Über den Sommer können wir uns - zumindest was den August angeht - sicher nicht beklagen. Endlich einmal heiße Temperaturen, die man ansonsten nur aus Griechenland, Spanien oder Italien kennt.

 

Aber auch der Herbst hat grundsätzlich das Zeug dazu, heiß zu werden. Nein, nicht mit Blick auf das Wetter. Ich meine die in die entscheidende Phase tretende Eurozone. Denn wenn alle aus dem Sommerurlaub zurück sind, ist Schluss mit lustig. Die sich gegenüberstehenden Stabilitätskulturen lassen sich dann nicht mehr mit billiger Polit-Kosmetik und Vertröstungen verdecken. Die Geduldsfäden der Finanzmärkte und seiner Anleger halten das nicht mehr lange durch. Wie beim Pokern wollen sie im Herbst die Karten einer zukünftigen Euro-Politik sehen.

 

Die Euro-Mehrheit steht auf Frankreich

 

Insbesondere zwischen den Euro-Leitwölfen Deutschland und Frankreich ist die Zeit der friedlichen Koexistenz zweier finanzpolitischer Weltanschauungen mit Küsschen hier und Küsschen da vorbei. Wer wird sich durchsetzen und der Eurozone zukünftig den Stempel aufsetzen? Natürlich könnte sich Deutschland weiter mit Händen und Füßen gegen die instabilitätspolitischen Tollwutanfälle der gallischen Seite wehren. Leider jedoch schmeckt die französische Wachstumsrezeptur der Mehrheit der Euro-Familienmitglieder deutlich besser als die Stabilitätsmedizin aus Berlin. Kein Wunder, steht sie doch für mehr Verschuldung bei weniger Ausgabendisziplin und einer antiautoritären Tolerierung von Inflation. Überhaupt die Deutschen mit ihrer Bundesbank und Finanzsolidität sind doch ohnehin nur Spaßbremsen, haben nicht nur einen Putzfimmel, sondern auch noch eine massive Stabilitätsmacke, oder?

 

Nun wie geht das Spiel aus? Die deutsche Politik hat hinter vorgehaltener Hand längst begriffen, dass die konsequente Umsetzung von Stabilität der deutschen Machart zu einer schmutzigen und für Deutschland teuren Scheidung in der Eurozone führen wird. Also kann es Berlin in der real existierenden Euro-Zweckehe nur darum gehen, das Stabilitäts-Gesicht irgendwie zu wahren.

 

Realitätsdämmerung in Berlin

 

Pragmatisch betrachtet scheint dabei die stabilste Instabilitätsidee zu sein, stillschweigend die Finanzierung der klammen Mitgliedsländer der Europäischen Zentralbank zu übertragen. Mit der geldpolitischen Formulierung von Zinsobergrenzen für Spanien & Co. würde den euro-renitenten Heuschrecken sofort das Wasser abgegraben. Den Finanzmärkten würde man nicht mehr verzweifelt hinterherlaufen. Nein, dieses Mal wäre man selbst in der Pole-Position. Denn im Kampf um die Oberhoheit über die Finanzmärkte werden sich die finanziell stets unterlegenen Spekulanten gegen die EZB mit ihrem unendlich großen Portemonnaie bestenfalls eine blutige Schnauze holen. Und wer will dies heutzutage in schwieriger Zeit für die Finanzindustrie wirklich riskieren? Insofern müsste die EZB mit dieser „Bis hierher und nicht weiter“-Strategie ihre Geldbörse für diese Rettungsaktion auch gar nicht so weit aufmachen. Das Wort des heimlichen Präsidenten der Eurozone, Signore Draghi, würde klare Kante geben. Und noch besser, durch den offensichtlichen Wegfall des Zinsrisikos nähme man den Banken auch die Angst, Staatstitel der Euro-Südzone zu kaufen. Staat X, Y und Z könnte sich also wieder einfacher und billiger refinanzieren. Übrigens würde hiermit auch einem Dominoeffekt nach einem Grexit ein entscheidender Riegel vorgeschoben.

 

Auf dem Weg zur romanischen Währungsunion

 

Ja, es wäre wieder ein Stück Aufgabe von Marktwirtschaft und ein weiterer Schritt hin zum dirigistischen Staatskapitalismus, sozusagen zur romanischen Währungsunion. Das "Joch der Bundesbank" würde abgeworfen. Und leider muss festgestellt werden, dass Fiskalpolitik immer mehr Sache der Geldpolitik ohne parlamentarische Kontrolle wird. Ja so weit hat man es kommen lassen.

 

Es ist dann nur ein schwacher Trost, dass dieser Strukturbruch in der europäischen Geldpolitik Berlin die Peinlichkeit erspart, weiter in auch für Wähler klar sichtbare Staatsschulden und Rettungsschirme zu buttern. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Und wenn man dann auch noch nicht mehr von verdeckter Staatsfinanzierung durch die Notenbank, sondern offiziell von Währungsmanagement einer unabhängigen EZB spricht, ist die Sache für Berlin geritzt.

 

Goldener statt heißer Herbst

 

Vor diesem Hintergrund spricht wenig für einen politisch heißen Herbst. Eher werden die Anleger, die aufgrund der Happy Hour der Geldpolitik auf die sachkapitalistischen Anlageklassen Aktien und Edelmetalle setzen, in den Genuss eines Goldenen Herbst kommen.

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