Globalisierung

Aber gehen wir von der für uns idealen Variante aus: Den Amerikanern gelingt es, das Pferd „Finanzsystem“ vor dem Abgrund herumzureißen und im vollen Galopp in die andere Richtung zu preschen. Die Chinesen begnügen sich damit, den Amerikanern ab und an die Folterwerkzeuge zu zeigen, um ihre Interessen weitgehend ungestört verfolgen zu können und einen „finanznuklearen Präventivschlag“ zugunsten einer friedlichen Entwicklung zu vermeiden. Wie sieht dann unsere wirtschaftliche Zukunft aus?

Dazu muss man unterscheiden zwischen der Zukunft der großen Konzerne und der Zukunft der Bürger und des Mittelstands. Seit Jahren wird uns eingetrichtert, dass die Globalisierung eine tolle Sache ist. Überdies unabwendbar. Quasi ein Naturgesetz, gegen das man sich nicht wehren kann. Warum auch? Globalisierung ist doch klasse. Globalisierung bringt doch Arbeitsplätze. Gut, nicht in Mecklenburg, aber doch wenigstens in Bangladesh. Außerdem profitieren wir doch alle davon. Ohne Globalisierung wäre das Leben viel teurer. Sie müssten viel mehr Geld für einen Fernseher bezahlen. Okay, ohne Globalisierung könnten Sie ihn sich vielleicht auch ohne Kredit leisten, weil Sie im Nürnberger Elektronikwerk diese Fernseher selbst mitproduzieren würden, aber das gehört nicht in diese schöne Diskussion. Globalisierung ist toll. Globalisierungsgegner sind langhaarige Bombenleger, die immer in den schönen historischen Städten randalieren, wo sich die netten Wirtschaftsminister treffen. Und mit diesen Typen wollen Sie ja wohl nichts zu tun haben, oder?!

Aber fangen wir von vorne an, damit, „wie man dem Lamm beibrachte, den Metzger zu lieben“.

Die Globalisierung wurde nicht erfunden oder in irgendeinem Brüsseler Hinterzimmer zusammengeschraubt. Die Globalisierung hat sich langsam entwickelt. Durch immer freizügigere Handelsabkommen und bilaterale Verträge (tolles Wort). Die Grenzen zwischen den Staaten wurden immer durchlässiger, besonders für alle Arten von Waren und natürlich für Geld. Anfangs fanden das alle ganz toll. Die Videorekorder wurden immer billiger, weil die Taiwanesen so wenig Gehalt bekommen. Ist doch prima. Na ja, der Taiwanese muss einem nicht leid tun. Bei denen kostet ja alles viel weniger. Der braucht auch nicht so viel. Dazu kamen die tollen Absatzmärkte. In Taiwan brauchen sie ja jetzt auch Maschinen, um die Elektronikartikel herzustellen, die sie uns so billig verkaufen. Na ja, der Taiwanese ist halt ein einfacher Arbeiter. Hightech kann der nicht. Taiwan ist die Werkbank der Welt, aber den Hammer verkaufen wir ihnen.

Einige Zeit später, nachdem wir uns mächtig über die billigen Walkmen und Sportschuhe gefreut haben, stehen plötzlich befremdliche Meldungen in den Zeitungen. „Grundig schließt Werk in Fürth“, „300 Arbeitsplätze bei … gefährdet“, „Nähmaschinenhersteller Pfaff in Problemen“ und so weiter. Die Menschen wurden nachdenklich. Besonders diejenigen, die bis dahin noch Fernseher in Fürth oder Nähmaschinen für Pfaff zusammengeschraubt hatten.

Sie begannen Fragen zu stellen. Fragen, die für die Konzerne höchst unangenehm waren. Also erklärten die Unternehmen den Menschen ausgiebig die tollen Vorteile der Globalisierung, nämlich dass die Preise sinken und dass dadurch auch ganz viele tolle Arbeitsplätze in Deutschland erhalten bleiben. Nämlich die der Vorstände und Aufsichtsräte. (Na gut, das hat keiner gesagt.)

Um es drastisch auszudrücken: Die Globalisierung ist ein Segen für die international aufgestellten Konzerne und für alle, die Geld international investieren können. Aber die Globalisierung ist eine Katastrophe für die Masse der Bürger und den kleinen Mittelstand, der nicht mal eben eine Bäckereifiliale in Ho-Chi-Minh-Stadt aufmachen kann. Den internationalen Firmen kann nichts Besseres passieren als eine völlige Öffnung aller Zollschranken. Sie können sich dann in allen Ländern der Erde die optimalen Zutaten zusammenstellen. Die Rohstoffe aus Brasilien werden in einer Fabrik in Vietnam, deren Elemente in China gekauft wurden, von billigen Arbeitskräften zu fertigen Produkten zusammengeschraubt. Diese Produkte werden dann dort verkauft, wo man den höchsten Preis dafür erzielen kann, zum Beispiel in Deutschland. Dass dieser Transfer nicht endlos gutgehen kann, ist mit dem gesunden Menschenverstand zu erkennen. Ich nenne es „Krötenwanderung“: Die Kröten wandern aus unseren Taschen nach Taiwan, China und Brasilien. Aber es wandern keine Kröten zurück. Irgendwann ist der Teich leer.

Wir müssen uns bewusst werden, dass der Aufstieg der Menschen in Asien einhergeht mit einem Rückgang des Wohlstands im Westen. Hauptursache dafür ist die Globalisierung. Ohne offene Grenzen wäre durchaus ein Prozess möglich, bei dem beide Seiten profitieren.

Sie müssen sich das bildlich vorstellen: Im Westen haben wir wie in einem Stausee unseren Wohlstand und unsere Werte wie Umweltschutz und Sozialversicherungen aufgefüllt. Getrennt durch eine große Staumauer von der weiten Ebene Asiens und dem Rest der Welt. Durch die Globalisierung wurde die Staumauer entfernt. Unser Wohlstand und unsere Werte strömen in einem großen Schwall in die weite Ebene. Dort steigt der Wohlstandspegel nun an, aber bei uns nimmt er drastisch ab. Das Niveau wird sich eines Tages anpassen, doch da die asiatische Ebene mit 2,5 Milliarden Menschen viel größer ist als unser Stausee, wird dieses Niveau unvorstellbar viel niedriger liegen als heute. Die internationalen Konzerne und auch die weltumspannenden Kapitalmärkte wirken in diesem Bild wie ein Turbo, der das Geld nach Asien schaufelt. Eine Arbeiterin in einer chinesischen Fabrik bekommt 100 Euro Monatslohn für eine Achtundvierzigstunden-Woche. Das entspricht dem Krankenkassenbeitrag eines deutschen Hilfsarbeiters. Wir haben also noch viel Platz, um uns anzunähern.

Die Frage ist doch: Warum wurde diese Staumauer eingerissen? Wir verlieren nicht nur unseren Wohlstand, sondern auch unsere Werte, die sich das westliche System über Jahrhunderte durch harte Arbeit erworben hat. All die Rechte, für die Arbeiter vor vielen Jahrzehnten auf die Straße gegangen sind, stehen jetzt vor der Auflösung. Dass die Gewerkschaften in jüngerer Zeit nicht mehr ganz auf der Höhe des Geschehens waren, sei’s drum. Man kann über die Gewerkschaften trefflich diskutieren. Aber sie haben in den letzten hundert Jahren dazu beigetragen, dass sich in Europa eben nicht ein Superkapitalismus wie in China durchgesetzt hat, sondern eine soziale Marktwirtschaft mit Vorteilen für alle Menschen innerhalb dieses Systems: Einführung der Krankenversicherung, soziale Absicherung bei Arbeitslosigkeit, Umweltschutz, Abschaffung der Kinderarbeit. All das wurde über viele Jahrzehnte in Europa und Amerika erkämpft. Lauter Dinge, die den reinen Kapitalismus Gewinn kosten. Zum Wohle aller. Darüber sind sich alle – bis auf einige Arbeitgeberverbände – in unseren Ländern einig. Doch jetzt verkaufen wir unsere Werte.

In einer europäischen Waschmaschine ist beispielsweise Umweltschutz mit eingebaut. Das kostet Geld. Um die Kosten des Umweltschutzes ist diese Waschmaschine daher teurer. Das ist richtig so. In dieser Waschmaschine ist noch viel mehr eingebaut. Die Absicherung der Bevölkerung bei Arbeitslosigkeit beispielsweise. Kindergartenplätze und sogar das Verbot von Kinderarbeit sind eingebaut. In einer asiatischen Waschmaschine sind all diese Dinge nicht installiert. Hier kaufen wir das pure technische Gerät. In dem sind oft Kinderarbeit installiert und Umweltverschmutzung. Deshalb ist es so viel billiger. Aber was ist die logische Folge? Wenn niemand mehr die europäische Waschmaschine kauft, bezahlt auch niemand die eingebauten sozialen Errungenschaften. Niemand bezahlt mehr dafür, dass wir die Werte unserer Gesellschaft weiterführen können. Also müssen wir uns von den Werten verabschieden, die uns so wichtig waren. Das fängt langsam an und beschleunigt dann immer mehr.

Sie haben es noch nicht gemerkt? Die Verkürzung des Arbeitslosengeldes, Hartz IV. Drastische Reduzierung der Renten, indem man trotz 10 Prozent realer Inflation die Renten einfach nicht erhöht. Verkürzung der Schulzeit und frühere Einschulungen. Nicht, weil das angeblich besser für die Kinder ist, sondern weil man dadurch Geld spart bei Lehrern und Kindergärten. Verlängerung der Wochenarbeitszeit. Langsam, aber merklich. Es ließen sich noch einige Buchseiten mit weiteren Beispielen füllen.

Wir Verbraucher sind also doch eigentlich die größten Globalisierungsfreunde, denn wir kaufen diese billige Waschmaschine. Klar, aus moralischen Überlegungen sollte ich…, aber ich hab’s jetzt nicht so dicke…, ich muss auch sehen, wie ich rumkomme… Das machen aber alle so. Die Folge ist der Ausverkauf der Werte. Die heimischen Hersteller müssen ihre Sozialstandards immer weiter reduzieren, die Gehälter einfrieren oder kürzen. Stellen abbauen. Optimieren. Irgendwann genügt das nicht mehr, weil der Unterschied der Produktionskosten zwischen der chinesischen und der deutschen Waschmaschine einfach zu groß ist. Dann wird das Unternehmen Druck auf die Gewerkschaften machen, vielleicht doch einer Arbeitszeitverlängerung zuzustimmen. Wenn alles nicht genügt, wird es die Pforten schließen und ein neues Werk in Asien eröffnen. Oder ein Handywerk in Bochum durch eines in Rumänien ersetzen. Das wird solange weitergehen, bis sich die Preise angeglichen haben. Und da Europa sich immer noch vehement wehrt, die Kinderarbeit wieder einzuführen, wird das so schnell nicht passieren. Sie sehen: Nicht nur der Wohlstand gleicht sich durch die Globalisierung an, sondern in seinem Gefolge auch die Werte. Ist es das wert?

Die Politiker und Wirtschaftsbosse erzählen uns täglich, wie toll und wichtig die Globalisierung ist. Gleichzeitig erklären sie uns, dass wir uns in Zukunft auf deutliche Einschnitte gefasst machen müssen. Wir nehmen das so hin. Warum? Ist die Globalisierung ein gottgegebenes Naturgesetz? Oder eine Naturkatastrophe wie ein Erdbeben, gegen das man nichts machen kann? Es ist halt so, akzeptiert es? Nein! Die Globalisierung ist die Folge von politischen Entscheidungen. Es war der freie Wille der Regierungen – okay, vielleicht sollte man das mit dem freien Willen anders formulieren: Die Industrie hat dafür gesorgt, dass die Regierung diesen freien Willen ihr eigen nennt.

Wenn sich die Regierung so demütig der Entwicklung des scheinbar Unausweichlichen ergibt, warum bemüht sie sich dann, den Drogenhandel zu bekämpfen? Es ist halt mal so. Wir können nichts dagegen tun. Gewöhnt euch dran. Oder Kriminalität oder Terrorismus? Fügen wir uns doch.

Komisch, da wird – zu Recht! – bis zur letzten Patrone gekämpft. Man versucht zumindest, das Übel im Zaum zu halten. Warum nicht auch bei der Globalisierung?

Kennen Sie das Wort „Protektionismus“?

Vermutlich stellen sich Ihnen gerade die Nackenhaare auf. Dieses Wort ist so negativ besetzt, dass man es eigentlich den Kindern verbieten müsste. „Pfui, so etwas möchte ich hier am Tisch nicht noch mal hören!“ Wie kommt das? Selbst Leute, die keine Ahnung haben, was das Wort eigentlich bedeutet, wissen: „Protektionismus ist bäh, bäh!“ Woher kommt diese Überzeugung?

Stellen Sie sich folgende Situation vor: Wir haben zwei Teams, die Monopoly spielen. Das eine Team heißt „Europa/USA“, das andere Team heißt „Asien“. Beide spielen nach völlig unterschiedlichen Regeln. Die einen bekommen immer 4000 Euro, wenn sie über Los gehen, die anderen 10 000 Euro. Die einen müssen ins Gefängnis, wenn sie auf das Feld „Raubkopie“ kommen, die anderen bekommen Geld ausbezahlt, wenn sie das Feld betreten. Unter solchen Umständen kann ich diese beiden Mannschaften doch nicht am selben Brett spielen lassen! Dann muss ich doch sagen: Jeder spielt auf seinem eigenen Monopoly-Brett nach seinen eigenen Regeln. Wenn sich beide Mannschaften eines Tages auf die gleichen Regeln verständigt haben, können sie ja immer noch zusammen spielen.

Wie könnte so etwas in der Realität aussehen? Zum Beispiel wie eine europäisch-amerikanische Freihandelszone. Wir bauen um unser gemeinsames Wertesystem eine Zollmauer auf. Innerhalb des Systems befinden sich all die Länder, mit denen wir zumindest annähernd die gleichen Werte und Spielregeln teilen. Die Kontrollpunkte sind die Häfen und Flughäfen. Die Länder außerhalb dürfen dennoch selbstverständlich ihre Produkte innerhalb der Freihandelszone verkaufen, aber mit Aufschlag. Die Kosten für den Umweltschutz, der in der deutschen Waschmaschine eingebaut ist und in der asiatischen fehlt, werden als Zoll draufgeschlagen. Vielleicht 15 Prozent. Kinderarbeit eingebaut? 20 Prozent! Fehlende Arbeitsschutzrichtlinien für die Arbeiter ? 7 Prozent! So wäre ein Kampf mit gleichen Waffen geschaffen. Natürlich gäbe es einen Sturm der Entrüstung bei den internationalen Konzernen. Die Waschmaschinen in Deutschland würden teurer werden. Aber vielleicht würde es sich für einen Mittelständler in Schwaben wieder lohnen, eine Waschmaschinenfabrik zu eröffnen. Mehrere tausend Arbeiter würden eingestellt. Steuern, Löhne, Sozialabgaben würden fließen, und so weiter, und so weiter. Die Unternehmen innerhalb der Freihandelszone stünden dann immer noch in Konkurrenz zueinander, aber unter gleichen Bedingungen. Man ist Konkurrent, aber auch Partner. Alle Unternehmen müssen Löhne bezahlen, von denen die Menschen auch leben können. Es herrscht ein gesellschaftlicher Konsens, dass Kinder Kinder sind und keine billigen Sklaven.

Klingt verrückt? Vielleicht. Aber immerhin so vernünftig, dass dieser Gedanke einer europäischen Freihandelszone hinter den Kulissen der großen Politik immer wieder aufpoppt. Wenn da nicht die Lobby der internationalen Industrie und des großen Geldes wäre, die einer solchen Idee natürlich gegenübersteht wie der Teufel dem Weihwasser. Denn dann könnte man ja plötzlich nicht mehr die Arbeiter Europas gegen die Arbeiter Asiens ausspielen, und diese wunderbaren „Ausgleichs“-Geschäfte, dass man in Asien billig produziert und in Deutschland teuer verkauft, gingen auch nicht mehr. (Ein besonders krasses Beispiel dafür ist die amerikanische Supermarktkette Wal-Mart: Von ihren 6000 Lieferanten kommen 5000 aus Asien.) Doch leider ist es so, dass die Lobby der Industrie und des Geldes bestimmt, was in Europa und Amerika entschieden wird und was nicht. Nicht das Wohl des Volkes, sondern das Wohl der Mächtigen steht im Vordergrund. Wenn nur die Wahlen nicht immer wären. Dann müsste man der Bevölkerung nicht ständig mit allen möglichen Tricks die Entscheidungen schmackhaft machen und könnte viel freier agieren. So aber muss man den Menschen eben langwierig eintrichtern: „Globalisierung ist gut! Globalisierung ist gut! Globalisierung ist gut!“ – Gehirnwäsche nach dem Muster: „Ich habe nur einen Herrn und Gebieter: Dr. Mabuse…“ (Sorry, diese Anspielung verstehen vermutlich nur die älteren Leser…)

Im selben Atemzug wie den Menschen die Globalisierung schmackhaft gemacht wird, muss ich ihnen aber noch etwas anderes einimpfen, nämlich: „Protektionismus ist bäh, bäh!“ In der Medienwelt gibt es eine These, die besagt: Man muss eine Behauptung nur oft genug wiederholen, dann glauben nach wenigen Tagen alle Menschen, dass es genau so ist. Wenn also nur oft genug gesagt wird: „Der Irak hat Massenvernichtungswaffen“, dann weiß nach ein paar Tagen jeder: „Klar! Der Irak hat Massenvernichtungswaffen.“ Dabei hat keiner derer, die jetzt davon überzeugt sind, auch nur eine einzige Anthrax-Granate gesehen oder kennt einen, der sie gesehen hat, und dennoch wissen alle: „Der Irak hat Massenvernichtungswaffen.“ Genauso ist es mit dem „Protektionismus“. Alle wissen, dass er bäh, bäh ist. Aber 99,9 Prozent haben sich noch nie Gedanken gemacht, ob das tatsächlich so ist.

Dieses Wort zu einem Unwort zu machen, war schon ein toller Coup. Denn Protektionismus kommt vom lateinischen „protectio“ und bedeutet „Schutz“. Dass Schutz plötzlich etwas Schlechtes sein soll, das ist schon eine Leistung. Was, bitte, ist schlecht daran, wenn wir unseren Wohlstand und unsere Werte schützen wollen?

Trotzdem sind heute viele Menschen „Globalisierungsgegner“ und demonstrieren lautstark gegen die Globalisierung. Aber haben sie verstanden, worum es geht? Nein. Sie sind gegen die Globalisierung, weil sie darunter die Ausbeutung der Dritten Welt durch die Industriestaaten verstehen. Die Jungs und Mädels meinen es gut, aber das ist nicht unser größtes Problem. Die Globalisierung bewirkt genau das Gegenteil dessen, was sie glauben: die Ausbeutung unseres Wohlstands und unserer Werte durch die Schwellenländer. Im Sinne einer gerechten Verteilung des Wohlstands auf der ganzen Welt müssten die Attac-Anhänger eigentlich für die Globalisierung sein. Und auf den Globalisierungsdemos müssten eigentlich die Verkäuferinnen und Mittelständler mit dem Megaphon in der Hand stehen.

Große Unternehmen können problemlos den Märkten hinterherziehen. So zieht die Arbeit aus einem Land in ein anderes. Die Arbeiter können aber nicht so einfach hinterherziehen, sie werden an den Grenzen aufgehalten. Hier funktioniert der Schutz. Für ihre Arbeitsplätze gilt das nicht: Die dürfen passieren. Diese Abwanderung der Arbeitsplätze geschieht heimlich, fast unmerklich. Viele einzelne sind betroffen, glauben aber, das sei lediglich ihr Einzelschicksal, denn die Bundesagentur für Arbeit meldet ja ständig weniger Arbeitslose und eine Million neu geschaffene Stellen. Kaum jemand durchschaut, dass es sich dabei nur um Minijobs handelt. Für 400 Euro Handlangerdienste erbringen. Oder um Ein-Euro-Jobs, wie sie die beiden armen Teufel haben, die bei einem Sportverein in der Region Unkraut aus dem Hofplaster kratzen. Tolle Jobs sind das, die da geschaffen werden!

Wer will, kann die Abwanderung der Arbeitsplätze beobachten. Beispielsweise am Hamburger Hafen, wenn die großen Schiffe aus Asien entladen werden und die Produkte unserer abgewanderten Arbeitsplätze an Land spucken, um dann leer zurückzufahren.

Die Globalisierungsbefürworter der Industrie rechnen uns vor, wie sehr wir alle angeblich von den Absatzmärkten in Asien profitieren. Wir sind doch Exportweltmeister! Da seht ihr, wie toll die Globalisierung für uns ist.

Ist das so? Nicht, wenn wir mal wieder die Nebelkerzen beiseiteräumen. Nehmen wir mal an, ein Auto im Wert von 100 000 Euro wird exportiert. Dann hat der Exportweltmeister Deutschland seinen Export um 100 000 Euro gesteigert. Ist ja logisch. Aber dabei wird vergessen, dass vielleicht die ganze ins Auto eingebaute Elektronik im Wert von 20 000 Euro zuvor aus Asien importiert wurde. Daran hat kein inländischer Arbeitnehmer gewerkelt. Auch die Sitze kamen vielleicht von weither, und so weiter. Obwohl also ein bedeutender Teil der Ware nicht aus Deutschland stammt und hier auch nicht produziert wurde, wird das gesamte Auto dem deutschen Export zugerechnet. Die meisten außerhalb eingekauften Vorleistungen, werden einfach nicht oder nur ungenügend herausgerechnet. Häufig ist das auch gar nicht möglich. Selbst wenn Bosch oder Continental die Zulieferer sind, fertigen auch die wiederum zum Großteil im Ausland. Beim Porsche Cayenne beträgt der deutsche Anteil an der Fertigung nach eigenen Angaben gerade mal noch 12 Prozent, und trotzdem wird das ganze Auto als deutscher Export gefeiert.

So sieht es bei vielen Firmen aus: In Deutschland oder Europa sitzen vielleicht noch die Konzernzentrale, die Designabteilung und das Rechnungswesen, aber der Großteil der Produktion findet woanders statt. Für die großen Firmen ist das prima! Die feiern ihre Exporte zu Recht, schließlich haben sie durch die billigen Zukäufe einen weiteren großen Vorteil. Aber kann der einfache Bürger, der nicht einen der wenigen Arbeitsplätze bei einem internationalen Konzern hat, sich darüber freuen? Wohl kaum. Solange er jedoch nicht versteht, wie er an der Nase herumgeführt wird, glaubt er all die Märchen von der tollen Globalisierung. Das Lamm hat gelernt, den Metzger zu lieben.

 

Auszug aus C(r)ashkurs: Weltwirtschaftskrise oder Jahrhundertchance? Wie Sie das Beste aus Ihrem Geld machen von Dirk Müller.

Mehr Informationen zu dem Buch erhalten Sie unter:

https://www.cashkurs.com/index.php?id=67

Beitrag senden

Drucken mit Kommentaren?



href="javascript:print();"