Nein, ich bekomme mich einfach nicht mehr ein. Seit Stunden schon plagt mich ein Lachkrampf, gegen den kein Kraut gewachsen ist. Grund dafür ist wiederum ein Kraut, das aber andere geraucht haben. Es geht wieder mal um Geld und Experten – eine ganz grausame Mischung…

Wissen Sie, wie man schneller wach wird als mit einer Überdosis Kaffee? Mit Schlagzeilen, wenn sie vor allem einschlagen. So richtig – meine ich. Deshalb heißen sie ja so. Sie treffen einen wie der Blitz aus heiterem Himmel oder der beim Hineingreifen in eine Steckdose.

„Experten sehen die Untergrenze der Leitzinsen erreicht.“

Was für eine Aussage! Was heißt Aussage, das ist grausame Satire! Aber es gibt Zeiten, da steckt man immer die Falschen ins Gefängnis. Tiefer als Null geht es nicht. Wenn man das erkannt hat, ist man wirklich Experte. Den Begriff gibt es wahrscheinlich nur, weil „Dummkopf“ und „Blinde Nuss“ strafrechtlich relevant sein könnte. „Journalist“ ist ja auch kein geschützter Begriff. Wer beim Frisör Journale durchblättert, kann sich doch auch so nennen!

Jedenfalls wurde ich köstlich unterhalten und so durch den Morgen geschickt. Damit war der Tag aber noch längst nicht beendet.

Zu einen überwand der DAX seine 200-Tage-Linie. Hirntote Handelsmaschinen kommen dann in Wallung. Hirntote Beobachter sagen dann, die Investoren wären wieder ganz besonders optimistisch. Warum auch immer. Wahrscheinlich weil der ZEW-Index stärker ausfiel als erwartet. Das ist ein Stimmungsindikator von Finanzmarktexperten, also diejenigen, die obige Schlagzeile formulierten.

Finanzmarktexperten ist noch ganz anderes zuzutrauen. Kleine Steilvorlage?

Sie werden vermutlich schon in wenigen Monaten auf die Idee kommen, dass die US-FED erfolgreich die „Zinswende“ durchgezogen hat, obwohl die Leitzinsen gar nicht weiter gestiegen sind. Sie werden sagen, die FED hat fünf Mal den Leitzins um jeweils 0,05% angehoben – damals im Dezember. Und da der Dezember noch im Jahr 2015 stattgefunden hat, werden andere Experten dann errechnen, dass der Dezember 2015 statistisch gesehen ins Jahr 2016 gefallen ist – und alles mit tollkühnen Studien untermauern.

Letztlich hat die FED im Jahr 2016 die Zinsen fünfmal angehoben, wie es Goldman Sachs erwartet hat. Nur an einem Tag, auf einmal und im Dezember. Alles gut. Man wird dann spätestens erneute Zinssenkungsfantasien spielen und errechnen, dass die FED mindestens zehn Zinssenkungen vornehmen kann zu jeweils 0,05 Prozent, bis der Zins in den USA ebenfalls auf null gefallen ist.

Klingt verrückt? Ist es auch. Es kommt nur darauf an, das zu verkaufen. Glauben Sie mir, Millionen Experten arbeiten schon daran.

Bevor aber der ganze Spaß des Tages vorbei war, kam der Carney rechtzeitig um die Ecke gestürzt mit ein paar Worten, kaum zu wiegen auf einer Goldwaage – aber lustig. Der Chef der Bank of England und früher mal bei Goldman Sachs verrichtete nur Gottes Werk, raunte ein Börsenhändler. Die BoE bereitet ja den „Markt“ seit gefühlten fünf Jahren oder Jahrzehnten auf die britische Variante einer Zinswende vor.

Herr Carney sagte, man könne die Zinsen auch weiter senken. Ist der nicht herrlich? Auch auf „nahe Null“, denn man hätte noch Spielraum. Vielleicht wären diese Sätze mit dem Spielraum auf einem Spielplatz besser aufgehoben. Weit erschreckender ist aber, dass die Medien, oder das, was davon übrig ist, dem eine solche Bedeutung zumessen. Oder nennt sich das heute Chronistenpflicht? Chronik einer angekündigten Steigerung von Irrelevanz und Unsinn?

Kurz zuvor aber tauchte mitten in der Nacht ein Herr Eichengreen auf, ein stimmberechtigtes Mitglied der US-Notenbank. Die Medienlandschaft klebte selbstverständlich an seinen Lippen, obwohl es dahinter nicht so gut riechen dürfte.

Er redete und redete … und auch davon, dass er die Finanzmärkte nicht verstehen würde. Das hätte mich auch gewundert, ich verstehe diese selbst auch nicht. Er aber versteht nicht, dass diese Finanzmärkte, oder das, was davon übrig ist, nicht mit einer (möglichen) schnelleren Zinswende rechnen.

Früher hätte das für einen veritablen Crash genügt. So aber stieg der „Markt“. Nimmt der Markt die Geldgötter etwa nicht mehr ernst? Oder weiß dieser „Markt“ mehr als die Geldmacher selbst? Wenn ja, wäre das doch wirklich eine Schlagzeile wert… eine Zeile mit Schlag… „Markt misstraut Geldpolitikern…“ oder so ähnlich.

Wie heißt es so schön, die Zentralbanken können die Pferde an die Tränke führen, aber saufen müssen sie selbst. Mit den Möhren ist das auch so. Bislang war es aber so, dass die Finanzmärkte, oder das, was davon übrig geblieben ist, dankbar und demütig diese vor ihre Füße abgekippten verbalen Möhren gerne in sich hinein gefressen haben. Aber immer nur Möhren? Und auch noch welche, die längst verdaut worden sind?

Ich warte auf die Schlagzeile, wo es heißen wird: Experten sicher: „Notenbankmitglieder nicht mehr bei Verstand und am Ende ihrer Macht“. Bis dahin bleibt es lustig, je nachdem, wie die Experten „lustig“ definieren.

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