Denn sie wissen, was sie tun…Überlegt Euch gut, was Ihr macht! Ein Austritt Griechenlands könnte im Extremfall die ganze Eurozone torpedieren! Die Gemengelage ist derzeit einfach zu explosiv!

Vor einiger Zeit hatte ich an verschiedenen Stellen dargestellt, warum Griechenland gerettet wird. Zudem berichte ich seit geraumer Zeit, dass Griechenland in der Eurozone bleiben wird. Trotz vieler anderer Beteuerungen ist Griechenland nach wie vor Mitglied der Eurozone. Den Prognosen zufolge ist aber ein Verbleib Griechenlands in der Eurozone nach wie vor sehr unsicher. Viele Experten gehen mittlerweile davon aus, dass Griechenland noch in der zweiten Jahreshälfte 2012 die Eurozone verlassen wird. Spätestens nach den inoffiziellen Äußerungen des Internationalen Währungsfonds vom vergangenen Wochenende, dem Sommerinterview des Wirtschaftsministers Rösler und den Kommentaren des Bayrischen Finanzministers Söder hat sich die Lage wieder deutlich verschärft. Der Wirtschaftsminister meint sogar, dass ein Austritt Athens aus der Währungsunion "längst seinen Schrecken verloren" habe. Dies hätten ihm auch einige „Fachleute“ bescheinigt… Na ja, wie weit ein Austritt Griechenlands „längst seinen Schrecken verloren“ hat, dies spürt ja man derzeit regelrecht an den Märkten ... Die spanische Regierung und die spanischen Banken spüren regelrecht diese sommerliche Entspanntheit…

Wenn die Situation so entspannt wäre, warum wird dann zum Beispiel EU-Kommissionspräsident Barroso kurzfristig in Athen erwartet? Warum will er gerade jetzt den griechischen Ministerpräsidenten Samaras treffen? Barroso war doch das letzte Mal vor drei Jahren Gast in Griechenland. Offiziell soll es ein Routinebesuch sein, hieß es von der EU-Kommission in Brüssel. „Das Ziel des Besuchs ist es, von Angesicht zu Angesicht in Athen mit dem Premierminister die ökonomische Situation in Europa und Griechenland zu besprechen“, sagte ein Sprecher auf Nachfrage. Alles nur Routine?

Ich bin mir da nicht so sicher. Die Gemengelage ist vor allem in den GIPS-Staaten (Griechenland, Italien, Portugal und Spanien) hoch explosiv. Die Gemüter in Brüssel sind aufgeschreckt, trotz vieler vorauseilender Expertenmeinungen ist eine Entscheidung über einen Austritt Griechenlands hier aufgrund der vorhandenen Risiken längst noch nicht gefallen. Und ich gehe davon aus, dass Griechenland bis auf weiteres in der Eurozone bleiben wird. Die entscheidenden Akteure werden auch im Herbst einen Weg finden, um diese Entscheidung „Pro Griechenland“ zu begründen.

Ich gebe zu, dass ich mit meiner Meinung nicht die Mehrheit der urteilenden Personen repräsentiere. Aber ich bin ziemlich sicher, dass ein Austritt Griechenlands aus der Eurozone längst noch nicht beschlossen ist. Mir ist klar, dass diese These sehr strittig ist, folgende Gründe sprechen aus meiner Sicht aber für eine weitere Mitgliedschaft Griechenlands in der Eurozone:

Deutschland und andere bonitätsmäßig gut aufgestellte Eurostaaten sind noch extremer im europäischen Schuldensumpf gefangen als vor Jahresfrist. Nochmals kurz dargestellt: Wie sehen die konkreten Haftungssummen alleine für Griechenland aus?

Bisher hat der griechische Staat bzw. die griechische Banken über 500 Milliarden Euro an Finanzhilfen erhalten (Zusagen bis 2013): Dies sind unvorstellbare Größenordnungen. Und dennoch werden diese gigantischen Rettungssummen nicht ausreichen. Denn Griechenland hat im Euro kaum eine Chance, um wieder zu gesunden. Griechenland ist und wird ein Transferland bleiben. Die interne „Euro-Abwertung“ durch ein Absenken der Preise müsste in Griechenland zwischen 30 und 40 Prozent betragen, um wieder wettbewerbsfähig zu werden (wie z.B. in der Türkei). Aus den bisherigen Erfahrungen der Wirtschaftsgeschichte ist dies absolut unmöglich. Zudem hat Griechenland in den letzten Monaten aufgrund des dauernden Wahlkampfes so gut wie keine Reform umgesetzt. Der Reformstau wird enorm hoch eingeschätzt. Insoweit werden weitere Milliardensummen in Griechenland fehlen. Genaueres werden wir nach dem Bericht der Troika im September wissen. Der Haken ist nur: wenn Griechenland aus der Eurozone austreten würde, ist ein Großteil dieser Finanzhilfen sofort verloren.

Wie sieht denn bisher die deutsche Beteiligung an den Rettungspakten aus? Im Falle einer griechischen Zahlungsunfähigkeit beträgt die direkte deutsche Haftungssumme nach meinen Berechnungen unter 100 Milliarden Euro. Dies ist eine sehr hohe Summe, wäre aber für Deutschland zu verkraften. Nicht berücksichtigt sind aber Abschreibungsverluste deutscher Banken, Versicherungen und anderer Privatgläubiger. Zudem sind die indirekten Kosten kaum zu messen. Und das ist das Problem. Darin stecken aber die Ansteckungsgefahren, die mögliche Rettung des Projektes Euro ist derzeit so unsicher wie noch nie. Dies ist ein absolut verständlicher Grund derer, warum Griechenland in der Eurozone verbleiben soll. Die Ansteckungsgefahren sind viel zu groß. Die Wahrscheinlichkeit, dass Spanien, Italien und Portugal später ähnliche Probleme erhalten, ist nicht zu unterschätzen. Eine rettende Brandmauer existiert nicht. Die Krise wird sich vor allem aufgrund der Probleme in Spanien und Italien im Spätsommer/Herbst weiter verschärfen. Die Zinsaufschläge für Italien und Spanien steigen weiter. Weitere Ratingabstufungen der Eurostaaten und der jeweiligen nationalen Banken sind die Folge. Die Auswirkungen sind jetzt schon schwer zu prognostizieren. Und dann soll auch noch im Herbst Griechenland aus der Eurozone aussteigen. Stellen Sie sich bitte dies bildlich vor? Die Dominosteine fallen reihenweise um. Ein Zusammenbruch des Euros wäre möglich. Die derzeitigen Rettungspakete EFSF und später der ESM (wenn dieser überhaupt kommt…) sind doch viel zu klein, ob eine abschreckende Wirkung zu entfalten. Auch die EZB wird wahrscheinlich nicht bereit sein, die riesigen Brandherde zu löschen.

Ebenso wichtig sind aus meiner Sicht aber politische Argumente. Zunächst kann ich mir nicht vorstellen, dass die deutsche Bundeskanzlerin es zulassen wird, dass Griechenland noch vor der Bundestagswahl im Herbst 2013 die Eurozone verlassen wird. Dies würde aus meiner Sicht die Wiederwahlchancen für die Regierung von Frau Merkel erheblich beeinträchtigen. Bisher haben die deutschen Regierungsvertreter argumentiert, dass die „Griechenland-Rettung“ dem deutschen Steuerzahler keinen einzigen Eurocent gekostet hat bzw. kosten wird. Im Falle eines Austritts Griechenlands aus der Eurozone und eines möglichen weiteren Zerfalls der Eurozone würde sehr deutlich werden, dass die obigen bereit gestellten Milliardensummen abgeschrieben und damit verloren wären. Die Konjunktur in Deutschland wird sich weiter deutlich abschwächen. Die Arbeitslosenquote würde wieder steigen. Und das dafür, dass in Griechenland vielleicht 10-30 Milliarden Euro fehlen. So weit wird es nicht kommen. Die deutschen Medien würden dies ausschlachten und die Oppositionsparteien würden für diesen Fall sicherlich politisches Kalkül daraus schlagen, die der derzeitigen bürgerlichen Koalition sehr viel Stimmen kosten würde. Diese Konstellation würde die Wiederwahlchancen der Regierung Merkel doch erheblich beeinträchtigen. Ob Frau Merkel unter diesem Umständen einen Austritt Griechenlands aus der Eurozone zulassen wird, da bin ich doch relativ skeptisch. Wenn sich Rösler und Söder durchsetzen möchten, müssten diese dann schon die Koalition in Berlin platzen lassen. Dies wäre aber ein sehr hoher Preis insbesondere für die FDP, die sich derzeit in einem Stimmungstief befindet. Ähnliche Diskussionen wird es in den anderen Ländern der Eurozone, insbesondere in Frankreich, Portugal und Spanien geben. Die dortigen Banken halten nach wie vor griechische Staatspapiere im nennenswerten Umfang. Bei einem Austritt Griechenlands wären diese Forderungen so gut wie wertlos.

Die genannten Gründe sprechen gegen einen Austritt Griechenlands aus der Eurozone. Klar, Griechenland hat enorm viele Fehler gemacht. Dies ist eigentlich nicht zu verzeihen. Aber es geht um mehr. Es ist viel zu riskant, im derzeitigen explosiven Umfeld Griechenland aus der Eurozone zu entlassen. Der Rettungsschirm EFSF und der spätere Rettungsschirm ESM sind viel zu klein, um die Folgen abzufedern. Die Ansteckungsgefahren sind einfach zu groß. Dies muss jedem, auch Wirtschaftsminister Rösler, völlig klar sein. Und wenn wir ehrlich sind…niemand auf der Welt kennt den exakten Preis für Deutschland, wenn die Währungsunion zerbrechen würde. Wurden vor Wochen noch Zahlen in Höhe von einer Billion Euro genannt, werfen andere Experten heute schon Summen von ungefähr drei Billion Euro in den Raum. Dies ist einfach unglaublich und zeigt die Komplexität der Problemzone Euro. Es wäre gut, wenn allen Beteiligten diese Komplexität klar wäre. Die Krise kann nur gelöst werden, wenn wir uns für mehr Europa entscheiden. Aber ich gebe zu, auch dies wird einen hohen Preis haben. Spätestens am Jahresende werden wir mehr wissen.

Beitrag senden

Drucken mit Kommentaren?



href="javascript:print();"