Wer eine „alternativlose“ Politik dieser Art betreibt, die Interessen von Banken und sonstigen Lobbies den Belangen eines ganzen Kontinents und seiner Gesellschaft gänzlich überordnet, braucht sich am dicken Ende nicht zu wundern, wenn die Fliehkräfte immer größer werden. Und zwar nicht nur am Rand der Gesellschaft. Ergebnisse in Frankreich, U.K., Dänemark, Italien oder Griechenland zeigen, dass der Protest in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist. Sollten sich diese Wahlergebnisse dort im Zuge der kommenden Parlamentswahlen bestätigen, dürfte die Institution EU samt Euro in absehbarer Zeit Geschichte sein. In Griechenland ruft die Partei Syriza bereits nach einer Ansetzung von sofortigen Neuwahlen.
Wer die Debatten auf europäischer Ebene in den letzten Monaten ein wenig aufmerksamer verfolgte, musste EU-Kommissionspräsident Barroso zumindest in einem Punkt vollumfänglich Recht geben. Unvergessen sind dessen Vorwürfe in Richtung des britischen Tory-Abgeordneten und Chefs der konservativen Reformisten, Michael Callanan, dass die Bürger – wenn es so weit sei – lieber das Original anstatt nur eine Kopie wählten.
Barroso bezog sich damals auf die in der konservativen Tory-Partei von Premierminister David Cameron umschwenkende Stimmung bezüglich der Europäischen Union. Callanan und Cameron warf Barroso vor, Politik nach Stimmungslage zu machen. Die Tories fühlten sich getrieben von dem am rechten Rand immer stärker aufkommenden Druck durch UKIP. Wer die EU in Großbritannien nicht wolle, werde ohnehin UKIP wählen, so Barroso.
Diese Einschätzung hat sich im Angesicht der Ergebnisse zu den Kommunal- und EU-Wahlen in Großbritannien komplett bestätigt. Ein Desaster für die Tories, während Nigel Farage und seine Partei UKIP im Zuge der EU-Parlamentswahlen knapp 30% für sich verbuchten. Ein politisches Erdbeben nennt sich so etwas im allgemeinen Sprachgebrauch. Ein Erdrutsch fand auch in Frankreich statt. Dort brachten es die regierenden Sozialisten von Staatspräsident Hollande gerade noch auf ganze 14,5% in der Wählergunst.
Nun, wer in der heutigen Welt einem Weltbild nach Art der 1970iger Jahre anhaftet, unter anderem Gesetze erlässt, die Firmen ins Auge gefasste Entlassungen derart verteuern sollen, „dass sie sich nicht mehr lohnen“, das Defizit des Staates nicht unter Kontrolle bekommt und entgegen aller vorherigen Wahlversprechen auf Druck der EU-Kommission plötzlich bis zu €50 Milliarden im Haushalt einsparen will, braucht sich auch über diese Form der Marginalisierung sicherlich nicht zu wundern.
Ginge es Hollande „um sein Land“, würde er heute vor die Mikrofone treten, um seinen sofortigen Rücktritt bekannt zu geben. Doch dazu haben ihn ja noch nicht einmal zahllose Korruptionsskandale in Bezug auf einstige und inzwischen geschasste Regierungsmitglieder verleiten können. Also spricht der Wähler eben an der Wahlurne – die einzige Chance, die ihm bleibt. Wer sich ein ähnliches Ergebnis bei der nächsten nationalen Parlamentswahl in Frankreich vorstellt, in deren Angesicht der Front National auf 25% kommen würde, wird wissen, dass es nicht nur um die EU, sondern auch um den Euro geschehen sein wird.
Unterdessen verschärft die linksgerichtete Partei Syriza nach den Wahlergebnissen den politischen Druck auf die Regierung aus Konservativen und Sozialisten in Griechenland. Parteichef Tsipras ruft dort nach sofortigen Neuwahlen auf nationaler Ebene, wodurch die politische Situation weiter destabilisiert werden könnte (siehe meinen Bericht vom Samstag).
Und genau dieses waren die Voraussagen und Vermutungen in zahllosen Berichten und Interviews in der Vergangenheit auf diesem Kanal. Während sich die EZB in den letzten beiden Jahren unter Bruch von zahlreichen und ehedem als sakrosankt geltenden Verträge an den europäischen Bond- und Währungsmärkten zum „Retter of last resort“ emporhob, haben eine sich trotz allem vertiefende Wirtschaftsdepression in Griechenland, Spanien, Portugal, Italien und Frankreich zur Folge gehabt, politische Strömungen aufkommen zu lassen, die sich dieser „alternativlosen“ Politik mit aller Macht entgegenstellen. Ganz zu schweigen von der Entwicklung in Großbritannien.
Dem Fass wurde der Boden vollends ausgeschlagen, als sich Brüssels Politbüro in Sachen Ukraine ohne Vorbehalte auf Seiten der Amerikaner stellte. Zuvor hatte man gemeinsam einen Staatsstreich in der Ukraine angezettelt, am besten noch, um die heillos bankrotte Ukraine nicht nur in die NATO, sondern auch gleich noch in die EU aufzunehmen. Die Wähler haben in den letzten Tagen ein klares Votum abgegeben. Vorbei sind die Zeiten, in denen Massenmedien dazu in der Lage waren, die öffentliche Meinung über ihre Propaganda zu manipulieren – und das ist gut so.
Wie es im Moment aussieht, dürfte der Anfang vom Ende der EU eingeleitet worden sein. Die Brüsseler Apparatschicks scheinen die Zeichen der Zeit hingegen immer noch nicht erkannt zu haben. Wie anders ließe sich der Versuch interpretieren, mit Jean-Claude Juncker einen abgehalfterten Skandalpolitiker als EU-Kommissionspräsidenten zu installieren, der der Meinung ist, dass „man lügen müsse, wenn es ernst wird“?!!!
Kommentare
Dem ist im Übrigen nichts hinzuzufügen!
Schon Wochen nach der Wahl Hollandes haben Sie in aller Deutlichkeit auf die desaströsen Folgen seiner neuen Politik hingewiesen, jetzt ist das eingetreten und das Gejammer gross, wenn auch teilweise zurecht in Bezug auf die unschönen Erfolge der Front National
Nicht ganz, die restlichen 40%, die noch zu dieser "Wahl" gegangen sind, waren noch "brainwashed" genug...
Zur Zeit werden AFD und Co einfach in die rechte Ecke gesteckt und sie lassen es zu, da sie in der BRD nur einen energielosen Witz-Wahlkampf abgeliefert haben, obwohl gerade die Europawahlen IHR eigenes Favoritenthema geboten haben...
Wenn ich sehe dass z.B. der YT-Kanal der AFD vor der Europawahl Videos enthielt die MONATEALT waren, dann kann ich nur mit dem Kopf schütteln. DIES wäre ein Medium gewesen, welches nicht von Lanz und Co. manipuliert und gefiltert werden kann. Aber Nein, nicht mal dort machte man sich die Mühe, Informationen zu streuen... Die 7 % Wählerschaft die jetzt zustandekamen, waren die gleichen Wähler wie bei der Bundestagswahl... Nur die Wahlbeteiligung war eine andere...
Dass die FN in Frankreich oder Wilbers in den NL mehr zustande brachten, ist ebenso kein Grund zum Jubeln, da sie zwar eurokritisch, aber dafür auch ultrarechts sind...
Eine "Vereinigung" der Eurokritiker ist so nahezu ausgeschlossen. TTIP und TISA werden in Kürze die Entscheidungsfindungen auf eine neue Stufe heben, so dass die WIRKLICHEN Entscheidungen sich jeder parlamentarischen Kontrolle entziehen... Zurück bleiben Wähler, die Parlamente wählen, die weder Macht noch Kompetenzen haben...
DIE PARTY GEHT WEITER UND WIR STEHEN NICHT AUF DER GÄSTELISTE, SONDERN AUF DER SPEISEKARTE !
http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/doppel-waehler-giovanni-di-lorenzo-staatsanwaltschaft-mit-verfahren-a-971765.html
"Mir tut das aufrichtig leid", sagte di Lorenzo der "Bild"-Zeitung - und fügte an: "Mir war nicht bewusst, dass man bei der Europawahl nicht in zwei Ländern abstimmen darf. Hätte ich es gewusst, hätte ich es nicht getan und natürlich auch nicht in der Sendung von Günther Jauch erzählt."
Und so einer ist Chefredakteur.
Vorhin im Radio war auch mal wieder der Begriff "Fehler" zu hören. Seltsam, daß diese Konsorten immer nur "Fehler" machen, während Otto-Normal-Arsch immer in bösester Absicht "Verbrechen" begeht und dementsprechend mit der ganzen Härte des Gesetzes zu bestrafen ist.
Die Parteien und Wähler Europas mögen schnellstens erkennen, dass das in-die-extreme-Ecke stellen von potentiell gefährlichen Systemgegnern eine einfache wie bislang wirksame, jedoch auch zunehmend durchsichtige Taktik der Irreleitmedien ist.
Immer weniger Menschen werden denen das durchgehen lassen.
Mögen die berechtigten Stürme der Kritik über ihre Webauftritte mit voller Wucht hinwegblasen!
Ich kann nur hoffen, dass diese Fliehkräfte die EU bald einmal ganz zerreissen werden - sie hat bereits genug Schaden angerichtet; es wird langsam aber sicher Zeit für eine Wiederbelebung der ebenso bescheidenen wie vernünftigen Idee des EWR - mehr braucht Europa nicht, ja, mehr verträgt Europa gar nicht, wie die letzten 4 Jahre uns allen eindrücklich vor Augen geführt haben.