Robert Halver leitet die Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank. Mit Wertpapieranalyse und Anlagestrategien beschäftigt er sich seit Abschluss seines betriebswirtschaftlichen Studiums 1990. Robert Halver verfügt über langjährige Erfahrung als Kapitalmarkt- und Börsenkommentator und ist durch regelmäßige Medienauftritte bei Fernseh- und Radiostationen, auf Fachveranstaltungen und Anlegermessen sowie durch Fachpublikationen präsent.
Die Outperformance Europas gegenüber den USA zu Jahresbeginn hat der Ukraine-Konflikt beendet. Unsere Aktien leiden unter der geographischen Konfliktnähe, ihrer Rohstoffabhängigkeit und zyklischen Ausrichtung. Dagegen gilt Amerika als sicherer, energieunabhängiger Anlagehafen, verfügt über einen großen Binnenmarkt und profitiert im Moment von seinen attraktiven Verteidigungs-, Energie- und Agraraktien. Aber wie besiegelt ist Europas Aktien-Schicksal wirklich?
Mit dem Ukraine-Krieg gerät die bekannte geopolitische Ordnung ins Wanken. Unter den energieseitigen Folgen leidet keine Industrieregion mehr als Europa und hier vor allem Deutschland. Zu lange ging man den bequemen, vermeintlich schmerzfreien Weg des geringsten Widerstands. Doch aufgrund der so eingegangenen Energie-Abhängigkeiten werden die Anpassungsmaßnahmen umso heftiger ausfallen müssen und umso mehr wehtun.
Nach langer Verbalakrobatik hat die Fed endlich die Leitzinsen um 25 Basispunkte erhöht sowie eine Reihe weiterer Steigerungen und auch noch ein Abschmelzen der Liquiditätsversorgung angekündigt. Vermeintlich scheint sich da ein radikaler geldpolitischer Strukturbruch mit zukünftig epochal höheren Zinsen und Renditen anzubahnen. Doch geht es vor allem um die Betrachtung nach Inflation.
Abgelenkt vom klassischen Konflikt zwischen den USA und Russland konnte China lange die Position eines unbeteiligten lachenden Dritten einnehmen. Mit Moskau ist man zwar ideologisch gegen Amerika verbrüdert. Und dennoch pflegt man beste Handelsbeziehungen zum Klassenfeind. Putins Krieg bringt Peking jetzt aber in Verlegenheit. China kann es nicht einfach weiter so beiden Seiten Recht machen. Es muss positive geopolitische Verantwortung übernehmen, sonst wird es selbst zur Verantwortung gezogen.
Der Ukraine-Krieg schlägt sich in einer immer gewaltigeren Inflationswelle nieder. Allerdings wird die EZB ihrer originären Aufgabe als Wellenbrecher trotz einer leicht restriktiveren Note überhaupt nicht gerecht. Mit großer Unterstützung der (Finanz-)Politik betreibt sie eindeutig Konjunkturförderung.
Wie ein Kampfhund hat sich Putin in die Ukraine verbissen. Loslassen kann er nicht mehr, weil ihm ansonsten zumindest das politische Ende droht. Die insofern von ihm geschaffenen geopolitischen Tatsachen und die Reaktion des Westens darauf mit heftigen Wirtschaftssanktionen bringen die EZB in größtmögliche Verlegenheit: Bekämpft sie Inflation, verstärkt sie den abzusehenden Abschwung. Stützt sie dagegen die Konjunktur, lässt sie der Inflation freien Lauf.
Der Ukraine-Krieg schlägt massiv auf die Rohstoffpreise durch und sorgt für Konjunkturängste. Können die Finanzmärkte dennoch neue Hoffnung schöpfen? Und welche Rolle fällt dabei den Notenbanken, speziell der EZB, zu?
Nach dem Angriff Putins auf die Ukraine werden an der Börse die Folgen von Sanktionen und Gegensanktionen heftig abgewogen. Die Sorgen fokussieren sich insbesondere auf eine eingeschränkte Energieversorgung bei höheren -preisen, die einerseits die Konjunktur schwächen und andererseits den Inflationsdruck stärken.
Scheinbar setzt sich die Rohstoff-Rallye unbeirrt fort. Tatsächlich wird Corona im Jahresverlauf an Einfluss verlieren und so die Weltkonjunktur kräftigen. Aber wie viel davon preisen Rohstoffe bereits ein? Übrigens werden Entspannungen bei Lieferengpässen für eine bessere Verfügbarkeit von Grundstoffen sorgen. Ein Risiko bleibt vorerst jedoch: Die Öl- und Gaspreise orientieren sich derzeit deutlich an der weiteren Entwicklung des Ukraine-Konflikts.
…sang einst Showmaster-Legende Rudi Carrell. Nach besserem Wetter wird auch an den Finanzmärkten gefragt. Lange sind wir ja von der Börsensonne verwöhnt worden. Doch jetzt sind wir irritiert, dass die dunklen Wolken der Zins- und Kriegsangst die Sonne verdecken. Am schlimmsten ist die Unsicherheit, wie lange die Schlechtwetterperiode noch anhält.
Während Fed und Bank of England die Zügel straffen, ist die EZB trotz strammer Inflation im Euroraum noch nicht zu einer echten geldpolitischen Wende bereit. Denn trotz Aufwärtsrisiken geht sie offiziell weiter von längerfristig abflachenden Preissteigerungen aus. Inoffiziell weiß sie, dass nur mit weiter antiautoritärer Erziehung die Überschuldung und der Zusammenhalt Europas gestemmt werden können. Dafür nimmt sie auch den „Preis“ eines strukturellen (Preis-)Stabilitätsverlustes in Kauf.
Zurzeit betreibt die Fed klare Mobilmachung gegen die Inflation. Ihr ungewohnt emotionales Kampfgeschrei für Preisstabilität ist tatsächlich so überzeugend, dass die Anlagemärkte in Deckung gehen. Doch macht ein nüchterner Realitäts-Check klar, dass ihrem verbalen Buhei keine entsprechend heldenhaften Taten folgen. Und die EZB ist ohnehin mit der Heilsarmee vergleichbar.