Der Aktienmarkt hat die Kraft der zwei Herzen

Aktionäre werden zurzeit Zeugen einer reinrassigen Liquiditätshausse. Für so ziemlich alle Notenbanken der Industrieländer scheint es nur ein Gas zu geben: Vollgas. Offensichtlich ist ihre Angst groß, dass Konjunktur und Finanzmärkte durch die immer noch vorhandenen Krisensymptome irreparabel geschädigt werden könnten. Daher werden sie gnadenlos in Liquidität ersäuft.

 

Auch die US-Notenbank hat einen Tapering-Rückzieher gemacht. Die Konsumentenstimmung oder die Beschäftigungslage sind wohl noch nicht so vollmundig, dass die gewaltigen Anleihenaufkäufe der Fed von monatlich 85 Mrd. US-Dollar reduziert werden können. Nicht, dass die konjunkturelle Stimulierung bei einer Drosselung der Liquiditätszufuhr auch nur im Entferntesten gefährdet wäre, im Gegenteil. Selbst bei sofortiger Einstellung der Anleihenaufkäufe wäre genügend Liquidität vorhanden, um die gesamte US-Wirtschaft noch mehrfach zu finanzieren. Nein, das Problem ist die Psychologie, das Kopfkino der Anleger, konkret die vielleicht sogar paranoide Angst, dass die Droge Liquidität den Finanzmärkten irgendwann abhanden kommen könnte. Nur so lässt sich erklären, dass allein schon eine Tapering-Diskussion seit Mai ausreichte, um weltweit heftige Zinsängste und Kapitalfluchten auszulösen, als stünde der kalte Liquiditäts-Entzug unmittelbar bevor. De facto hat aber nicht ein Cent weniger Liquidität die Finanzmärkte erreicht.

 

Die Liquiditätshausse geht weiter

 

Wenn aber schon die kleinste Androhung einer auch nur verringerten Liquiditätszufuhr zu massiven Anlegerverunsicherungen führt, was für einen „Weltuntergang“ muss man dann erst befürchten, wenn die US-Notenbank irgendwann tatsächlich Liquidität netto abzieht? Ich frage mich, kann die Finanzwelt eine wirkliche geldpolitische Restriktion überhaupt jemals wieder verkraften? Ist die sehr nebulöse Informationspolitik nach der letzten Fed-Sitzung in punkto zukünftiger US-Notenbankpolitik nicht schon ein Indiz für diese neue geldpolitische Realität?

 

In jedem Fall wird wohl die neue, weißhaarige und als geldpolitische Taube bekannte US-Notenbankchefin Janet Yellen - Spitzname „La Paloma Blanca“ - ab April 2014 nur im Schonwaschgang tapern und zusätzlich als Breitbandantibiotikum gegen eine daraufhin mögliche Marktverunsicherung die Dauer rekordniedriger US-Notenbankzinsen auf unbestimmte Zeit verlängern. Im Übrigen muss Frau Yellen immer einen Blick auf die innenpolitischen Feuerteufel in den USA haben, die im Vorfeld der US-Zwischenwahlen im November 2014 versucht sein könnten, erneut mit dem Instrument „Budgetkonflikt“ die Weltkonjunktur und -finanzmärkte verantwortungslos in Brand zu setzen.

 

Wann sterben Liquiditätshaussen?

 

Früher sind Liquiditätsblasen an den Aktienmärkten - siehe die Dotcom-Euphorie 2000 oder die Immobilienhausse in den USA 2008 - durch vorhergehende Zinserhöhungen vor allem der US-Notenbank zerstört worden.

 

Heutzutage ist diese Gefahr mit Blick auf die weiter dringend gebotene, notenbankseitige Entschärfung der weltweiten Schuldenkrise noch lange nicht in Sicht. Und schließlich muss ein besonderes Auge auf die weltkonjunkturell bedeutenden Kronjuwelen der Emerging Markets geworfen werfen, die besonders empfindlich auf einen geldpolitischen Klimawandel reagieren.

 

Grundsätzlich birgt der zukünftige geldpolitische Umgang mit der mittlerweile vorhandenen Liquiditätsschwemme latent hohe Risiken. Die durch - auch verbal - unbedachte Aktionen hervorgerufenen Bewegungen der Wassermassen eines Atlantiks können ganz andere Schäden anrichten als die eines Bodensees.

 

Grundsätzlich kommt auch die EZB aufgrund der im Hintergrund weiter schwelenden Euro-Krise nicht mehr aus ihrer Rettungsnummer heraus. Sie muss die heilige Euro-Familie zusammenhalten. Wie will man trotz mangelhafter Sparaktivitäten zur Rückgewinnung von Bonität z.B. in Italien ansonst deren Renditen von Staatsanleihen drücken? Und lädt nicht der exportbehindernde, starke Euro die EZB ebenso zum geldpolitischen Einschreiten ein wie die - zumindest offiziell - rückläufige Inflation im Euroraum? Ohnehin muss die Eurozone im Vergleich zu den niedrigeren Notenbankzinsen in den USA und Japan als „Hochzinsland“ betrachtet werden.

 

Insgesamt haben die Finanzmärkte allen Grund, weiter auf ein festes Glaubensbekenntnis zu vertrauen: Und wenn man denkt, es geht nicht mehr, kommt von irgendwo die Notenbank und damit die Liquiditätshausse her.

 

Auch fundamental hellen sich die Perspektiven auf

 

Die real existierende Liquiditätshausse hat zwar dazu geführt, dass Stoxx, S&P 500 oder DAX technisch überkauft und auch nicht mehr billig sind. Jedoch ist die weltweit ultralockere Zentralbankpolitik auch ein Treibmittel für eine weltwirtschaftliche Beschleunigung im Jahr 2014. Dass der konjunktursensitive MDAX den sicherlich alles andere als schwachen DAX outperformt, ist hierfür ein starkes Argument. Über das billige und üppige Notenbankgeld wird die private Kreditvergabe angekurbelt. Aber auch neue staatliche Konjunkturpakete für die angeschlagenen Euro-Staaten können zu geldpolitisch subventionierten Kreditzinsen haushaltschonend finanziert werden. Gerade diese volkswirtschaftliche Ersatzbefriedigung ist wichtig, da man an Strukturreformen, die längerfristig die Unternehmensinvestitionen, die Exportwirtschaft und über mehr Beschäftigung auch den Konsum verbessern würden, aus wahlpopulistischen Gründen immer noch keinen Gefallen findet.

 

Wie auch immer, über die konjunkturell steigenden Unternehmensgewinne werden sich dann auch die hohen Aktienbewertungen wieder entspannen.

 

Apropos Bewertung, während der normale DAX - der als Performance-Index die Dividenden mit einrechnet - ein neues Allzeithoch erreicht hat, ist der reine Kursindex mit einem aktuellen Stand von ca. 4780 von seinem Rekordstand am 7. März 2000 von 6266,15 Punkten noch ungefähr 24 Prozent entfernt.

 

Und noch einmal Bewertung, dieses Mal relativ: Wenn behauptet wird, das Aktien teuer sind, was sagen wir dann zu Staatsanleihen, die trotz schlechter werdenden Bonitäten viel zu geringe Renditen bieten?

 

Das Dream Team für Aktien

 

Insgesamt bilden die sich belebende Weltkonjunktur und die weiter ultralockeren Notenbanken ein Doppelargument für Aktien. Beim Eintreffen dieser Entwicklungen ist bis Jahresende ein Niveau des DAX bis etwa 9.500 Punkten bzw. bis ca. 16.800 Punkten beim MDAX möglich. Dabei darf nicht vergessen werden, dass viele große Investorengruppen immer noch schwach in Aktien investiert sind. Zudem haben die Chinesen aufgrund des wenig entzückenden Umgangs amerikanischer Finanzpolitiker mit US-Schulden und damit weiter Teile des Auslandsvermögens Chinas die Nase gestrichen voll und werden zukünftig zur Risikodiversifizierung stärker euroländischen Staatsanleihen, aber auch Aktien zugetan sein. Hilfreich ist dabei neben der EZB auch die designierte Große Koalition in Berlin, die wie der Fels von Gibraltar für eine Stabilisierung der Eurozone steht. Außerdem stehen immer noch die Privatanleger an den Außenlinien des Aktienspielfelds. Aktuell gibt der deutsche Durchschnittshaushalt mehr Geld für Bananen als für Aktien aus.

 

Verschnaufpausen mit zwischenzeitlichen Konsolidierungen am Aktienmarkt müssen sicherlich einkalkuliert werden, ja sind sogar gesund. Denn zwischendurch werden wir immer wieder daran erinnert werden, dass Risiken in unserer Finanzwelt trotz bester Krisenentschärfung nicht zu einer ausgestorbenen Spezies geworden sind. Regelmäßige Aktiensparpläne in konjunktursensitiven und dividendenstarken Titeln sind hierauf eine passende Anlegerantwort.

 

Grundsätzlich besteht aber kaum ein Zweifel, dass Aktien im Trend weiter zulegen werden. Für diese Erkenntnis braucht kein Anleger die NSA. Und welcher Anleger will sich jetzt noch einseitig mit renditeschwachem Zinsvermögen abfinden. Irgendwer muss zwar diesen Deckel für die Euro-Rettung bezahlen. Aber das müssen ja nicht Sie sein!

Beitrag senden

Drucken mit Kommentaren?



href="javascript:print();"