Für die Finanzmärkte ist die Lösung der griechischen Frage die Nagelprobe für den Europäischen Währungsraum insgesamt.

Finanzmärkte können manchmal bockig sein wie pubertierende Teenager: Trotz aller Kreditzusagen und der bedingungslosen Refinanzierungszusage der Europäischen Zentralbank selbst für Ramschanleihen sehen sie offensichtlich noch keine nachhaltige Lösung für Griechenland. Dabei wird die Lösung für Hellas als Bewährungsprobe für die Zukunft des Euro-Währungsraums insgesamt angesehen. Griechenland ist sozusagen die Spitze des Eisbergs. Und die Zweifel sind groß: Wie kann eine Kernsanierung des wettbewerbsschwachen Landes in der Zwangsjacke einer Starkwährung erfolgreich sein? Die Historie zeigt deutlich, dass Währungsabwertungen - z.B. nach der Asien-Krise - dringend notwendige Elemente der Sanierung sein mussten. Ohne dieses Instrument muss Griechen eine Herkulesaufgabe leisten, die es aufgrund geringer Muskelmasse nicht leisten kann. Die Konsequenzen dürften fatal der Deflationspolitik des deutschen „Hungerkanzlers“ Brüning ab 1930 ähneln, die zu einer scharfen Rezession mit massiven sozialen Spannungen führen kann. Im schlimmsten Fall könnte Griechenland gezwungen sein, als politischen Befreiungsschlag von sich aus die Euro-Gemeinschaft zu verlassen und damit die Finanzmärkte unvorbereitet auf dem falschen Fuß erwischen.  

Auch die von vielen Deutschen favorisierte Lösung, zur DM zurückzukehren, sollte schnell wieder in der Schublade verschwinden. Über die Folgen der massiven Abschreibungen auf diverse ausländische Staatsanleihen möchte ich gar nicht erst nachdenken. Dagegen erscheint die Lehmann-Pleite als Kindergeburtstag. Zudem fielen unsere europäischen Exportmärkte mangels Wirtschaftskraft wie ein Kartenhaus zusammen und die anschließenden Abwertungsorgien der bisherigen Abnehmerländer gäben unserer Industrie den Rest. Das Tragischste wäre jedoch der Rückfall in das alte Europa, das G2, also den USA und China, nichts mehr entgegenzusetzen hätte. Deutschland allein wäre politisch und wirtschaftlich auf die Bedeutung eines Tauchsieders reduziert, der versucht, den Atlantik aufzuheizen.

Nein, der europäische Währungsraum muss grundsätzlich als stabilitätsorientierte Konkurrenzveranstaltung zum angelsächsischen Blasenkapitalismus erhalten bleiben. Allerdings sollte man über ein Euroland der zwei Geschwindigkeiten diskutieren. In der Formel 1 befinden sich die Stabilitätsländer wie Deutschland und in der Formel 2 die wettbewerbsschwachen Satellitenländer, die wie beim früheren Europäischen Währungssystem ihre nationalen Währungen zur Konjunkturstützung begrenzt gegenüber dem Euro abwerten können. Bei Performance treten sie der Königsklasse wieder bei. Der Charme dieser Lösung ist, dass sich in den Kernländern der Weg zu einer dringend gebotenen politischen Union beschleunigen ließe, was in einem großen kakophonischen Hühnerhaufen fast unmöglich ist. Ich bin nicht naiv und weiß natürlich, dass auch diese Lösung zu merklichen Erschütterungen an den Kapitalmärkten führen wird. So dürfte eine Umschuldung nicht zu verhindern sein und sicherlich müsste auch die EZB ein weiters stabilitätspolitisches Feigenblatt fallen lassen und Staatsanleihen am Markt aufkaufen. Aber einen Tod werden wir sterben müssen. Die jetzt geplante Lösung ist ein süßes Gift, das die große Gefahr birgt, über Dominoeffekte zum schleichenden Tod insgesamt zu führen. Eine nur kurzfristige politische Lösung nach dem Motto „Ok, wir machen das mit den Fähnchen“ macht aus dem stolzen europäischen Stier am Ende nur einen schüchternen Wallach.

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