Wenn man über die Bezugsquellen seiner Rohstoffe nicht frei entscheiden kann und dem Hegemon hörig ist, dann muss man leider mit den Konsequenzen leben. Aber, dann darf man als Politiker nicht den Schwur leisten, Schaden vom Volk abzuwenden »So wahr mir Gott helfe.«
Wer sind die beliebtesten Politikdarsteller im Lande? Folgen Sie dem Politbarometer, es sind genau die, die uns in die Sch***** geritten haben. Atlantikbrücke, Bilderberger und Schwab-Knechte.
Für diese Woche habe ich fertig!
Schönes Wochenende, Gruß ironalex