Für das Börsenjahr 2015 kann man durchaus frevelhafte Fragen stellen: Drückt Amerika Russland weiter in die Staatspleite und reagiert Putin darauf als böses Väterchen Frost? Und fällt der Ölpreis weiter? Immerhin funktioniert das frühere Preisdiktat der OPEC nicht mehr wirklich, so dass endlich der freie Markt bestimmen kann, dass jetzt unten noch nicht unten genug ist. Dann allerdings hätten die Öl exportierenden Schwellenländer kein Auskommen mehr mit ihrem Einkommen. Dann drohten sie, von Weltkonjunkturlokomotiven zu Tenderwagen degradiert zu werden, was konjunktursensitiven und Exportaktien nicht zugutekäme. Auch könnte so mancher Petrodollar-Fonds auf die Idee kommen - in Ermangelung konventioneller Einnahmequellen - bei westlichen Aktien unkonventionell Kasse zu machen, sprich sie zu verkaufen.

 

Bekommen wir es 2015 mit Deflation in der Eurozone zu tun? Kommt über Griechenland die Euro-Krise mit Schmackes zurück? Überhaupt, wer rettet uns dann eigentlich aus dieser üblen Eurosklerose, wenn ausgerechnet unser Euro-Krisen-Terminator Mario Draghi - so ein Gerücht - als EZB-Präsident das Handtuch schmeißt und im nächsten Jahr das vakante Amt des italienischen Staatspräsidenten übernimmt? Und nicht zu vergessen: Als dramaturgischen Höhepunkt haben wir ja auch noch die Angst vor der US-Leitzinswende, die für viele Anleger den Anfang des Endes der Liquiditätshausse an den Aktienmärkten einläutete. Als Kollateralschaden ließen steigende Zinsen auch noch die US-Währung ansteigen, was wiederum den Zins- und Tilgungsdienst der hoch in US-Dollar verschuldeten Schwellenländer zu Lasten ihrer weltkonjunkturellen Tatkraft verteuern würde.

 

Wie sollen Anleger denn in dieser Unruhe warme Gefühle für das nächste Börsenjahr entwickeln? Es ist doch ähnlich wie auf einem schlecht geführten Geflügelhof: Wenn Hühner keine Ruhe finden, legen sie auch keine Eier.

 

Gibt es 2015 denn auch frohe Botschaften für den Kapitalmarkt?

 

Nun, wenn man denkt, es geht nicht mehr, kommen von irgendwo Lichtlein her. Zunächst werden ein sich weiter abschwächender Euro und günstige Ölpreise 2015 die Gewinnmargen der Exportunternehmen und die Kaufkraft der Konsumenten heben.

 

Außerdem, warum sollte US-Notenbankchefin Yellen das nächste Jahr mit einer brutalen Zinserhöhungspolitik zu einem annus horribilis für die Welt(finanz)wirtschaft machen? Die Kollateralschäden früherer US-Zinserhöhungs-Manien, die Asien-Krise und die Immobilienpleite, bekamen sicherlich auch Amerika nicht gut. Geht sie dagegen „zinsdiplomatisch“, mit zurückhaltenden Anhebungen vor, ist die Aufwertung des US-Dollars gegenüber den Schwellenländer-Währungen beendet. Das wiederum stützt den Ölpreis, da sich beide Größen - historisch betrachtet - gegenläufig entwickeln. Das entspannt die Situation vor allem der Öl exportierenden Länder gleich doppelt.

 

Frau Yellen kennt ihre Verantwortung für die Welt, denn sie ist - und nicht unsere Bundeskanzlerin - die mächtigste Frau der Welt. Anlässlich der letzten Sitzung der Fed hat sie das dick unterstrichen: Sie ist in keiner Eile, die Leitzinsen zu erhöhen und wenn, dann tut dies nicht wirklich weh. Was Janet Yellen damit sozusagen als Mutti für die Welt ist, ist Mario Draghi als Vati für die Eurozone. Denn während in den USA nur zur Weihnachtszeit Frank Sinatras „Let it snow, let it snow, let it snow“ erklingt, wird man von Draghi 2015 ganzjährig „Let it flow, let it flow, let it flow“ hören: Denn mit seinen Staatsanleihenkäufen auch in Griechenland wird er eine Eurosklerose und Deflation vereiteln und eindeutig Konjunkturpolitik der Marke „Aufschwung hui und Abschwung pfui“ betreiben. Und da soll sich Draghi vor Beendigung seiner großen geldpolitischen Mission „nur“ mit dem politisch unbedeutenden Amt des italienischen Staatspräsidenten begnügen? Viel zu langweilig!

 

Apropos Griechenland, zweifelt denn irgendjemand daran, dass eine professionelle Euro-Finanzdiplomatie für Hellas ein weiteres Mal eine an sich stabilitätspolitisch völlig unhaltbare Krisenlösung findet, die anschließend aber als der große Wurf zur Stabilisierung der Eurozone verkauft wird?

           

Und was passiert 2015?

 

Als Kapitalmarktanalyst glaube ich, dass das neue Aktienjahr 2015 besser wird als sein heute noch schlechter Ruf. Ich glaube an neue Höchststände beim DAX. Allerdings wird die Kursschwankungsbreite nicht mehr so brav wie in diesem Jahr sein. Krisen und ihre Bewältigung bescheren uns zwar deutlich höhere Volatilitäten, machen die Aktienmärkte aber auch zu einem Paradies für Trader, ähnlich wie das der Markusplatz in Venedig für die dort fett gefütterten Tauben ist.

 

Apropos Volatilität, ihr kann man auch mit Aktienansparplänen gut begegnen. Denken Sie an die Kraft der zwei Herzen: Geht es nach oben, sind Sie reicher. Geht es nach unten, erhalten Sie mehr Aktienanteile für Ihr Geld.

 

Ein besonders großes Anlagethema 2015 werden Dividendenstrategien sein, die übrigens auch bei Versicherungen - was sollen sie auch anderes tun - immer mehr als Ersatzbefriedigungen zu Zinsstrategien eingesetzt werden. Viele dividendenstarke Aktien erfüllen das Anlegerbedürfnis nach regelmäßig hohen Auszahlungen, das Zinsanlagen nicht mehr auch nur annähernd befriedigen können. Nicht zuletzt wirken dividendenstarke Titel als Risikopuffer gegen Kursverluste.

 

Liebe Anlegerinnen und liebe Anleger, halten Sie 2015 durch und bleiben sie Aktien treu. Glück auf!

 

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