Als Edward Snowden im Juni 2013 die Praktiken des US-Nachrichtendienstes NSA an die Öffentlichkeit brachte, löste es einen weltweiten Skandal aus. Doch schon vor ihm gab es Whistleblower, die auf diese massiven Verletzungen der Privatsphäre durch Geheimdienste aufmerksam machten. Zu ihnen zählt William „Bill“ Binney, der ehemalige Technische Direktor der NSA. Er ist der Protagonist des Doku-Films „A Good American“ des österreichischen Regisseurs Friedrich Moser. Der Film zeigt, dass die Geschichte von Binney mit der technologischen Entwicklungsgeschichte des NSA seit den 60er Jahren bis zu den Anschlägen des 11. September eng verwoben ist.

William Edward Binney begann 1965 seine Karriere als Militär-Analyst. Als er noch Anfang 20 und der Kalte Krieg in vollem Gange war, arbeitete er mit weit ausgebreitetem Millimeterpapier, Lineal und Bleistift. 1983 bekam er seinen ersten PC auf den Schreibtisch. Als 1993 der erste Anschlag auf das World Trade Center stattfand, schuf das ein neues Bewusstsein für diese neue Dimension des islamistischen Terrorismus. Die enorme Bedeutung, die in diesem Zusammenhang das Internet erlangen würde, zeichnete sich ab. Um dem zu begegnen, wurde Ende der ein kleines, aber äußerst kreatives und flexibles Team rund um Binney geschaffen, das aus einem Dutzend Leuten bestand. Es zeichnete sich durch äußerste Kreativität, Expertise und Flexibilität aus.

Das Mastermind Binney war einer der Mitentwickler des Programms „ThinThread“. Das Projekt wurde im August 2001 eingestellt. Es machte für ein anderes Programm namens „Trailblazer“ Platz. Er ist überzeugt, dass ThinThread in der Lage gewesen wäre, die Anschläge vom 11. September zu verhindern. Da Trailblazer an ein Privatunternehmen ausgelagert wurde, geht der Film auch auf die damit einhergehenden wirtschaftlichen Interessen ein.

Zusammen mit Binney beschwerten sich 2002 vier weitere Whistleblower über das Missmanagement rund um ThinThread beim Generalinspekteur des Verteidigungsministeriums. Bei diesen Personen, die auch im Film Stellung nehmen, handelt es sich um den Analysten Kirk Wiebe, den Software-Experten Thomas Drake, den Kryptologen Edward Loomis und der Mitarbeiterin des Geheimdienstausschusses des Kongresses Diane Roark. Sie monierten die „Abermillionen von Dollar“, die an Trailblazer verschwendet wurden. Ein zentraler Punkt ihrer Beschwerde betrifft auch das illegale Ausspähen der eigenen Bürger. ThinThread funktionierte nicht nur sehr viel besser, sondern war auch verfassungskonform, da es in der Lage war die Privatsphäre der Bürger zu schützen. ...und all die genannten ehemaligen NSA-Mitarbeiter sind sich im Übrigen einig: Ob es nun um das Knacken des Codes oder um das Programmieren von Überwachungssystemen geht, Binney war der mit Abstand beste Mitarbeiter für solche Jobs.

Der Protagonist und „gute Amerikaner“ geht häufiger auf 9/11 ein und betont dabei, dass ThinThread die entsetzlichen Attacken verhindert hätte. Doch Skeptiker, die an der offiziellen Version der Regierung zu den Anschlägen zweifeln, werden keine Anhaltspunkte finden, die ihre „Verschwörungstheorien“ - wie immer man sie auch definieren mag... - untermauern oder auf Touren bringen.

Die Personen im Film sind allesamt US-Patrioten, die ihre Aufgabe darin sahen, die eigene Bevölkerung vor Terror zu schützen. Vor allem, dass das Überwachen der eigenen Bürger nicht mit den Vorstellungen der Gründungsväter vereinbar ist, macht ihren Idealismus aus. Sie kommen authentisch als Menschen mit Prinzipien rüber. Bill Binney vergleicht die Überwachungspraktiken mit dem KGB und der Gestapo. Zudem bezeichnet er die Privatsphäre verletzenden Programme als „Stasi auf Supersteroiden“.

Der Film ist von der Grundstruktur her chronologisch aufgebaut und mit Archivmaterial aus dem Kalten Krieg unterlegt. Die Komplexität des Digitalzeitalters wird mit bildgewaltigen Animationen formschön dargestellt. Die unheilvoll angehauchte, aber auch elegante Filmmusik gibt dem Zuschauer oft das Gefühl, in eine ästhetische Infographik einzutauchen.

Neben vorwiegend politischen Inhalten finden teils auch psychologische und philosophische Aussagen ihren Platz. Binney sagt dann Dinge wie, dass menschliche Verhaltensmuster sich überall widerspiegeln oder das die Beständigkeit des Universums sich der Sprache der Mathematik bedient.

Bei dem sachlich-analytisch gehaltenen Film, der durch imposante Bildsprache untermalt ist, bekommt der Zuschauer einen Einblick in die Funktionsweise des NSA, einen Eindruck dafür, wie sich der Geheimdienst in den letzten Dekaden technologisch entwickelt hat und er erfährt, welch immenses Potenzial Metadaten - also Daten über Daten - in sich bergen, um den gläsernen Menschen des Digitalzeitalters zu überwachen.

Obwohl der Film eine Reihe von interessanten Zitaten bereithält, seien sie an dieser Stelle nicht vorweggegriffen. Er wird am Donnerstag, den 30. Juni auf dem „Filmfest München“ seine Deutschland-Premiere haben. Alles im allem: Eine aufschlussreiche, spannende und kurzum sehenswerte Dokumentation.

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