Der Euro eröffnet heute gegenüber dem USD bei 1.1082 (07:10 Uhr), nachdem der Tiefstkurs der letzten 24 Handelsstunden bei 1.1073 im US-Geschäft markiert wurde. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 105.90. In der Folge notiert EUR-JPY bei 117.36. EUR-CHF oszilliert bei 1.0867.

Die Nachrichten, die uns gestern aus London erreichten, konnten nicht wirklich überraschen. Die Brexiters nutzen nicht erst seit 2016 alle Kniffe und Tricks, inklusive des Aufbaus von lügenhaften Narrativen, um ihr Ziel zu erreichen. Das entsprechend "elitäre" Team um Boris Johnson und Jacob Rees-Mogg hielt sich nicht an die Tradition bezüglich der Länge der Parlamentspause.

Premier Johnson hat die übliche Parlamentspause um zwei Wochen bis zum 14. Oktober verlängert, was eine historische Anomalie darstellt. Damit ist dem britischen Parlament vor dem historischen Schritt des Brexits ein Zeitfenster genommen worden, den ungeregelten Brexit zu verhindern. Sowohl Parlamentarier als auch große Teile der Bevölkerung sehen diesen Schachzug als undemokratisch an.

Das Vorgehen wird nicht nur als ein Angriff auf Tradition, sondern als ein Angriff auf die britische Demokratie bewertet. Manche sprechen von einem Coup. Innerhalb weniger Stunden wurden mehr als ein 1,1 Millionen Unterschriften gegen das Vorgehen Johnson und Rees-Moggs gesammelt.

Johnson und der Club der Brexiters betonten immer wieder, den Willen der Bevölkerung bezüglich des Votums aus dem Jahr 2016 umsetzen zu wollen und damit dem Anspruch der Demokratie gerecht werden zu wollen. "Ritter in demokratischer Rüstung!" - Welch eine Fehleinschätzung!

Was ist in dem Vorgehen der Brexiters demokratisch?

  • Das Votum aus dem Jahr 2016 war nicht bindend für das Parlament. Die Brexiters haben dieses Narrativ erst über Druck in der Tory-Partei durchgesetzt.

  • Das Votum 2016 war grundsätzlich. Den Menschen wurde nicht der "No-Deal Brexit" zur Abstimmung vorgelegt. Ganz im Gegenteil wurde der "No-Deal" von Brexiters ausgeschlossen. Ergo ist der Verweis auf das Votum 2016 ein Etikettenschwindel Johnsons und seiner Kamarilla unerhörten Ausmaßes.

  • Das knappe Votum zu Gunsten eines Brexits war durch Lügenkampagnen, bei denen sich der mediale Sektor als vierte Gewalt im UK nicht nur hinterfragen, sondern schämen sollte, erreicht worden.

  • Der amtierende Premier mit seiner impliziten "No-Deal-Agenda" ist nicht von den Briten gewählt worden, sondern von 160.000 Parteimitgliedern der Konservativen, die um das Überleben als Partei kämpfen (Parteiinteresse vor Staatsinteresse).

Der Bruch hinsichtlich der Tradition der Parlamentspause ist die technische "Krönung" eines Prozesses, in dem Vertreter von Partikularinteressen über Lügen ein Land verführt haben, um ihre Ziele losgelöst von Kostenaspekten und demokratischer Kultur des UK zu erreichen. Erkennen Sie unter Umständen Ähnlichkeiten aus der europäischen Geschichte des letzten Jahrhunderts?

Als europäisch geprägter Demokrat und Hamburger Jung mit starker anglophiler Neigung bin ich über die nicht erkennbaren Lernkurven aus der jüngeren Historie nicht nur irritiert, sondern tief getroffen. Umso mehr erfreut mich der Protest der Menschen. In wenigen Stunden mehr als 1,1 Millionen Unterschriften zu organisieren, zeigt, dass die demokratischen Wurzeln der Briten ausgeprägter sind als die des Brexit-Klüngels im Parlament.

Fazit: Nicht nur Populisten der Machart Salvinis können sich aus Machtgier irren. Die Messe ist in Whitehall und im UK noch nicht ultimativ gelesen.

Setzen Lernkurven aus der US-geprägten Vollkasko-Zentralbankpolitik ein?

Unsere kritische Haltung zur US-geprägten Vollkasko-Zentralbankpolitik, die ab Mitte der 90er Jahre Einzug hielt, setzen wir als bekannt voraus (Endlich Klartext (2008), Seiten 48 - 73). Die Einlassungen von Ewald Nowotny erfreuen. Sie kommen aber spät. Währungshüter dürfen aus Sicht des EZB-Ratsmitglieds Nowotny ihr Handeln nicht von Markterwartungen bestimmen lassen.

O-Ton: "Ich bin der Auffassung, dass Notenbanken die entscheidende Institution sein sollen, die von daher auch manchmal Märkte enttäuschen müssen. In den vergangenen Jahren seien sie vielleicht zu intensiv den Erwartungen der Märkte gefolgt.“

Aufgabe der Notenbanken ist es, strukturell zu agieren und nicht primär Marktniveaus zu verteidigen (USA explizit: "Working Group on Financial Markets").

Dabei gibt es hinsichtlich des Themas Intervention fraglos auch Ausnahmen (2008/2009), da die prozyklische Struktur, die wir (leider) in den 90er Jahren von den USA übernommen haben, das bezüglich der ansonsten drohenden Kollateralschäden (von Rezession zur Depression) erforderlich macht.

Wir sind gespannt, wann EZB-Ratsmitglieder die prozyklischen Strukturen (Bilanzierung) als Thema erörtern und als Ursache vieler Fehlentwicklungen erkennen. Die Konjunktur folgt der Struktur. Die Marktbewegung folgt der Konjunktur. Ja, alles "Aristoteles" …

Wer Vollkaskomentalität züchtet, züchtet damit mangelnde Risikoaversion und leistet auf lange Sicht strukturellen Fehlentwicklungen Vorschub.

Datenpotpourri der letzten 24 Handelsstunden:

Eurozone:Mehr Geld, mehr Kredit, aber Niveau ist unkritisch

Die Geldmenge M-3 legte per Juli im Jahresvergleich um 5,2 % nach zuvor 4,5 % zu. Die Prognose lag bei lediglich 4,7 %. Kredite an private Haushalte stiegen im Jahresvergleich per Juli um 3,4 % nach zuvor 3,3 %. Kredite an Unternehmen außerhalb des Finanzsektors nahmen per Juli im Jahresvergleich um 3,9 % nach zuvor 3,8 % zu.

In Italien leidet die Stimmung. Der Index, der die Zuversicht in der Wirtschaft abbildet, sank per August von 100,1 auf 99,7 Punkte (Prognose 99,8). der Index des Verbrauchervertrauens ging von 113,3 auf 111,9 Zähler zurück.

In Österreich stieg der Einkaufsmanagerindex für das verarbeitende Gewerbe per August von 47,0 auf 47,9 Punkte.

Im Rahmen des Brexit-Dilemmas leidet Irland. Einzelhandelsumsätze sanken per Juli im Monatsvergleich um 4,3 %. In der Folge kam es zu einem Rückgang auf Jahresbasis von zuvor 0,1% auf -4,4 %.

Frankreich setzte heute früh positive Akzente. Laut finaler Berechnung legte das BIP Frankreichs per 1. Quartal 2019 um 0,3 % (bisher 0,2 %) zu. Die Verbraucherausgaben Frankreichs nahmen per Berichtsmonat Juli um 0,4 % (Prognose 0,3 %) zu.

Japan: Der Index des Verbrauchervertrauens verzeichnete per August einen Rückgang von 37,8 auf 37,1 Punkte. Der Index markierte den tiefsten Wert seit April 2014.

Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, das den Euro gegenüber dem USD favorisiert. Ein Unterschreiten der Unterstützungszone bei 1.1020 - 40 negiert den positiven Bias des EUR.

Viel Erfolg!

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