Folgeartikel zu : "Liebling, ich habe den Notebook finanziert" (nachzulesen <link _blank>hier)

In Teil 1 habe ich das Thema der 0%-Finanzierungen bei Haushaltsgeräte- und Computerkäufen andiskutiert. Ein Thema wäre auf cashkurs.com jedoch nicht ausreichend behandelt, wenn wir uns nicht noch die CUI BONO?-Frage stellen würden.
Begeben wir uns also wieder in unseren Dorf-Biergarten und diskutieren wir ein wenig - auch mit der Gefahr, die heutige Nacht zur Strafe wieder - als unliebsamer Dauerhinterfrager - gefesselt am mächtigen schattenspendenden Kastanienbaum verbringen zu müssen.

Nachdem am Stammtisch bereits programmgemäß die Welt gerettet wurde (Agenda: Köhler-Nachfolge, Wer wird Weltmeister, Kopfpauschale und wer hättte die 1-Million-Antwort beim Jauch gewusst?), werfen wir noch eine Zusatzfrage in den Ring:
„Warum kostet der Computer beim Ratenkauf über zwei Jahre genausoviel wie bei der Einmalzahlung?“

Der Stammtisch antwortet wie aus der Notenpresse geschossen: „Na weil der Zins eingepreist ist!“

Eine schwäbische Hausfrau am Nebentisch hat unsere Diskussion mitgehört.
Die gute Dame hat in ihrem Leben immer erst gespart und dann gekauft.
Fragend ruft sie zu uns herüber: „Heißt das, daß ich als Barkäufer die Zinsen für Jene zahle, die das Gerät per 0%-Finanzierung über 2 Jahre kaufen?“

Der Stammtisch - vollzählig und beschlussfähig - einigt sich auf die Antwort: „Ja, so isses!“

Die schwäbische Hausfrau folgert messerscharf: "Na dann kauf ich demnächst auch per Ratenzahlung ... so verteile ich die gleiche finanzielle Belastung auf 2 Jahre. Ich bin doch nicht ...Sie wissen schon."

Kurze Stille ...... die Turmuhr unserer Dorfkirche schlägt elf Mal .... Zweifel liegen in der Luft. Wir haben den vermeintlichen Pferdefuß bei 0%-Finanzierungen entlarvt, kommen aber zu der Folgerung, daß die Sofortbezahler die Dummen sind? Irgendwas stimmt hier nicht. Bohren wir also weiter.

Cui bono - Der Handel

Der Handel verspricht sich von solchen 0%-Finanzierungsangeboten die Ankurbelung seines Umsatzes (oder zieht er ihn nur vor?). Mittlerweile scheint es auch so zu sein, daß man als Händler 0%-Finanzierungen anbieten muss, um in der seit Jahren tobenden desaströsen (Schein)rabattschlacht bestehen zu können. Zum Glück stemmen sich viele gallische Einzelhändler bewusst gegen diesen Strom. Auch ich werde immer wieder einmal gefragt, ob ich solche Finanzierungen anbiete. Auch auf die Gefahr hin, mir scheinbare Umsätze entgehen zu lassen, verneine ich solche Anfragen prinzipiell und erkläre meine Bedenken gegenüber solchen Konsum-Krediten hinreichlich.

Vertragsparteien bei einer 0%-Finanzierung?

Bei den meisten 0%-Finanzierungen schließt man den Ratenkaufvertrag (Kreditvertrag) nicht mit dem Händler, sondern mit einer dritten Partei: einer Partnerbank der Handelskette.

Vertragspartner bei einem 0%-Gerätekauf ist also eine meist wildfremde, nicht-örtliche Bank, bei der man für 24 Monate eine Zahlungsverpflichtung eingeht. Der Händler erhält nach Vertragsabschluss das Geld von der Bank. Der Gerätekäufer zahlt die Monatsraten nicht etwa an den Händler, sondern auf sein neues Kreditkonto bei der 0%-Finanzierungsbank seines Händlers.

Was könnte bei Zahlungsschwierigkeiten passieren?

Ihr örtlicher Händler würde Ihnen im Falle von Zahlungsschwierigkeiten evtl. einen kurzen Zahlungsaufschub Ihres 0%-Ratenkaufs gewähren; die Finanzierungsbank kennt weder Sie, noch Ihre familiäre Lage, noch ihr tolles Engagement im Dorfleben. Es wurden Fälle bekannt, in denen ein Zahlungsverzug von zwei Monatsraten (wir reden von einem zweistelligen Eurobetrag) zu Zinsanhebung führten oder Gehaltspfändungen angedroht wurden.

Kontoführungsgebühren für den Finanzierungskredit?

Glücklicherweise - auch dank rechtlicher Auseinandersetzungen - seltener geworden sind 0%-Finanzierungsverträge, die im Vertragstext Kontoführungsgebühren für das Kreditkonto festschreiben. Zum Kaufpreis des Geräts kamen dann in manchen Fällen bis zu 39 Euro Kontoführungsgebühr hinzu.

Konsumentenkredite versus Kreditwürdigkeit

Ein 0%-Finanzierungsvertrag ist als Konsumentenkredit zu sehen. Bei einem anonymen Verhältnis zwischen Kunde und kreditgebender Bank ist es durchaus üblich, daß der Schuldner (hier also der Ratenkäufer), eine Bonitätsprüfung bestehen muss.

Jemand, der aus Bequemlichkeit - obwohl er das Geld zum Barkauf hätte - zu viele Konsumentenkredite in Anspruch nimmt, erweckt auf dem Papier den Eindruck, er könne sich kleinere bis mittlere Anschaffungen nicht leisten. Es verwundert also nicht, daß mehrere Verbrauchermagazine über Fälle berichteten, bei denen eine handvoll 0%-Finanzierungskäufe zur Verschlechterung des persönlichen Schufa-Scores führten.

Cui bono - Das System

Systemisch betrachtet könnte die um sich greifende Werbung für 0%-Finanzierungen auch als Symptom unseres Geldsystems (kreditbasierte Geldschöpfung) gesehen werden - das System sucht händeringend neue Schuldner. Warum nicht schon im Wohn- oder Kinderzimmer damit anfangen?

Cui bono - Die 0%-Finanzierungsbank

Den Hauptnutzen für die kreditgebenden Banken gibt eine Bankensprecherin in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung offen zu. Beim 0%-Finanzierungskauf eines Computers oder Fernsehers wird der Käufer Neukunde der Finanzierungsbank, die damit den Freibrief zur Vermarktung anderer Finanzprodukte erhält.
Zitat aus dem Interview: "Wir gewinnen dadurch neue Kunden, denen wir dann unsere Kreditkarten oder Sparprodukte anbieten können. [...] Gerade bei der Null-Prozent-Finanzierung werden Menschen angesprochen, die vorher eher nicht finanziert hätten: gutverdienende Akademiker zum Beispiel, die das Geld eigentlich haben [...]"

Mittlerweile hat sich der Biergarten geleert.
Die Turmuhr unserer Dorfkirche schlägt 12 - Zeit für den Heimweg. Erleichtert gebe ich dem mächtigen Stamm der altehrwürdigen Kastanie noch einen anerkennden Klaps.
Hinter mir verlässt die schwäbische Hausfrau vom Nebentisch den Biergarten und ruft dem Wirt noch zu:
"Eine Runde auf mich für den Stammtisch! Du weisst ja .... schreib's mir an - wie immer."

Verflixt - selbst die schwäbischen Hausfrauen sind nicht mehr das, was sie mal waren.

Markus Weis

Quellen (Auszug)

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