So richtig ist die Krise bei der Bevölkerung ja noch nicht angekommen. Hört man. Und spürt man, - denn so richtig schlecht geht es den meisten Menschen noch nicht.

Die Betonung liegt auf dem Wörtchen „noch“. Glaubt man den sogenannten Experten, die immer alles auf Grund von Berechnungen (!) vorhersehen, - von einer globalen Krise bis zur Lehmann-Pleite aber nichts wissen wollten, so werden im Herbst fünf Millionen Deutsche arbeitslos sein. Aha! Na ja, dass es in Deutschland schon mehr als 6 Millionen Bezieher von Sozialleistungen gibt, ist zwar richtig, aber das bedeutet ja nicht, dass man diese vielen Menschen auch als arbeitslos bezeichnen muss. Jemand, der in einer Fortbildung steckt, - ja, der tut doch was. Er bildet sich weiter. Was verwundert ist, dass die Arbeitslosenzahlen überhaupt noch veröffentlicht werden. Ich warte auf den Tag, an dem ein Politiker in Berlin freudig verkündet, dass Vollbeschäftigung herrscht. Denn die, die keinen Job haben, müssen ja auch arbeiten, um eine neue Stelle zu finden: Bewerbungen schreiben, Stellenannoncen lesen, zu Vorstellungsgesprächen fahren. Diese Leute tun doch was!

Spaß beiseite. Was mich neulich so richtig verblüfft hat, ist ein Erlebnis mit einem LKW-Fahrer. Die wahren Hintergründe der Krise scheinen mittlerweile in das Bewußtsein der Bevölkerung vorzudringen, obwohl in unserer Presse weiter eine Nebelkerze nach der anderen gezündet wird. Ich kann mich noch gut erinnern, dass die diversen Gazetten im Oktober 2008 voll waren mit Lobeshymnen über das umsichtige und besonnene Verhalten der Deutschen in Bezug auf die Finanzkrise. Und was konnte man in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vom 28. Juni 2009 lesen? Unter dem Titel „Wir waren sehr nahe am Abgrund”, steht schwarz auf weiss, dass die Deutschen absolut nicht besonnen waren, sondern massiv Bargeld von den Konten abgezogen haben. Am begehrtesten waren 500 € Scheine, die man nicht gerade benutzt, um beim Bäcker seine Brötchen zu bezahlen. Zeitweise wurde zwanzig mal mehr Bargeld nachgefragt als in normalen Zeiten. Und weiter liest man: “Die Kanzlerin und Finanzminister Steinbrück treffen am Mittwoch, den 8. Oktober die Herausgeber und Chefredakteure der wichtigsten deutschen Medien und informieren sie über die Lage. Die Zeitungen sollen auch weiterhin zurückhaltend berichten und keine Panik schüren.” Ist das nicht ungefähr so, als wenn man den Leuten Flugzeugabstürze verheimlicht, damit sie schön weiter angstfrei in den Urlaub fliegen können, oder war es umsichtig und verantwortungsvoll, dass über diesen Bank-Run nicht berichtet wurde? Darüber kann man natürlich streiten, aber man sollte sich doch langsam darüber klar werden, dass man nicht alles glauben sollte, was über die Medien verbreitet wird.

Nun gut, kommen wir zu unserem LKW-Fahrer. Dieser schlanke, drahtige Mann im besten Alter betritt letzte Woche mein Weingeschäft und stellt sich mit den Worten vor:

  „Morjen, hab ne Palette für dich. Wo soll ich se hinstelln?“

 „Stell se hinten vor´s Tor. Ich zeig´s dir.“ antworte ich.

Während wir über den Firmenhof gehen, frage ich ihn:

 „Und, wie sieht´s aus bei euch? Viel zu tun?“

 „Ach, hör´auf“, sagt er, „überhaupt nix los. Eine Palette hab ich auf´m Bock und die is für euch. Aber weisse was“ , fährt er fort „die Krise, dat is alles Käse, watt die erzähln. Das kommt ga nich so richtig von de Amis. Dat is systemisch bedingt. Das liegt an ´ne Zinsen. Wennse ma ne gute Sendung kucken wills, dann mach inne Glotze ma „Neues ausse Anstalt an“ mit dem Priol und dem Schramm. Der Schramm erzählt immer ganz viel davon. Die Leut im Publikum lachen immer, aba ich glaub, der meint dat todernst. Inne letzte Sendung, hat er gesacht, Obama macht den Bock zum Gärtner, wennse de FED noch mehr Macht geben. Und außerdem, das glaubse jetzt nich: Die FED, dat is privat! Die gehört den Banken. Dat is gar nich ne staatliche Institution oder so was, da drucken Privatleute ihren eigenen Zaster und de Staaten müssen sich den Schotter teuer an de Kapitalmärkte leihn. Wo gibt´s denn sowas? Und Schuld is´nämlich anne Krise keiner so richtich, außer vielleicht der Olle mit de dicken Brille. Dieser Grienspahn. Da hat der nach em 11. September ganz viel billige Dollars in de Märkte gepumpt, die keiner so richtich haben wollte. Na, ja und diese Dollars hamse dann halt an de arme Leute verteilt, und weil se wussten, dass die das eh nich zurückzahlen können, hamse unsere Banken die Kredite verkooft. Aba trotzdem, das Geschwafel von de gierige Bänker is´ Stuss. Simma doch alle gierich, oder? Jeder will für seine Kohle immer de meisten Zinsen. Und wenn die ene Bank mehr gibt, dann laufen se halt alle zu der. Aber weisse, das geht ja jetzt schon seit 60 Jahren so, dasse immer Wirtschaftswachstum brauchs, um de´ Zinsen zu bediene. Immer wachsen, wachsen, wachsen. So ´nen Käse! Nach ´nem Kriech, wenn se alles kaputt gehaun ham, dann geht dat ja alles ganz gut. Aber irgendwann hamse dann alle ihr Auto, Händi und Waschmaschine und dann fängt´s an zu kriseln. Wer soll denn die 25% Renditte von dem Ackermann erwirtschaften und das Jahr für Jahr? Und um dat Wachstum zu berechnen, nehmse als Basis die Zahlen vom Vorjahr. Und weisse, was dat is? Dat is exponentiell! Wennse nen Blatt von de BILD-Zeitung nur 42 Mal falten könntest, weisse wie dick die dann wär? Glaubse nich! So dick, dass die zwischen Erde und Mond passt, weil die nämlich bei jeder Faltung immer doppelt so dick wird wie vorher. Bei de´ Wirtschaft isses genau so, dauert nur länger bis nix mehr geht, weil de nur immer so 3-7 % Wachstum pro Jahr hass.“

Mannomann, denk ich, dass die Krise bei den Leuten noch nicht angekommen ist, stimmt gar nicht. Die Leute fangen an, das System zu hinterfragen. Und das zu Recht.

Eine Stunde später kommt der nächste LKW. Nachdem der Fahrer seine einzige Palette abgeladen hat, drückt er mir seine Visitenkarte in die Hand.

 „Wenn Sie mal jemanden brauchen, ab 1. August bin ich arbeitslos, ich mache alles.“

Beitrag senden

Drucken mit Kommentaren?



href="javascript:print();"