Robert Halver leitet die Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank. Mit Wertpapieranalyse und Anlagestrategien beschäftigt er sich seit Abschluss seines betriebswirtschaftlichen Studiums 1990. Robert Halver verfügt über langjährige Erfahrung als Kapitalmarkt- und Börsenkommentator und ist durch regelmäßige Medienauftritte bei Fernseh- und Radiostationen, auf Fachveranstaltungen und Anlegermessen sowie durch Fachpublikationen präsent.
Trotz Anhebung der Inflationsprognosen hält die EZB unbeirrt an ihrer lockeren Geldpolitik fest. Denn nach Auslaufen der Nachholeffekte infolge der Wirtschaftswiederöffnung gehe die Inflation ab 2022 wieder zurück. Dieses Alibi erlaubt ihr weiterhin das reibungslose Management der Über- und Neuverschuldung und die zinsgünstige Finanzierung von Klimaschutz, Standortverbesserungen und europäischem Zusammenhalt. Damit ist auch klar: EZB und Aktienmärkte bleiben beste Freunde.
Die G7-Staaten haben sich auf eine globale Mindeststeuer für Unternehmen von 15 Prozent geeinigt. Das klingt zunächst gerecht und fair. In der Tat ist es schamlos, wenn amerikanische High-Tech-Konzerne sich in Europa und Asien an dicken Umsätzen und Gewinnen laben, aber in puncto Besteuerung die Zeche prellen. Doch steckt gerade in Steuerfragen der Teufel im Detail. Ja, das, was sich zunächst steuergerecht anhört, ist bei näherer Betrachtung gar nicht mehr so fair.
Klare Impffortschritte und rückläufige Infektionszahlen befeuern die Konjunktur. Doch verlieren die wirtschaftlichen Basiseffekte immer mehr an kurstreibendem Einfluss, weil sie an Dynamik einbüßen. Immerhin werden so Inflations- und geldpolitische Risiken abgefedert, was sich in einer Beruhigung der Zinsängste niederschlägt. Angesichts dieses ausbalancierten Szenarios befindet sich der Aktienmarkt auf Richtungssuche.
Zinsen waren lange Zeit die besten Freunde des Edelmetalls, einfach, weil es keine gab. Mit wachsender Angst vor Inflation und damit vor einer Zinswende hatte die Freundschaft zwischenzeitlich jedoch Schaden genommen. Gleichzeitig droht auch von Kryptowährungen Gefahr, die Gold als Stabilitätswährung den Fehdehandschuh hinwerfen. Kann sich Gold gegen diese zwei Gegner erfolgreich verteidigen?
An der Börse findet ein Realitäts-Check statt. Halten Inflationssorgen, Zinsangst und neue High-Tech-Sachlichkeit die Aktienmärkte in Schach? Oder können Impf-Fortschritte und nachhaltige Konjunkturöffnungen eine neue Aktien-Rallye einleiten?
Wenn früher die Inflation anstieg, wurden Aktien durch stabilitätsharte Zins-Haken der Notenbanken regelmäßig auf die Bretter gelegt. Und müsste heute ein Aktien-K.o. nicht besonders niederschmetternd sein, wenn die Inflation als Springteufel zurückkommt und dann die Hausse aller Liquiditätshaussen von Fed und EZB endet? Doch welche Brisanz hat dieses klassische Szenario aktuell noch, wenn die alten Stabilitätsregeln für die neuen Staatsgläubigen keine schlagenden Argumente mehr darstellen?
Der Aktienmarkt scheint offenbar an Kraft zu verlieren, um neue Allzeithochs zu erklimmen. Das hat so manchen enttäuschten Anleger veranlasst, sich vorerst vom Spielfeld der Börse zurückzuziehen. Überhaupt wird gefragt, inwieweit die Aktien-Bäume nach herausragenden Fundamentaldaten von Konjunktur und Berichtssaison noch weiter in den Himmel wachsen können. Ebenso halten sich die Zinsängste hartnäckig wie Gerüchte. Droht Aktien die neue Sachlichkeit?
Chinas Staatskapitalismus findet offenbar Nachahmer. Auch in Amerika will die Politik nicht mehr nur Schiedsrichter sein, sondern ebenso Tore schießen. Dabei geht es Joe Biden aber vor allem darum, die marktwirtschaftliche Wehrtüchtigkeit gegenüber der asiatischen zu steigern. Auch in Europa soll Vater Staat die Dinge zum Besseren wenden. Doch ist bei uns Staat oft genug eher Zweck als Mittel. Damit werden viele Wachstumspotenziale an China und Amerika verschenkt.
Auf der letzten Sitzung verweist Fed-Chef Powell klar auf eine wiedererstarkte Wirtschaft. Ein Ende der Liquiditätsschwemme ist dennoch nicht absehbar und schon gar keine Leitzinserhöhung. Aus Angst, die Konjunktur frühzeitig abzuwürgen, bleibt die US-Geldpolitik „täubisch“. Der Fed geht es aber auch um die „Durchfinanzierung“ der von Präsident Biden geplanten Billionen schweren Infrastruktur- sowie Sozial-Maßnahmen und natürlich um die Bändigung des amerikanischen Schuldenmonsters.
Vor allem seit März 2020 schlug der Doppelhammer aus hemmungsloser Finanz- und Geldpolitik jede ernste Aktienernüchterung k.o. Hinzu kommt die Vision eines Wirtschaftswachstums wie schon lange nicht mehr. Doch zeigte sich der DAX von dieser Inflation an guten Nachrichten zuletzt wenig beeindruckt. Ließe die Zukunftsphantasie für Aktien tatsächlich nach, gäbe es theoretisch klare Argumente für den berühmt-berüchtigten Mai-Effekt.
Mit Blick auf die viralen Konjunkturprobleme und Strukturdefizite der Eurozone kann sich die EZB Stabilitätsluxus nicht leisten. Unbeirrt steht sie für schuldenfinanzierte Konjunkturprogramme zu schmerzfreien Zinskonditionen. Auch ihre Liquiditätsausstattung auf Rekordniveau wirkt wie ein Glaubensbekenntnis für Aktien. Den Preis der unendlichen geldpolitischen Euro-Rettung zahlen die Zinssparer. Sie können sicher sein, dass der nächste Weltspartag ein Volkstrauertag sein wird.
In der bekanntesten Weltraumserie aller Zeiten dringt das Raumschiff Enterprise in Galaxien vor, die nie ein Mensch zuvor gesehen hat. Ähnlichkeiten mit Kryptowährungen sind unverkennbar. „Faszinierend“ hätte wohl Mr. Spock dazu gesagt. Doch hatten Captain Kirk und seine Mannschaft nicht immer freie Flugbahn. Und da sind auch Bitcoin & Co. keine Ausnahme.