Verkaufsempfehlungen nutzen nur wenigen – Von Kaufempfehlungen profitieren viele – Oder gehen negative Einschätzungen nur an die eigene Kundschaft mit entsprechenden Beständen? – Die Bundesbank hatte die Analysten heftig kritisiert – Doch der DVFA-Präsident sagt „falsch“

Betagte Aktiensparer wissen es längst, dass von den Aktienanalysten deutlich mehr Kauf- als Verkaufsempfehlungen abgegeben werden. Eine schnelle Statistik bestätigt das erneut. Die von einer großen überregionalen Tageszeitung fast täglich in 15 bis 20 Zeilen aufbereiteten Kurzfassungen der Analysten-Tipps bringt für die vergangenen fünf Tage folgendes Ergebnis: Zahl der Verkaufsempfehlungen 5; Zahl der Halten/Neutral-Empfehlungen 9; Zahl der Kaufempfehlungen 29. Wie das? Die Journalistenkollegen dürften kaum eine derart bewusste Vorauswahl getroffen haben.

Sicher ist es keineswegs so, dass Analysten so positive Denker sind und dementsprechend häufiger zu diesem positiven Werturteil greifen. Denn das würde ihren Kunden nichts nutzen, sicher oft im Gegenteil, wenn die falschen Werte empfohlen werden. Vielmehr sollte es so sein, dass vor dem Hintergrund der allgemeinen konjunkturellen Lage Analysten schon aufgrund ihrer oft jahrelangen Erfahrung für bestimmte Branchen und Werte auch ohne eine aktuelle umfassende Analyse eine Meinung, ein Gefühl dafür haben, welche Aktie in der nächsten Zeit profitieren könnte. Und daraus wird dann nach eingehender – und die Annahmen bestätigenden – Analyse eine konkrete Kaufempfehlung.

Analysen sind ein Service für Kunden

Umgekehrt könnte dies natürlich auch gelten, also bewusst schlechte Werte ansehen und dann zu Verkaufsempfehlungen kommen. Doch dann geht der Sinn der Finanzanalyse in den Research-Häusern verloren. Denn mit den Finanzanalysen soll den Kunden des Hauses ein besonderer Service geboten werden, der vorhandene Kunden bindet und eventuell neue Kunden anlockt (wenn die Empfehlungen sich auf Sicht als stimmig erweisen). Und dazu kommt eine anderer, sehr wichtiger Aspekt: Von interessanten Kaufempfehlungen kann jeder Anleger-Kunde profitieren. Von Verkaufsempfehlungen können hingegen nur jene wenigen Aktienkunden profitieren, die die betreffende Aktie im Depot haben. Und diese sind möglicherweise sauer, weil ihnen ihre Bank eine falsche Disposition beibringen will.

In Zusammenhang mit dem Ausgangstatbestand und der Beobachtung, das vor allem in Börsenabschwungphasen die Analysten mit einer Zurücknahme ihrer Gewinnschätzungen hinterherhinken, hatte die Deutsche Bundesbank vor einigen Jahren im Monatsbericht (Juli 2009) den Analysten harten Tobak vorgeworfen. Die Analysten würden bewusst versuchen, negative Gewinnprognosen zu vermeiden, um bestehende gute Geschäftsbeziehungen zu Unternehmen nicht zu gefährden. Ein auch nicht ganz neuer Gedankengang, der schon hier und da, auch bei Neuemissionen, zu dem Hinweis geführt hatte, sich in Bezug auf Gewinnschätzungen bei einem ins Auge gefassten Unternehmen mehr auf die Schätzungen jener Häuser zu verlassen, die nicht zum Kreis der Hausbanken des betreffenden Unternehmens gehörten. Allerdings wird dem sofort entgegen gehalten, dass jene Häuser dann auch einen schlechteren Einblick  in die Geschicke des Unternehmens hätten (was insidermäßig aber auch nicht sein dürfe!).

Die Statistik hinkt hinterher – nicht die Analysten

Die Analysten waren ob der ketzerischen Vorwürfe der Bundesbank natürlich sauer und warfen auch gute Argumente ein. Die statistische Datenbank, auf die sich die Bundesbank stütze (IBES), sei sowohl fehlerhaft als auch lückenhaft. Fehlerhaft, weil darin die unterschiedlichsten Gewinnbegriffe nach HGB, IFRS, US-GAAP etc. Eingang fänden, und das vor oder nach ao Posten; eine Datenbasis aus Äpfel und Birnen. Stärker noch dürfte jedoch ein anderes Argument des DVFA-Präsidenten sein. Die von den Research-Abteilungen erarbeiteten Reports seien kein öffentliches Gut, sie würden für die eigene Kundschaft erstellt. Erst wesentlich später, also nach der eigenen Kundschaft, fänden diese Analysen dann erst Eingang auch in die IBES-Statistik. Sein Fazit: Die Statistik hinkt hinterher, nicht die Analysten. Es sei nicht die Aufgabe von – meist teuren, wäre einzufügen – Analysten, die Öffentlichkeit mit kostenlosen Prognosen und Empfehlungen zu versorgen. Vorrangig seien deren Kunden. Diese erhielten Prognoseänderungen sofort und regelmäßig, wenn sie notwendig würden.

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