Danke, Karlsruhe! Das Bundesverfassungsgericht hat verhindert, dass der Rettungsschirm ESM planmäßig eingeführt wird. Das ist eine gute Nachricht. Der ursprüngliche Zeitplan hätte bedeutet, dass überforderte Parlamentarier ein Vertragswerk wirksam werden lassen, während die Öffentlichkeit sich mehr mit dem Wohl und Wehe der deutschen Fußballer beschäftigen als mit einer Entscheidung, die unsere wirtschaftliche Zukunft entscheidet bestimmt.

Das Verfassungsgericht, so schreibt die Süddeutsche Zeitung, erkläre der Kanzlerin, dass die repräsentative Demokratie nicht darin bestehe, dass sie allein die Repräsentantin sei. Stattdessen gelte es, den Bundestag rechtzeitig und umfassend über europäische Pakte, Verträge und Maßnahmen zu informieren. Die Parlamentarier seien weder Störer noch Zuschauer bei der Politik, sondern Mitgestalter.

Aber wir sollten an dieser Stelle noch einen Schritt weiter denken. Aus meiner Sicht sind die Fragen rund um Rettungsschirme, Transferunion, Abgabe nationaler Souveränität an Brüssel und die Fortsetzung des Euro schon längst ein Fall für eine Volksabstimmung. Die letzte Bundestagswahl liegt knapp drei Jahre zurück. Damals knirschte es zwar schon gewaltig im weltwirtschaftlichen Gebälk. Aber das Auseinanderdriften der Eurostaaten, die Entzauberung der Krisenländer und die darauf folgenden Rettungsorgien, die in erster Linie von Deutschland alimentiert werden, waren damals noch nicht abzusehen.

Man kann also mit Fug und Recht sagen, dass die wirtschaftlichen Weichenstellungen, die die deutsche Politik heute vornehmen muss, nicht durch ein entsprechendes Wählervotum legitimiert sind. Dies gilt umso mehr, als Umfragen zeigen, dass eine klare Mehrheit der Bundesbürger Themen wie ESM und Griechenland äußerst kritisch sieht und mittlerweile auch den Euro immer stärker hinterfragt. Die Politik hat sich also ganz klar von den Bürgern entfernt. Das mag die Sicht des Nichtjuristen sein. Die Experten werden mich wahrscheinlich belehren, dass dies noch kein Grund für ein Referendum sei. Aber es gibt auch ein paar Punkte, die Fachleute nachdenklich machen sollten.

Selbst Finanzminister Schäuble, der sonst ganz und gar nicht als Befürworter der direkten Demokratie daherkommt, denkt mittlerweile in diese Richtung. Er will die politischen Kompetenzen immer mehr nach Brüssel verlagern und rechnet daher – offenbar notgedrungen -  mittelfristig mit einer Abstimmung über ein neues Grundgesetz. Aber was nutzt uns ein Referendum über eine neue Verfassung in einigen Jahren, wenn wir wichtige Eckpfeiler unserer wirtschaftlichen Situation bereits heute auf Gedeih und Verderb hingeben?

Der politische Analyst Erwin Grandinger bezeichnet den ESM in einem lesenswerten Beitrag im Magazin „Smart Investor“ als ein finanzpolitisches Ermächtigungsgesetz, das die Abschaffung der Bundesrepublik Deutschland in ihrer bisherigen Form bringe. Der ESM kenne keine parlamentarische Kontrolle, er könne unbegrenzt Kredite am Kapitalmarkt aufnehmen und unterliegt nicht einmal der Kontrolle durch einen Rechnungshof.

Frank Schäffler und Burkhard Hirsch, beide FDP, erklären in der WELT, warum der ESM vom Bundestag gar nicht ratifiziert werden darf. Ihre Argumentation: Der Bundestag verliert durch den Rettungsschirm das letzte Wort, wenn es zur Ausweitung der Haftung kommt. Die Risiken für Deutschland werden unberechenbar. Der ESM sei daher ein Verfassungsbruch.

Das Bundesverfassungsgericht könnte daher die letzte Instanz sein, die der „düsteren Haftungs- und Transferunion“ (Grandinger) Einhalt gebietet. In der Summe rechtfertigt die Entscheidung eine Volksabstimmung. Denn der Vertrag über den ESM, so wie er derzeit angelegt ist, ist unkündbar. Ein Zurück dürfte es daher für Deutschland zu vertretbaren Kosten nicht geben. Deshalb sollten alle Bürger dazu befragt werden. Ein Referendum darf aber nicht erst in zwei oder drei Jahren kommen, wenn der Zug bereits abgefahren ist. Sondern jetzt!

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