Eine der auch an kühleren Abenden mehr oder weniger heiß diskutierten Fragen der Wirtschaftswelt ist die Thematik der Preis- und Kaufkraftentwicklung. Der gute alte Zwist zwischen Deflationisten und Inflationisten hat durch die Experimentalökonomen bei den internationalen Zentralbanken neue Nahrung erhalten. Als Bewohner der Eurozone weiß man zwar spätestens seit der Währungsunion, was man von offiziellen Inflationszahlen halten soll, trotzdem wollen wir uns davon nicht abhalten lassen, und heute einmal eine andere Sichtweise auf die Preisentwicklung eröffnen.
Einleitend vielleicht der Grund, warum wir uns diesem Thema widmen. Angesichts der Entwicklung der Löhne und Gehälter, vor allem aber auch der Vermögen, die seit 2007 im Allgemeinen einen üblen Schlag einstecken mussten, stellt sich doch die Frage, ob es denn allein entscheidend ist, was etwas kostet. Mal angenommen, ich besitze €100 Vermögen (zum Beispiel 400 Arcandor Aktien) und ein Bier kostet €1,00. Einmal angenommen, im Folgemonat kostet ein Bier nur noch €0,90 (Klatschen aus der Deflationsecke) und mein Vermögen hat sich auf €80 reduziert. Jetzt ist zwar das Bier billiger geworden, trotzdem ist es für mich, aus Vermögenssicht, teurer geworden, da mein Vermögen um 20% geschrumpft ist, während das Bier nur 10% günstiger zu haben ist.
Für eine bessere Darstellung ziehen wir den Quotienten, um darzustellen, wieviele Biere ich für mein Vermögen bekomme. Vor einem Monat wären dies genau einhundert Biere gewesen, jetzt bekäme ich noch 88,8 Biere (bei einem netten Gastwirt also 89). Bezogen auf mein Vermögen bekäme ich nun also etwa 11% weniger Bier, das Getränk ist also gemäß dieser Betrachtung um diese 11% weniger erschwinglich.
Diese Betrachtung werden wir nun auf die US Vermögen der privaten Haushalte und auf deren Gehälter und Einkommen richten. Wie im obigen Beispiel dividieren wir den Vermögens- bzw. Gehaltsindex durch den Verbraucherpreisindex. Den Wert des Quotienten wollen wir nicht überinterpretieren, es geht um die generelle Tendenz, daher zeigen die Grafiken die prozentuale Veränderung dieses „Erschwinglichkeits-Wertes“. Die Ergebnisse sind recht erstaunlich!
Angesichts des Jubels über vermeintliche Reallohnzuwächse und „endlich sinkende Preise“ hilft die oben stehende Betrachtung das Gefühl zu erklären, sich trotzdem weniger leisten zu können. Während das Bild bei der gehaltsbezogenen Betrachtung deutlich, aber nicht umwerfend ist, stimmt die Vermögensbetrachtung schon nachdenklich. Immerhin erreichte dieser Typ des „Rott’schen Inflationsindex“ (der Leser möge uns die Bezeichnung verzeihen) ein neues Rekordhoch von deutlich über 5%.
Vor allem, wenn man sich den offiziellen Index zur Preisentwicklung vor Augen hält, der ja in den negativen Bereich gerutscht ist, erklärt die veränderte Betrachtungsweise zumindest zum Teil die „gefühlte Inflation“, denn diese ist in dieser Betrachtung alles andere als gefühlt, sie ist real.
Bevor uns empörte Definitionstheoretiker aufs Dach steigen, wollen wir natürlich nicht vergessen anzumerken, was Inflation laut Definition bedeutet. Mit diesem Begriff bezeichnet man im Allgemeinen einen Preisanstieg. Vereinfacht gesagt, bekommt man für die gleiche Menge Geld morgen weniger vom selben Gut als heute. Das Gut wird in der Theorie durch einen mehr oder weniger realitätsnahen Warenkorb dargestellt, dessen Zusammensetzung des Öfteren geändert wird. Unsere Betrachtungen stellen folglich nicht das dar, was man gemeinhin mit Inflation bezeichnet, das ist auch nicht das Ziel der Betrachtung.
Vielmehr zeigen die Darstellungen eines: Eine negative Inflationsrate bedeutet nicht zwingend, dass die Menschen sich mehr leisten können. Aktuell ist das Gegenteil der Fall, der offizielle Preisindex sinkt langsamer als die Gehälter und viel langsamer als die Vermögen. Es geht also in diesem Falle nicht dem Geld die Kaufkraft verloren (was natürlich nichts am langfristigen Trend des Verdampfens der Fiat-Währungen, also des Papiergeldes ändert) sondern den Menschen geht das Geld verloren. Der Effekt ist der Gleiche, ein deutlicher Kaufkraftverlust.
(Klatschen aus der Inflationsecke, Vorhang und aus.)
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Kommentare
von der Seite habe ich das Ganze noch nicht betrachtet. Zwar herrscht für mich momentan Deflation, weil ich das Glück habe, noch in Lohn und Brot zu stehen und die Wirtschaftskrise mich nicht geprügelt hat, aber für die Allgemeinheit sieht die Situation wirklich ganz anders aus.
Kurz nach der Umstellung auf EURO (eigentlich sollte ich besser den Ausdruck
Währungsreform verwenden) kaufte ich ein Eau de Toilette (100 ml) einer be-
kannten Marke. Auf dem Preisschild stand noch DM 70,00. An der Kasse wollte
man jedoch 70 EURO von mir. Ich protestierte, erst dann wurde mühsam umge-
rechnet und ich erhielt das Produkt für EURO 35,79. Heute kostet das Produkt
EURO 80 - 84. Der Handel hat die 100 ml-Größe weitestgehend abgeschafft.
Um die Verbraucher zu täuschen, gibts jetzt nur noch 30 ml + 50 ml-Größen.
Das Vermögen, auf das im Artikel Bezug genommen wird, ist das im Flow of Funds Report der Fed in US Dollar ausgewiesene Vermögen der US Haushalte, eine gängige Kennzahl. Die Gehälter sind - ausnahmsweise - ebenfalls in US Dollar ausgewiesen und nicht in Äpfeln. Alle Zahlen stammen aus den offiziellen Daten der Fed.
Von daher liegen Sie leider falsch, in der Psychologie würde man das wohl einen "Irrtum" nennen. Die Quotienten stellen keinen Vergleich von einem Warenwert mit einem anderem Warenwert dar. Vielmehr wird die Veränderung der Kaufkraft der in Geld ausgewiesenen privaten Vermögen in Bezug auf den offiziellen Warenkorb, der auch das ein oder andere dünne Brett enthalten dürfte, betrachtet.
Wir finden diese Sichtweise sehr interessant. Wenn ein Dollar in diesem Jahr eine um 1% höhere Kaufkraft hat, mein Vermögen aber um 30% sinkt, hält sich die Freude in Grenzen. Da uns die vielfältige wirtschaftliche Definitionswelt und der Tanz um dieselbe hinreichend vertraut sind, haben wir, um religiös-makroökonomischen Fehden aus dem Weg zu gehen, der Begriff Inflation in den Grafiken mit Anführungszeichen versehen.
Bei Interesse: Alle Daten finden Sie unter federalreserve.gov
Beste Grüße
Bankhaus Rott
Die Tatsache, dass ein Vermögen in Währungseinheiten (im vorliegenden Fall in Dollar) ausgewiesen wird, bedeutet noch lange nicht, dass es sich dabei um Geldvermögen handelt. Immobilien- und Wertpapierpreise sind jedoch Warenpreise, wie alle anderen Warenpreise auch und nicht gleich Geld. Sie müssen nämlich zuerst verkauft werden. Die Kaufkraft (K) des Geldes ist jedoch nichts anderes, als der Kehrwert des Preises (P) eines willkürlich definierten Warenkorbes (P=1/K). Wenn nun der Preis dieses Warenkorbes fällt, dann steigt die Kaufkraft der Währung umgekehrt proportional an. Wenn nun die Immobilien- oder Aktienpreise stärker fallen, als der Preis des Warenkorbes, dann sinkt auch der in Dollar ausgewiesene Geldwert dieser Vermögen stärker ab, als der Geldwert des Warenkorbes. Das empfindet derjenige, der sein Vermögen erst in Geld tauschen muss, damit er den Warenkorb kaufen kann selbstverständlich als Entwertung seines Vermögens. Insofern sind hier Äpfel mit Birnen verglichen worden. Dabei entsprechen die Äpfel den Immobilien oder Aktien (ausgewiesen in Dollar) und die Birnen dem Bier bzw. dem Warenkorb (ebenfalls ausgewiesen in Dollar).
Selbstverständlich weist die FED die Löhne auch in Dollar aus und nicht in Äpfeln. Macht aber nichts. Denn, wenn im zeitlichen Ablauf der Ereignisse zuerst die Löhne fallen und später erst die Preise, dann hängt die aktuelle Kaufkraft selbstverständlich sowohl von der zeitlichen Abfolge, als auch vom Verhältnis dieser Änderungen ab.
Die Begriffe Inflation und Deflation beziehen sich immer auf das Verhältnis von Geld und mittleren Warenpreisen. Das Verhältnis der Warenpreise untereinander ist jedoch, wie bereits Adam Smith feststellte, nicht von der Geldmenge abhängig. Religiös makroökonomische Fehden finden lediglich unter denjenigen statt, die die Begriffe Deflation und Inflation nicht richtig verstanden haben.
Es freut uns sehr, dass sie das Thema anscheinend genauso sehr interessiert wie uns.
Wie wir bereits erwähnten, ist es das Ziel dieses Artikels, eine andere Sichtweise einzunehmen. Darauf weisen wir, da uns - wie vielen Lesern sicherlich auch - die von Ihnen zitierten simplen Definitionen durchaus geläufig sind, in unserem Artikel recht dezent hin.
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Unsere Betrachtungen stellen folglich nicht das dar, was man gemeinhin mit Inflation bezeichnet, das ist auch nicht das Ziel der Betrachtung.
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Beste Grüße
Bankhaus Rott