Im Jahr 2008 kam es zur weltweiten Finanzkrise. Nach Pleite der amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers zogen viele Kapitalanleger ihr Geld auch aus den bis dahin als weitgehend sicher geltenden offenen Immobilienfonds ab. Das bewirkte weitere Turbulenzen.

Seinerzeit war es noch möglich, Anteile an Immobilienfonds täglich zu veräussern. Der Verkauf der eigentlichen Immobilie konnte sich hingegen über Jahre hinwegziehen. In Folge konnten die Fondsanbieter Anleger nicht auszahlen und mussten Konkurs anmelden.

Die Konsequenzen der Finanzkrise sind bis heute nicht bewältigt. Banken werden abgewickelt (WestLB), teilverstaatlicht (Commerzbank) oder versuchten zu fusionieren (Deutsche Bank, Commerzbank).

Mit offenen Immobilienfonds wird jedoch wieder Geld verdient. Aus der Perspektive von Fondsgesellschaften und Banken sind diese ein durchaus solides Anlageprodukt, denn das finanzielle Risiko etwaiger Notverkäufe wurde zu wesentlichen Teilen übergewälzt. Dieses tragen heute nahezu vollumfänglich Verbraucher - also (Klein-) anleger.

Schutz von Kleinanlegern – MiFID II: „Transparenz“ auf 20.000 Seiten

Die sogenannte EU-Richtlinie über Märkte für Finanzierungsinstrumente (MiFID II) soll seit dem 03.01.2018 den Wertpapierhandel in Europa vereinheitlichen und für Kunden transparenter machen.

„Ziel der Novelle ist es, die Funktionsweise und Transparenz der Finanzmärkte zu verbessern und Verbraucher in der Europäischen Union (EU) besser zu schützen. Der deutsche Gesetzgeber hat die MiFID II mit dem Zweiten Finanzmarktnovellierungsgesetz umgesetzt“ (1).

Auf über 20.000 Seiten sollen die Richtlinie und begleitende Bestimmungen nunmehr für Klarheit und Anlegerschutz sorgen. Kritiker bezweifeln, dass das Gesetz wirklich dem Verbraucherschutz dient.

MiFID II ist zunächst als Reaktion auf die Finanzkrise des Jahres 2008 zu verstehen: (2)

Zu den wichtigsten Änderungen für Anleger gehören gemäß Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin):

  1. Aufzeichnung von Telefongesprächen und elektronischer Kommunikation
    Ziel: höhere Rechtssicherheit im Streitfall
  2. Bestimmung von Zielmärkten
    Zweck: Anlageprodukte sollen nur jenen Kundengruppen angeboten werden, zu deren Bedürfnissen diese passen
  3. Geeignetheitserklärung
    Ziel: Privatkunden erhalten im Falle einer Anlageberatung eine Erklärung über die Geeignetheit der Empfehlung.
  4. Kosteninformation
    Ziel: Anleger sollen detaillierte Aufstellung über die mit der Anlage verbundenen (Verwaltungs-)kosten erhalten.

Vorstehende und die weiteren gemäß MiFID II vorgesehenen Maßnahmen mögen dazu beitragen, dass die Finanzmärkte effizienter, widerstandsfähiger und transparenter werden. Den Anlegerschutz und offene Immobilienfonds betreffend sind diese jedoch ein zweischneidiges Schwert:

Während der Finanzkrise 2008 haben viele Verbraucher ihr in offene Immobilienfonds investiertes Kapital verloren. Nahezu zeitgleich versuchten die Anleger ihre Anteile zu veräussern; Fonds mussten Immobilien unter Wert veräussern, wurden zahlungsunfähig.

Um eine Wiederholung der Krise offener Immobilienfonds zu vermeiden, wurde im Zuge der Umsetzung von MiFID II eine weitere Gesetzesänderung vorgenommen:

Anleger müssen auf einen angemessenen Verkaufspreis spekulieren – Banken und Fondsgesellschaften geschützt!

Anteile an offenen Immobilienfonds die nach dem 21.07.2013 erworben wurden unterliegen einer Mindesthaltefrist von 24 Monaten sowie einer Rückgabefrist von zwölf Monaten (§ 255 Absätze 3 und 4 Kapitalanlagegesetzbuch). Verbraucher haben ihre Verkaufsabsicht also zwölf Monate vor Termin dem Geldinstitut - unwiderruflich - mitzuteilen.

Für den Rücknahmepreis ist jedoch der Tag der effektiven Rückgabe maßgeblich. Da der künftige Verkaufspreis unbekannt ist, bleibt dem Anleger nur zu hoffen, dass er nach Ablauf eines Jahres keinen Verlust erzielt. Der ein oder andere könnte denken, „bei einem sich abzeichnenden Verlust widerrufe ich meine Rückgabeerklärung". Eben dies ist jedoch gesetzlich ausgeschlossen (§ 255 Absatz 4 Satz 1 Kapitalanlagegesetzbuch).

Banken und Fondsgesellschaften sind so geschützt. Nämlich dann, wenn bei einer neuerlichen Finanzkrise und Wertverlust viele Kleinanleger zeitgleich ihre Geldanlage zurückgeben wollen. Für Verbraucher und Kleinanleger bleibt dann nur die Hoffnung, nach einem Jahr einen angemessenen Verkaufspreis zu erzielen.

Verkauf über die Börse könnte schwierig werden

Die gesetzlich festgeschriebene Haltefrist kann legal umgangen werden. Offene Immobilienfonds lassen sich über den täglichen Börsenhandel verkaufen. In der Regel werden hierfür jedoch Provision, Transaktionsentgelt und Maklercourtage fällig (gesamt ca. 1,15 % des Kurswertes).

Der erzielbare Verkaufspreis kann jedoch niedriger als der von der Fondsgesellschaft ausgewiesen Fondswert ausfallen. Dies ist jedoch nicht das eigentliche Problem. Denn die depotführende Bank wird den Verbraucher bereits vorab über den voraussichtlich zu erzielendem Erlös informieren und durch Limitierung eine Preisuntergrenze festlegen.

Kritisch wäre vielmehr, wenn nahezu zeitgleich viele Anleger ihre offenen Immobilienfonds verkaufen wollen. Eben so, wie es im Jahr 2008 der Fall gewesen ist. Ob sich dann an den Wertpapierbörsen Käufer finden lassen, die bereit sind, einen vertretbaren Kaufpreis zu zahlen, darf bezweifelt werden. Der kalkulierbare Weg eines Verkaufs über die Fondsgesellschaft ist aufgrund der unwiderruflichen Rückgabeerklärung aber ebenfalls versperrt. Kein Mensch vermag seriös zu prognostizieren, welchen Wert die Fonds in zwölf Monaten voraussichtlich haben werden.

Von Verbraucherschutz kann insoweit keine Rede sein. Das Verlustrisiko wurde auf den (Klein)anleger übergewälzt. Sicherlich, die Fondsgesellschaften gewinnen Zeit, ihre Immobilien zu verwerten. Insoweit besteht Aussicht, dass die Fondsinhaber einen höheren Erlös erhalten als bei Notverkäufen. Aber dies wäre Spekulation und somit eben kein Verbraucherschutz.

Fazit - Altersvorsorge durch offene Immobilienfonds nur bedingt möglich

Im fortgeschrittenen Lebensalter ist es wichtig, möglichst ohne Verlust über die angesparte Altersvorsorge verfügen zu können. Nur die wenigsten Arbeitnehmer über 55 werden die Möglichkeit haben, im Falle eines (teilweisen) Kapitalverlustes erneut Geld zur Altersabsicherung anzusparen.

Zur Altersabsicherung taugen offene Immobilienfonds aufgrund vorgenannter Unwägbarkeiten nur bedingt. Bei einer verlässlichen Altersvorsorge sollte wenigstens der Erhalt des eingezahlten Kapitals garantiert sein. Dies ist jedoch ebenso ungewiss, wie die von Fondsgesellschaften und Banken in Aussicht gestellte Rendite.

Soweit eine Rendite ausgeschüttet wird, ist bei freiwillig Krankenversicherten zu bedenken, dass im Alter hierauf Sozialversicherungsbeiträge anfallen. Denn der Beitragsbemessung ist die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Versicherungsnehmers zugrunde zu legen. Und zwar in voller Höhe - d.h. Krankenversicherung (Jahr 2019: 14.60 % zzgl. Zusatzbeitrag von durchschnittlich 0,90 %) sowie Pflegeversicherung (3,05 % bzw. 3,30 % bei Kinderlosigkeit).

(1) https://www.bafin.de/DE/PublikationenDaten/Jahresbericht/Jahresbericht2017/Kapitel5/Kapitel5_1/Kapitel5_1_1/kapitel5_1_1_node.html (zuletzt aufgerufen am 25.06.2019)

(2) https://www.bafin.de/SharedDocs/Downloads/DE/Rede_Vortrag/dl_180413_invest_vortrag_1.pdf?__blob=publicationFile&v=2 (zuletzt aufgerufen am 25.06.2019)

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