Die Freude über das Auslaufen der subprime Krise wird derzeit verdrängt von den unschönen Entwicklungen im so genannten prime Segment und bei den Gewerbeimmobilien. Mit der Bezeichung ‚prime mortgages’ waren ursprünglich Kredite von guter Qualität gemeint, im Zuge der Lockerung der allgemeinen Kreditvergabestandards erhielten aber auch viele unselige Strukturen dieses Gütesiegel. Zu nennen sind hier vor allem die ‚option-ARM’ loans (ARM für adjustable rate mortgage, also variabel verzinste Hypothek) oder ‚negative amortization loans’. Erstere geben dem Kreditnehmer die Wahl, ob er zu Beginn der Laufzeit eines variabel verzinsten Kredites einen Mindestzins zahlen möchte oder mehr.

Die Wahl zwischen viel und wenig zahlen fiel den meisten nicht sonderlich schwer. Noch abstruser sind die Kredite mit „negativer Amortisation“. Die Kreditnehmer dieser Kategorie zahlten zunächst einmal gar keine Zinsen, so dass der Kredit anschwoll wie jetzt der Hals der Gläubigerbanken. Die virtuellen Zahlungen der Schuldner, sprich die Zinsen, die bei einem normalen Kredit angefallen wären, konnte die jeweils vergebende Bank als ertragswirksam ausweisen (zukünftiger Ertrag), was allerhand ist, hat die Zahlung ja gar nicht stattgefunden. Wie gesagt, wir befinden uns hier im prime Segment, der Kategorie der besten Kredite.

 

 

Nun kann niemand behaupten, der Markt, so er denn darf, würde dies nicht erkennen. Oft wurde kritisiert, es wären „Marktanomalien“ oder „temporäre Inefffizienzen“ die dafür sorgten, dass prime Kredite unter Druck gerieten. Von hohen Volatilitäten abgesehen, die unbestreitbar sind, und dafür sorgten dass auch gute Papiere litten, liegt der Hauptgrund für die anhaltenden Verluste auch im höheren Segment in der schlechten Qualität der zu Grunde liegenden Kredite. Da hilft auch kein Wehklagen. Wenn man Brackwasser in die Mineralwasserflasche eines ausgewählten Herstellers füllt, wird das Wasser leider nicht besser.

Im subprime Segment tummelten sich bekanntermaßen oft fast mittellose Kreditnehmer – erinnert sei hier an den Erdbeerflücker J. Ramirez – die sich teils hohe sechsstellige Kredite sichern konnten, für die sie keinerlei Sicherheit hinterlegen mussten (sie hatten auch keine). Vollkommen rational entschieden sich viele dieser Menschen, dass es billiger ist, einen Kredit ohne Zins und Tilgung in Anspruch zu nehmen und auf diesem Wege so lange gratis zu wohnen, bis es zur Zwangsvollstreckung kommt, als in einer Mietbehausung zu leben.

Im prime Bereich ist die Lage etwas anders, bewegen sich hier doch in der Regel auch Personen, die die Mittel haben, Kredite zu bedienen, wenn die Zahl der solventen Schuldner auch deutlich abnimmt. Je nach Art und Höhe des Kredites fehlt aber selbst bei vorhandenem Geld oft schlicht der Anreiz, einen Kredit abzubezahlen, der sich etwa auf $300.000 beläuft, während der Hauspreis mittlerweile bei $150.000 liegt. Das ist gar nicht so selten, gab es ja oftmals auch Finanzierungen von mehr als 100% des Kauffpreises, damit noch Geld für den Einkauf blieb. Da oft nur das Haus die Sicherheit darstellt, ist es ökonomisch sinnvoller, den alten Kredit nicht zu bedienen und einen neuen, niedrigeren Kredit aufzunehmen und ein vergleichbares Haus für den genannten Preis zu erwerben. Das Problem liegt dann bei der Bank. Der faule Kredit muss abgeschrieben und das Haus zwangsversteigert werden. Aber an wen? Und vor allem, zu welchem Preis?

Da, wie beschrieben, im prime Segment nicht unbedingt die Produkte besser sind, aber oft die finanziellen Fähigkeiten der Kreditnehmer, kommen die Kreditausfälle hier im Vergleich zum schlechteren subprime Segment mit einer Zeitverzögerung an. Seit einiger Zeit nun holen die besser eingestuften Kredite massiv auf. So stammen mittlerweile 30% aller Zwangsvollstreckungen aus dem oberen Drittel der Hauspreistabelle. Zum Vergleich: Vor drei Jahren lag deren Anteil noch bei 16%. Das untere Drittel ist für 35% der Versteigerungen verantwortlich, im Jahre 2006 waren es noch 55%. Ein Teil der Entwicklung ist sicherlich dem Basiseffekt geschuldet, im subprime Bereich ist nach den katastrophalen Jahren von 2006 bis heute einfach nicht mehr viel zum Ausfallen dar. Trotzdem steigt die Zahl der Zwangsvollstreckungen auch hier weiter an.

 

 

Bezogen auf die Segmente stellt sich die Situation wie folgt dar. In 58% der Fälle sind Kredite aus dem prime Bereich für eine Zwangsvollstreckung verantwortlich, im Vorjahr lag der Wert bei 44%. Aktuell kann von einem weiteren scharfen Anstieg der Ausfallraten ausgegangen werden. An dieser Entwicklung werden vor alle die ARM loans ihren Anteil haben. 46% dieser Kredite sind bereits heute 30 Tage in Verzug aber noch nicht ausgefallen Diese Zahl ist beeindruckend, denn erst 12% dieser Kredite haben ihre Zinsanpassung hinter sich, die oft einen Anstieg der monatlichen Raten um mehr als das Doppelte zur Folge hat und so die Schuldner erst so richtig in die Klemme bringt.

Die oben stehende Grafik zeigt zudem ein weiteres Grundproblem der Kreditwirtschaft in den USA. Die Ausfallraten aller Kategorien steigen im Gleichschritt an. Das ist nicht zwangsläufig der Fall und war beispielsweise in den 70er und 80er Jahren, die auch nicht gerade zu den amerikanischen Glanzzeiten gehörten, anders. Die guten Segmemte waren in früheren Zeiten viel stabiler, was zum großen Teil auf die lächerlich niedrigen Standards bei der Kreditvergabe in den vergangenen Jahren zurückzuführen ist. Die in Dekaden aufgebaute Kreditabhängigkeit der US Bürger kommt dann als Sahnehäubchen auf die Problemtorte.

Die Annahme, es handle sich bei der Problematik der privaten Hauskredite allein um mangelnden Willen zur Zahlung der monatlichen Raten, geht fehl. Die Vermögensschrumpfung der privaten Haushalte, die anhaltenden Arbeitsplatzverluste und die Kultur des kreditfinanzierten Konsums (Sparen ist schlecht…) führen nicht nur bei den Hauspreisen zu deutlichen Einbrüchen, sondern ebenfalls beim Konsum. Auch bei den Unternehmen, die derzeit allein durch Entlassungen und nicht mehr getätigte Investitionen „Kostensenkungsgewinne“ ausweisen können (siehe Alcoa) zeigt sich der generelle Bruch im altbekannten Systemverhalten. Wer bei Mitarbeitern und Investitionen so drastisch spart, kann sich natürlich das zukünftige Gejammer über mangelnden Konsum und wegbrechende Nachfrage ebenfalls sparen. „Autos kaufen keine Autos“ hat mal jemand sehr treffend gesagt.

In Folge der genannten Schwierigkeiten folgt seit einigen Monaten, wiederum mit einer zeitlichen Verzögerung, der gewerbliche Immobilienmarkt auf den Pfad der sinkenden Preise und steigenden Kreditausfälle. Die unten stehende Grafik zeigt das Dilemma anhand der Verzugsraten der verschiedenen Klassen von Gewerbebauten.

 

 

Auch in diesem Segment liegt das wirkliche Kernproblem nicht in den Ausfallraten allein. Die ganze Misere zeigt sich im gleich laufenden Verhalten aller betroffenen Gebäudeklassen. Im Unterschied dazu kam es beispielsweise in der Krise zur Jahrtausendwende zu drastischen Problemen im Hotelbereich während die andren Segemente nur in wesentlich geringerem Ausmaß betroffen waren. In der aktuellen Krise ist das offensichtlich anders, es gibt keinen sicheren Hafen, in dem man sich verstecken kann. Die Preise müssen runter und das gilt für alle Subkomponenten des Marktes für Gewerbeimmobilien.

Es darf übrigens angezweifelt werden, ob die derzeit in den Pilotensesseln befindlichen Personen die Probleme wirklich angehen. Dieser Tage wiederholt sich bereits die altbekannte Schönfärberei und die Verbreitung von noch stärkeren Verschleierungen. Dieselben Protagonisten, die maßgeblichen Anteil an der Entstehung und am Verlauf der Krise hatten, streuen wieder Berichte ihrer eigenen Unverzichtbarkeit unter das Volk.

Wissen wie übrigens, an welchen Film uns das erinnert? Kennen Sie den Western „Zwei glorreiche Halunken“ mit Lee van Cleef, Eli Wallach (Tuco) und Clint Eastwood (der Blonde)? Folgende Szene, die zur Zeit des amerikanischen Bürgerkriegs spielt: Nach diversen Verwicklungen versucht Tuco mal wieder, den Blonden um die Ecke zu bringen. Damit es schön langsam geht, schleppt er ihn in eine Wüstenlandschaft, wo er ihn ohne Wasser den ganzen Tag in der Sonne marschieren und rösten lässt, bis sein Gesicht bereits Blasen wirft und er dem Tode nahe ist. Als Tuco den Blonden dann zum Verrecken liegen lassen will, treffen beide durch Zufall auf eine Militärkutsche, die überfallen wurde. Alle Insassen bis auf einen sind tot. Letzter kennt das Versteck einer gestohlenen Militärkasse mit 200.000 Dollar (in Gold), und als Tuco diesem Mann diesen Ort entlocken will und ihm Wasser holt, erfährt der Blonde das Versteck. Der Soldat stirbt bevor Tuco diesen Ort ebenfalls erfahren kann. Nun muss Tuco dafür sorgen, dass der Blonde doch nicht stirbt, schließlich will er auch an das Gold. Nachdem er den Blonden also in ein Hospital gebracht und ihn dort in einigen Wochen wieder gesundpflegen lassen hat, sagt er ihm: „Hey, Blonder! Du kannst von Glück sagen, dass Du mich damals in der Wüste bei Dir gehabt hast. Alleine wärst Du elendig verreckt!“.

Fantastisch und angesichts der wachsenden Anzahl systemrelevanter Banken und Personen auch topaktuell, finden Sie nicht auch?

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