Der Mensch tut sich schwer damit, nichts zu tun. Auf eine mehr oder weniger kurze Phase der Beschäftigungslosigkeit folgt oft ein Aktivitätsschub. Man muss was tun! In vielen Lebenssituationen mag dies hilfreich sein, am Finanzmarkt hingegen gibt es kein Anrecht auf einen Stundenlohn…

Mehr Nachdenken und weniger operative Hektik ist dauerhaft nicht nur entspannter. Es ist auch ertragreicher.

Wenn Sie sich in der Finanzbranche tummeln sollten, kennen Sie sicherlich den Satz „Hauptsache, etwas gemacht!“ Das ist ein an Ignoranz kaum zu überbietender Blödsinn. Je nachdem, ob man Geld für die Eigenanlage eines Instituts oder für einen Kunden anlegt, macht man sich durch eine solche Einstellung selbst oder dem Kunden etwas vor.

Nicht nur bei der Anlage gibt es diesen Grundsatz. Auch das Research der einen oder anderen Großbank war dafür bekannt, ihre Analysten mehr als zehn Stunden täglich in die Tasten hauen zu lassen. Unabhängig von der nicht zu leugnenden Intelligenz mancher Analysten kommt dabei aber auch nicht mehr heraus, als wenn man mal ein paar Tage nur nachdenken würde. Ganz im Gegenteil. Durch die Festlegung auf regelmäßige Erscheinungstermine  (einmal im Monat, einmal in der Woche, einmal oder mehrmals täglich) gibt es einen Zwang zur Quantität. Mit der Qualität ist das meistens negativ korreliert.

In manchen Marktsegmenten gibt es derzeit außer einig Detailanpassungen oder reinen Daten weder etwas schreiben noch etwas lesen. Wer sich im Rückblick einmal die letzten Jahre Pfandbrief-Analysen durchlesen mag, bekommt davon einen guten Eindruck. Eine Übersicht der Neuemissionen und der Spreads genügt. Das ist vielen Analysten natürlich bewusst, der Leitung der entsprechenden Firmen oder Einheiten jedoch offenbar nicht. Besonders übel ist dies bei an sich bereits inhaltsleeren Dingen wie EZB-Veranstaltungen. Die Zentralbankangestellten haben sich vor Jahren geäußert, was sie vorhaben. Das kann man für realistisch oder für Quatsch halten, geändert hat sich außer der Ausprägung des einen oder anderen Programm nichts. Dennoch darf man sich auch weiterhin auf 50-seitige Auslegungen der letzten von Herrn Draghi und seinen Knappen gemachten Außerungen und die möglichen Auswirkungen auf kurzlaufenden Anleihen deutscher Bundesländer zu Gemüte führen [Gähn]. Alternativ kann man kann sich auch die mehrstündige Videoaufnahme eines Steines anschauen.

Gefährlicher als das Verfassen von Analysen toter Marktsegmente ist die operative Hektik auf dem Gebiet der Geldanlage. Geld brennt so manchem Anleger offenbar ein Loch in die Tasche. Gerade das Erreichen der Nullinie bei den Zinsen sorgt bei manchem für die Aussetzung der verbliebenen Rechenkünste. Manch vorsichtiger Mensch (aus gutem Grund) streckt nun doch den Kopf aus dem Schützengraben (meistens eine schlechte Idee). Der Sorge mit 0% Verzinsung die Kaufkraft seines Geldes nicht erhalten zu können ist natürlich berechtigt. Dieser Angst jedoch die Hoffung  entgegenzusetzen, mit riskanteren Anlageklassen würde man das problemlos schaffen, ist naiv. Das kann funktionieren, es kann aber auch schiefgehen. Jeder sollte sich die Relationen der Chancen und Risiken vor Augen halten. Sind die Zinsen bei 0% und ist gleichzeitig die Bewertung der Anlagealternativen günstig dann ist die Hoffnung eher berechtigt als dies im aktuellen Umfeld der Fall ist. Viele Anlageklassen sind nicht günstig bewertet, so dass sich zur Hoffnung ein markantes Risiko gesellt. Immerhin hat in einigen Segmenten der Preisrückgang und damit die Steigerung der zukünftigen Renditerwartung bereits begonnen.

Einmal angenommen, ein Anleger zielt auf 2,5% pro Jahr ab und erhält derzeit 0%. Eine schwache Woche bei den Aktien radiert mit Leichtigkeit die vermeintlich mit dem Tagesgeld verpasste Rendite von vier bis fünf Jahren aus. Der gesamte Abwärtsteil des Zyklus, der auch dieses Mal nicht ausbleiben wird, sorgt gerne für Verluste von 50% und mehr. Das ist man schon bei zwanzig Jahren. Das muss nicht so kommen, aber das sind die Risiken, die ein Anleger eingeht, wenn er auf den aktuellen Niveaus aggressiv ins Risiko geht. Bemerkenswerterweise sind die Risiken vielen Anlegern aus den letzten 15 Jahren sehr wohl bekannt. Sie werden nur für die Zukunft ausgeschlossen, was sehr interessant ist. In der Regel werden nur diejenigen Dinge für vollkommen unwahrscheinlich erklärt, die man noch nicht beobachten konnte. Nach zwei Aktienkursrückgängen, die innerhalb von weniger als zwei Dekaden auch bei deutschen Papieren zwischen 50% und sogar 75% lagen, ist es wohl ein Fall für den Psychologen, sich diesem Verschließen der Augen anzunehmen.

Die Problematik ist nicht nur Privatanlegern bekannt. Auch Versicherungen müssen überlegen, wie sie ihre langfristigen Verbindlichkeiten decken. In diesem Fall greift jedoch die Regulierung. Ein Versicherer ist in weiten Teilen dazu gezwungen, unabhängig von den schmerzhaften Renditeniveaus zu agieren. Wieviele der Probleme der Versicherungen durch Versäumnisse bei der Anlage oder zu hohe Ausschüttungen in den letzten Jahren selbst verschuldet wurde, ist ein anderes Thema. Der Druck führt zur bekannten Verschiebung von Anlagen aus den liquiden in die illiquideren Bereiche. Dummerweise wandert man so zusehends nicht nur in schwer veräußerbare sondern auch schwer bewertbare Positionen. Ein Bürogebäude in Frankfurt, tja, was ist das wohl wert in den nächsten zwanzig Jahren. Wird der Leerstand noch schlimmer? Wandern Firmen oder Branchen ab? Wie verändert sich die Qualität der Lage, wie die Zinsen? Viele offene Fragen, die zu einer auf groben Schätzungen basierten Langfristanlage führen, die sich dummerweise bei Fehleinschätzungen mangels Liquidität über die Jahre nicht in ausreichendem Maße korrigieren lassen.

Es folgt der übliche Rattenschwanz aus Abschreibungen, Verkaufsdruck und weiteren Abschreibungen. Was eine Fehleinschätzung beispielsweise bei Immobilien bedeuten kann, lässt sich am Beispiel des Debakels der ehemals offenen Immobilienfonds halbwegs erahnen. Ein zweiter Satz, der beim Futureshandel stimmt, bei der Langfristanlage aber Unsinn ist, ist die These „zu früh zu sein ist wie falsch zu liegen“. Wer einmal versucht hat, aus einer illiquiden Anlage herauszukommen, wenn alle wissen, dass die Lage schwierig ist, wird so einen Satz nie mehr äußern.

Gegen eine verordnete Aktivität, sei sie vom Arbeitgeber vorgeben oder vom Regulierer, lässt sich wenig ausrichten. Privat jedoch sollte sich niemand zu operativer Hektik hinreißen lassen. Über viele Anlageprodukte wie Versicherungen, private Altersvorsorge, die unseligen Riesterverträge oder auch über harmlos wirkende Pensionskassen sind viele Anleger ohnehin schon exponierter als sie ahnen. Erfragen Sie doch einmal spaßeshalber die Investitionsquoten und Allokation ihrer Versicherung oder ihres Versorgungswerks. Sie werden staunen. Am Finanzmarkt wird Geduld bezahlt, nicht Hektik. Aber Hauptsache, was gemacht! 

Beitrag senden

Drucken mit Kommentaren?



href="javascript:print();"